Kommentar Umgang mit Ebola: Das Virus und der Verstand
Die internationale Hilfe gegen die Epidemie lief viel zu spät an. Die Reichen pflegen ihre irrationalen Ängste, doch ihr Geld allein hilft noch lange nicht.
K napp 10.000 Menschen haben sich in Westafrika bisher mit dem Ebola-Virus infiziert. In kürzester Zeit, damit rechnet die Weltgesundheitsorganisation WHO, könnten 10.000 Neuinfektionen dazukommen – jede Woche. Wenn es einmal so weit ist, brauchen die betroffenen Länder jede Woche so viel Hilfe, wie sie bisher in den vergangenen sechs Monaten erhalten haben, und dennoch dürften jeden Tag rund 1.000 Menschen an Ebola sterben – ein kaum vorstellbares Katastrophenszenario.
Nicht nur deshalb ist die Mahnung erfahrener Helfer, dass 1 Euro Hilfe zur Bekämpfung von Ebola jetzt so viel wert sei wie 2 Euro in zwei Wochen und wie 10 Euro am Ende des Jahres, ernst zu nehmen. Es besteht inzwischen Konsens, dass die Hilfe für Liberia, Sierra Leone und Guinea viel zu spät anlief und in viel zu kleinem Maßstab. Auch die WHO ist daran nicht unschuldig, denn sie rief erst vor zehn Wochen den internationalen Gesundheitsnotstand aus. Aber was folgt aus dieser Einsicht?
Mit der Zusage immer größerer Geldbeträge ist es nicht getan, und das wird immer deutlicher und peinlicher. Von den versprochenen gigantischen Hilfsapparaten aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland ist nur ein kleiner Teil überhaupt vor Ort.
Einen Monat ist es her, dass die Bundesregierung begann, um Freiwillige zur Ebola-Bekämpfung zu werben – erst diese Woche beginnt überhaupt die Ausbildung der wenigen Tauglichen unter den Tausenden, die gern etwas tun würden. Und es wird noch einmal einen Monat dauern, bis sie im Krisengebiet im Einsatz sind.
In den anderen Ländern sieht es nicht besser aus. Bevor die Entsendung von Personal in großem Stil beginnt, scheint der medizinische Rückflug eventuell Ebola-infizierter Helfer europäische Bürokraten vor schier unlösbare logistische und konzeptionelle Probleme zu stellen. Derweil greifen gerade in den reichsten Ländern der Welt irrationale Ängste vor Ebola um sich und lassen an der gleichmäßigen globalen Verteilung des gesunden Menschenverstandes Zweifel aufkommen.
Die reichen Länder der Welt rufen gern die ärmsten dazu auf, ihre Probleme selbst in die Hand zu nehmen und mit Selbsthilfe und Eigenverantwortung den eigenen Weg aus dem Elend zu finden. So langsam ahnt man, dass hinter diesem Appell an die Armen ganz einfach die Unfähigkeit der Reichen steht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels