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Kommentar US-StrafverfolgungSchritt gegen Alltagsrassismus

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die USA erkennen endlich, dass sie ein Problem haben. Ihre Strafverfolgung diskriminiert Schwarze, Hispanics und andere Minderheiten.

Jumaane Williams, Mitglied im Stadtrat von New York City, nach einem Pressetermin zum Urteil über die willkürlichen Durchsuchungen. Bild: reuters

E ndlich tut sich etwas! Zeitlich ist es Zufall, dass beide Entscheidungen am gleichen Tag öffentlich wurden: jene einer New Yorker Bundesrichterin, die Kontroll- und Durchsuchungspraxis der New Yorker Polizei für verfassungswidrig zu erklären, und jene des US-Justizministers Eric Holder, die Haftstrafen für kleinere Drogendelikte drastisch herabzusetzen.

Inhaltlich aber zeigen beide: Die USA erkennen endlich an, dass sie ein Problem haben. Zu viele Schwarze, Hispanics und Angehörige anderer Minderheiten stehen unter Generalverdacht, geraten in Konflikt mit der Polizei und sitzen unnötig lange in Haft.

Es war in den Neunzigern, als New Yorks Bürgermeister Giuliani die Politik der „Null Toleranz“ durchsetzte. Etwa zehn Jahre später, als Reaktion auf eine Crackwelle, folgten harte Mindeststrafen für Drogendelikte.

Auf den ersten Blick hat beides funktioniert: Die Kriminalitätsraten in New York und im ganzen Land sind so niedrig wie lange nicht mehr. Auf den zweiten Blick aber, und der wurde unlängst durch den Fall des in Florida getöteten 17-jährigen Schwarzen Trayvon Martin wieder geschärft, hat diese Politik eine Ungleichbehandlung geschaffen, deren negative Folgen die positiven Effekte gesunkener Kriminalitätsraten mindestens aufwiegen.

So wie der selbst ernannte Wachmann George Zimmerman in Florida dem Jugendlichen folgte, weil er jung und schwarz war und einen Kapuzenpulli trug, so kontrollierte die New Yorker Polizei in den vergangenen neun Jahren in 84 Prozent der Fälle Schwarze oder Hispanics – und fand in neun von zehn Fällen keinerlei Hinweise auf kriminelles Verhalten. Die Botschaft dieser Politik an Minderheiten: Wir, „die Gesellschaft“, sehen euch als Bedrohung. Das ist Rassismus. Mit den Entscheidungen Eric Holders und der New Yorker Richterin wird das anerkannt. Ein wichtiger Schritt.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • KG
    Kein Gast

    Gehen sie mal als junger Mann mit einer Tasche einkaufen und zählen mal, wie oft da hereingeschaut wird und wie oft sie mitbekommen, dass eine Handtasche vorgezeigt werden soll.

     

    Rassismus, Sexismus, allerorten.

  • F
    friedbert

    Während der 70er und 80er starben mindestens 3000 Menschen jährlich

     

    durch Mord. Heutzutage werden weniger als 500 Menschen jährlich ermordet.

     

    Dem gegenüber steht der vom Autor genannte Fall von Trayvon Martin.

     

    Bernd Pickert meint, dass 2500 Menschen, die nun nicht mehr jährlich ermordet werden, die "Ungleichbehandlung nicht mehr aufwiegen" würden.

     

    Ob Auflagendruck oder nicht, zu glauben der Fall eines Toten in

     

    zehn-fünfzehn Jahren, der nicht zweifelsfrei als rassistisch belegt wurde, wiegt 2500 Menschenleben gleich welcher Rassen auf, ist ein gewaltiger Irrtum. Gerade hier wäre der umgekehrte Rassismusvorwurf

     

    berechtigt.

     

    Grob gesagt: 25000 erhaltende Menschenleben in zehn Jahren wiegen sehr wohl ein Menschenleben auf!

     

    Wäre dies tatsächlich der einzigste Fall für die gesamte USA, erübrigte

     

    sich die ganze Diskussion.

     

    Dieser Mann(Trayvon Martin) wurde in Sanford Florida ermordet!

     

    Damit hat die New Yorker Polizei erst einmal nichts zu tun.

     

    Man kann doch nicht eine Polizei eines vollkommen anderen

     

    Bundesstaates für mutmaßliche Verbrechen eines Einzeltäters

     

    eines anderen Bundesstaates verantwortlich machen.

     

    Das hätte mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun!

     

    Brauchen die Inhaftierten sinnvolle Tagesbeschäftigungen?Ja.

     

    Sollte die Gangsterkultur geächtet werden? Ja.

     

    Sollten die Menschen ein Modell vernünftigen Lebens gezeigt bekommen?

     

    Ja. Sollten Drogensüchtige im Knast ihre Entziehungskur durchmachen

     

    und durchhalten müssen, bevor sie eine neue Chance bekommen? Ja!

     

    Sollte eine Mißhandlungs-und Gangkultur in den Knästen unterbunden werden? Ja, die Leute sollten wenigstens ein Jahr clean sein. Der eingeschlagene Weg ist aber richtig. Es muss nur aufgepasst werden, dass wegen der Statistik NICHT oberflächlicher

     

    recherchiert würde.

    • @friedbert:

      NEIN das kann man eben nicht, man kann niemals 1 Menschenleben gegen das von 2500 theoretischen aus ihrendeiner Statistik aufwiegen. Wo ist den da die Kenngröße? 1.000.000 Menschen? Außerdem ging es in dem "Kommentar" um Rassismus und Generalverdacht, der kostet Trayvon Martin sein leben und Minderheiten ihre Rechte. Punkt.

    • U
      unbenannt
      @friedbert:

      zu dem letzten Absatz, die Entziehung im Knast zu machen. So schreibt nur jemand, der nicht so wirklich informiert ist, was es bedeutet im Knast den kalten Entzug zu machen. Die randalieren natürlich weil sie irre Schmerzen haben und dann werden sie vom Personal verdroschen und kommen in den Bunker.

       

       

       

      Was die Gangs betrifft, sollten abgeschafft werden besonders in Amerika. Doch auf der anderen Seite braucht man im Knast Leute die einen beschützen, das ist wichtig man glaubt nicht was im Knast so alles läuft.

       

       

       

      Wenn die Menschen wüßten, was sie im Knast erwartet egal wo, würden sie nichts mehr anstellen