Kommentar Verbraucherschutz: Klar ist überhaupt nichts
Über 7.000 Produkte wurden in zwei Jahren auf dem Internetportal der Verbraucherschutzzentralen reklamiert. Das klingt viel, ist es aber nicht.

K lingt doch nicht schlecht, diese Zahl. Die Macher von lebensmittelklarheit.de jedenfalls freuen sich: 7.300 Produktbeschwerden hat das Portal seit 2011 verzeichnet. Und bei einem Drittel sollen die Hersteller auf die Beschwerden auch eingegangen sein.
Aber ist das tatsächlich ein Erfolg, genau zwei Jahre nachdem die Website der Verbraucherschutzzentrale an den Start gegangen ist, um Transparenz in das Wirrwarr aus beschönigenden Bezeichnungen, Weglassungen oder Falschkennungen auf den Lebensmittelpackungen zu bringen? Übrigens mit Unterstützung von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, die sich als damals als mutige Rebellin gab, um die Industrie das Fürchten zu lehren.
Man muss sich dazu andere Zahlen ansehen. Ein Vollsortimenter führt bis zu 40.000 unterschiedliche Waren im Angebot, der normale Supermarkt knapp 10.000. Die Branchenverbände loben die Hersteller für ihre Innovativkraft.
Fast jede Einzelhandelskette führt inzwischen ein großes Sortiment an Eigenmarken – und egal, ob im Biobereich oder bei Fertigprodukten: Der Lebensmittelmarkt diversifiziert mit Gewalt. Pro Jahr kommen knapp 2.000 sogenannte Neuheiten in die Regale. Da klingt die Zahl 7.300 gar nicht mehr so prächtig.
Zwei Jahre lebenmittelklarheit.de zeigen vor allem: Klar ist überhaupt nichts. Im Gegenteil. Ein Klick auf die aktuelle Website macht nur noch deutlicher, wie unklar Verpackungsbezeichnungen sind. Und welche Kreativität Produktmanager und Marketingabteilungen entwickelt haben. Fast drei Viertel der Verbraucher trauen heutzutage nicht mehr dem, was auf der Packung steht. Ähnlich groß ist das Misstrauen wohl nur bei der Tour de France.
Nur: Radsport kann man ausschalten, essen muss man immer.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links