„Affirmative action“ in den USA: Gericht gegen Minderheitenförderung
Die Bevorzugung von Minderheiten in den USA ist ein Streitthema. Nun entschied das Oberste Gericht in einem Fall gegen die sogenannte „affirmative action“.
WASHINGTON dpa | Das Oberste US-Gericht hat Unterstützern der Förderung von Minderheiten an Universitäten eine Niederlage beschert. Der Supreme Court in Washington ließ am Dienstag ein Gesetz im Bundesstaat Michigan bestehen, das die Bevorzugung von Afro-Amerikanern, Latinos, Frauen und anderen benachteiligten Gruppen bei Bewerbungen an öffentlichen Hochschulen verbietet. 2006 waren dort per Volksentscheid die als „affirmative action“ bekannten Fördermaßnahme verboten worden.
Sechs Richter stimmten dem Urteil zu, zwei waren dagegen. Damit dürften nach Expertenansicht ähnliche Gesetze in sieben anderen Staaten wie Texas, Florida und Kalifornien ebenfalls juristisch unangetastet bleiben. Möglicherweise werden an weiteren Orten entsprechende Verordnungen erlassen.
Bürgerrechtsorganisationen zeigten sich empört. Die Entscheidung sei „ein Rückschritt im Streben nach mehr Diversität in Michigan“. Seit dort 2006 die „affirmative action“ – im Deutschen auch als positive Diskriminierung bezeichnet – verboten wurde, sei der Anteil von Minderheiten unter den Studenten drastisch gesunken, meinen die Kritiker.
Andere loben hingegen das Gesetz, weil dadurch alle Bewerber gleich behandelt werden müssten, während die Bevorzugung bestimmter Gruppen diskriminierend sei.
Das Oberste Gericht betonte in seinem Urteil jedoch, nicht über die „affirmative action“ selbst befunden zu haben, sondern darüber, ob Bürger sie per Volksentscheid begrenzen können. Das sei von der Verfassung nicht verboten. Der Fall drehe sich nicht darum, wie der Streit über das Thema gelöst werden solle, erläuterte Richter Anthony Kennedy in seiner Urteilsbegründung. „Es geht darum, wer sie lösen darf.“ Die Verfassung und die bisherige Rechtsprechung erlaube nicht, solche Entscheidungen des Volkes aufzuheben.
Es war nicht das erste Mal, dass sich der Supreme Court mit dem umstrittenen Thema beschäftigte. So wandte es sich 1978 in einem bahnbrechenden Urteil zwar gegen Quotenregelungen, räumte aber den Universitäten das Recht ein, die Ethnien bei Zulassungen mit ins Kalkül zu ziehen. Auch in späteren Urteilen bestätigte das neunköpfige Richtergremien diese Linie, wenn auch zunehmend differenzierter.
Leser*innenkommentare
Velofisch
Der Titel ist falsch: Wie der Artikel selbst schreibt, hat das Gericht nicht über die "Förderung von Minderheiten" geurteilt, sondern darüber, dass das Volk entscheiden darf, dass keine Diskriminierung - auch keine "positive" - stattfinden darf.
Das Gericht hat eben nicht entschieden, ob eine Gleichstellung über positive Diskriminierung oder eine strikte Gleichberechtigung dem Gleichheitsgebot der Verfassung mehr genügen - sondern darüber, dass diese Entscheidung im Ermessen der Legislative des jeweiligen Bundesstaates liegt.
D.J.
Gast
Ohne dass ich mir bisher bereits eine endgültige Meinung zur Affirmative Action gebildet habe (in jedem Fall muss Sinn und Unsinn regelmäßig überprüft werden) - es sei daran erinnert, dass derzeit keineswegs in erster Linie der "White Anglosaxon Man" hiervon negativ betroffen ist, sondern v.a. Menschen asiatischer Herkunft.
Stanko
...wer sich hierzulande schon mal als nichtbehinderter mann ohne migrationshintergrund im öffentlichen dienst beworben hat, kann ein lied von "positiver diskriminierung" singen...