Kommentar Urteil zu Nachtflügen in Hessen: Letzter Sieg vor der Niederlage
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes zu Nachtflügen bleibt politisch wirkungslos. Den Wahlsieg von Koch wird das Urteil nicht verhindern.
N atürlich feierten SPD, Grüne und Linke in Hessen den ihnen vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) geschenkten, letzten kleinen Sieg über den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) ausgiebig - vor dem wahrscheinlichen Triumph ihres Lieblingsfeindes bei der Wahl am Sonntag. Viel Anlass dazu gibt es aber nicht.
Denn mit der Ablehnung aller Eilanträge gegen den bereits angeordneten Sofortvollzug wurde dem Flughafenbetreiber Fraport AG das Recht eingeräumt, umgehend mit den Bauarbeiten für die Landebahn Nordwest zu beginnen; einen Weg zurück gibt es nicht mehr. Moniert hat der VGH nämlich lediglich die von der Landesregierung unter Koch Ende 2007 gegen alle Absprachen und auf Druck der Lufthansa genehmigten 17 Nachtflüge in der Kernzeit von 23 bis 5 Uhr.
Der Widerstand dagegen war auch der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich das im Landtag gescheiterte "Linksbündnis" 2008 verständigen konnte. Die Ausbaubefürworterpartei SPD und die Ausbaugegnerpartei Bündnis 90/Die Grünen schrieben denn auch im Oktober in ihren nur Tage später obsoleten Koalitionsvertrag - den der Tolerierungspartner Linke gegenzeichnen wollte - hinein, juristisch gegen die strittigen Nachtflüge vorgehen zu wollen.
Sie haben jetzt Recht bekommen; politisch aber nutzt ihnen das nichts mehr. Die koalitionswilligen Flughafenausbauparteien CDU und FDP werden trotz der Kritik des VGH an den "rechtswidrigen Nachtflügen" (Linke) die Neuwahl sicher gewinnen. Nur 10 Prozent der Hessen interessiert das Thema überhaupt noch; und gegen die durch den Ausbau angeblich neu entstehenden 100.000 Arbeitsplätze kann "in Zeiten wie diesen" (CDU) sowieso nur schwer argumentiert werden. Im Wahlkampf selbst der Grünen spielte der Landebahnbau im Forst denn auch bis zur Entscheidung des VGH kaum noch eine Rolle. Nur die Linke lehnt den Ausbau noch generell ab; auch dafür gibt es am Sonntag mit wahrscheinlich nur noch 4 Prozent vom Wähler die Quittung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste