Kommentar Verfassung Tunesien: Vorbild für die ganze Region
Tunesien beweist, dass arabische Welt und Demokratie kein Widerspruch sind. Dabei sind es mehrere Faktoren, die das Land besonders machen.
D er Arabische Frühling scheint gescheitert: Syrien versinkt im Bürgerkrieg, Libyen im Chaos, Ägypten in den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Armee, Islamisten und säkularen Kräften. Wäre da nicht Tunesien. Das kleine Land erholt sich von jedem Schlag und geht, wenn auch langsam, Schritt für Schritt in Richtung Demokratie.
Trotz heftiger Debatten und trotz Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Armee mit kleinen, terroristischen Gruppen verliert Tunesien seine Stabilität nicht. Was letztlich beim langwierigen Übergangsprozess herauskommt, hat Vorbildcharakter für die ganze Region. Die am Sonntag verabschiedete Verfassung ist das modernste Grundgesetz in der arabischen Welt.
Es sind mehrere Faktoren, die Tunesien besonders machen. Das Land schrieb bereits nach der Unabhängigkeit eine relativ weitgehende Trennung von Staat und Religion sowie die Rechte der Frau fest. Es gibt eine starke Zivilgesellschaft, die an diese Errungenschaften glaubt und sie verteidigt.
Hinzu kommt die Rolle der mächtigen Gewerkschaft UGTT. Sie verstand es, sich von der Oppositionskraft zum zentralen Vermittler und Garanten der Demokratisierung zu entwickeln. Zudem gibt es keine starke Armee. Niemand, ob im Staatsapparat, der Opposition oder der Zivilgesellschaft kam so auf die Idee, wie in Ägypten, mit einem Staatsstreich zu liebäugeln. Selbst die Islamisten zeigen sich letztendlich verantwortungsbewusst.
Tunesien beweist, dass arabische Welt und Demokratie kein Widerspruch sind. Natürlich sind die Gesellschaften im Süden des Mittelmeeres vielschichtig und ein Demokratisierungsprozess braucht seine Zeit. Wer, wie bisher nicht nur in der EU üblich, kurzfristige Stabilität über alles andere setzt, ist unfähig, diesen Prozess zu begreifen und zu unterstützen.
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