Westsahara-Gemüse bei Rewe & Co: Konflikt-Tomaten aus der Wüste
Vorsicht, wenn auf Tomaten bei Rewe oder Penny als Herkunftsland „Marokko“ steht: Der Anbau könnte Wasservorräte in Afrika gefährdet haben.

Könnten aus der Westsahara kommen: Tomaten. Bild: dpa
Tomaten sind das Lieblingsgemüse der Deutschen: Jeder Bürger isst laut dem Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung rund 21 Kilo davon im Jahr. Um den Bedarf zu decken werden die Früchte des Nachtschattengewächses in große Mengen importiert: Wichtigster Nicht-EU Lieferant ist, mit 36.000 Tonnen, jährlich Marokko.
Wer bei Rewe, Penny und Nahkauf nach Tomaten aus Marokko sucht, wird schnell fündig: Die Geschäfte verkaufenTomaten des französisch-marokkanischen Herstellers Azura unter dem Label Pro Planet. Die Rewe-Group preist es auf ihrer Website als „Navigationssystem für nachhaltigere Produkte“ an. Die Waren dieser Linie sollen sich durch geringere Belastung für Umwelt und Gesellschaft auszeichnen. Doch Dakhla, eine der beiden Hauptanbaustätten für Tomaten, liegt nicht in Marokko, sondern in dem von Marokko besetzen Gebiet der Westsahara.
International wird die seit 1975 andauernde Annexion nicht anerkannt, um das Land wird gestritten – und ebenso um die Nutzung der Ressourcen. Trotzdem erleichtert ein seit März 2012 geltenden Handelsabkommen über landwirtschaftliche Produkte zwischen Marokko und der EU Importe in den Binnenmarkt. Produkte aus der Westsahara werden darin nicht explizit ausgeschlossen.
Davon betroffen ist eine in der Region überaus knappe Ressource: Wasser. Der Hydrogeologe Thomas Himmelsbach von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist sich sicher: „Man kann dort auf keinen Fall nachhaltig industrielle Landwirtschaft betreiben.“ Die unterirdischen Wasservorkommen, die für die dortige Landwirtschaft unverzichtbar seien, würden durch wasserintensive Aktivitäten wie den Tomatenanbau unweigerlich aufgebraucht.
Rewe verteidigt sich
Nach Angaben der Rewe-Group erhalten die Pro Planet-Tomaten ihr Label, weil sich der Produzent Azura in besonderer Weise für die Menschen vor Ort und die Umwelt engagiere. „In Bezug auf die marokkanische Bevölkerung ist das vielleicht richtig“ sagt Bernd Eichner von der medico international. Nach Aussagen der Partner der Organisation vor Ort profitiere die saharauische Bevölkerung jedoch nicht vom Wirtschaftsboom im Agrarsektor. Das bestätigen auch der Report „Conflict-Tomatoes“ der Nichtregierungsorganisation West Sahara Ressource Watch. „Wir profitieren überhaupt nicht von den marokkanischen Landwirtschaftsgeschäften“, sagte der Menschenrechtsaktivist El Mami Amar Salem gegenüber der NGO. Er lebt in Dakhla und beobachtet die schnell wachsende Agrarindustrie in der Region mit Sorge: „Die Menschen, die auf diesen Farmen arbeiten, sind Marokkaner und nicht Saharauis. Letztere bleiben arbeitslos.“
Derweilen boomt die Landwirtschaft in Marokko. Nach Angaben der deutschen Botschaft in Rabat wuchs sie 2009 um 26 Prozent und erzielte einen Gesamtumsatz von 9,3 Milliarden Euro, Tomaten zählen dabei zu den Hauptexportprodukten. Größter Absatzmarkt sind mit 80 Prozent die Länder der EU. Die Region um Dakhla zeigt den gleichen Trend: Die landwirtschaftliche Produktion in diesem Teil der Westsahara steigert sich im Zeitraum von 2002 bis 2008 nach Angaben der örtlichen Behörden um das 30fache.
Die falsche Ausschreibung von Gemüse aus der Westsahara als marokkanische Produkte öffnet Tür und Tor für die Vereinnahmung der umstrittenen Gebiete durch die Besatzungsmacht Marokko. Obwohl die West Sahara Ressource Watch bereits 2011 bei der Abteilung der EU Kommission für Gesundheit und Verbraucher mit einer Anfrage auf das Problem hingewiesen hatte, bleibt die Falschauszeichnung von Produkten aus der Westsahara bis heute bestehen.
Lebensmittelkonzerne in Norwegen, Schweden und Finnland hatten nach Angaben der West Sahara Ressource Watch angekündigt, dass sie die Tomaten von Azura mit Hinblick auf die Umwelt- und Völkerrechts-Problematik aus dem Sortiment nehmen werden. Die Rewe-Group hingegen bezeichnet Marokko als einen noch jungen Markt – angesichts der großen Nachfrage und dem Abbau von Handelshemmnissen könnte bald also noch mehr Gemüse aus dem besetzen Gebiet auf deutschen Tellern landen.
Leser*innenkommentare
Claas
"Doch Dakhla, eine der beiden Hauptanbaustätten für Tomaten, liegt nicht in Marokko, sondern in dem von Marokko besetzen Gebiet der Westsahara."
Auch wenn das von vielen Ländern und Personen aus Unwissenheit ignoriert wird. Fakt ist jedoch, dass die Westsahara ein integraler Bestandteil des Königreichs Marokko ist und kein besetztes Gebiet, wie das in der deutschen Presse dargestellt wird. Marokko hat mit dem Grünen Marsch 1975 nur wieder in Besitz genommen, was vor der Kolonialzeit bereits Teil Marokkos war.
irmi
Gast
Toll, was die Handelsketten mit den Menschen und deren Ressourcen wie hier das so wichtige Wasser für die Menschen vor Ort treibt. Man will hier schöne, natürlich sehr billig Tomaten verkaufen und macht damit enorme Profite.
Dazu lesen bitte:
aufgelistet wo Fa. Frutania zus. mit Fa. Azura anbauen lässt. http://www.frutania.com/home.html
Konflikt-Tomaten: Gemüse aus der besetzten Westsahara für den europäischen Markt. http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Marokko/tomaten.html
Ja es stimmt, wir brauchen Lebensmittel die sich auch noch ein Rentner, ein Hartz IV Empfänger leisten kann. wenn ich feststellen kann, das die Tomaten aus "Marokko" kommen, werde ich sie in der Zukunft nicht mehr kaufen, auch wenn ich Tomaten liebe (wenn sie denn nach Tomaten schmecken)
ingrid werner
@d.j. Wahrscheinlich haben sie schon recht, israel ist mir auch in den Sinn gekommen, da das Thema mit dem korrekten Auszeichnen der Ware nach HErkunft gerade wieder Thema war. Ja, Marokko sollte hier gleich behandelt werden. Aber die Besessenheit mit Israel ist gut. Wenn es eben solche mit Marokko gäbe. Aber es gibt nun mal Staaten, die stehen häufiger im Fokus- weil sie nun mal wichtiger sind, und andere weniger. ich werde jedenfalls das nächste Mal bei Rewe drauf achten, bzgl der marokkan. Tomaten. Noch wirkungsvoller wäre villeicht wenn jeder in seinem Rewe Markt eine Petition abgibt. Wenn der Markt dann noch ein soziales Gewissen hat, verkauft er keine Tomaten mehr aus der Westsahara. Anderes Thema aber damit zusammenhängend. Bananen, neulich ne Doku im TV gesehen, dass in Lateinamerika inzw auch der Biobananenanbau eingeht und überhaupt Bananenanbau mit ordentl Entlohnung für die Arbeiter. versucht wurde es, aber es lohnt sich nicht, da vornehml. die dt Handelsketten darauf pressen dass die B. immer noch zu 1Eur das Kilo verkauft im Supermarkt landen. ein Preis, der schon seit Äonen gleich ist, während äpfel inzw. 2- 3 Eur das kilo kosten. Da könnte man auch mal anfangen die Billigbananen liegen zu lassen. die bananen für 2 Eur gibt's ja aber die kauft keiner, wenn daneben, die für 1 eur liegen. Die Handelsketten sagen immer wir, die Kunden wollten das so. der Preis ist aussschlaggebend und ich gehe vllcht nicht fehl dass es mit den Tomaten aus der WS genauso ist.
Lebensmittel-Inlaender
Gast
Von mir aus könnt Ihr alle Lebensmittel-Importe einstellen, im Ernst.
D.J.
Gast
Gut, dass die taz die Problematik thematisiert. Im Übrigen sehe ich nicht, dass die Leute, die - ausschließlich von Israel besessen - die Kennzeichnung von Waren aus den besetzten Gebieten fordern, mit derselben Verve dies bei anderen völkerrechtlich umstrittenen Gebieten, wie Westsahara, tun.