Kommentar US-Sanktionen gegen Iran: Europäische Maulhelden
Die neuen US-Strafmaßnahmen gegen Teheran sind inkraft. Die EU tut nichts – die Angst vor dem Zorn der Amerikaner ist zu groß.
D er Atomdeal mit dem Iran gilt den Europäern als Schmuckstück europäischer Verhandlungskunst. Sie wollten alles tun, um dieses Abkommen zu retten, als US-Präsident Donald Trump ihn vor einem halben Jahr einseitig aufkündigte. Nun sind die US-Sanktionen gegen Teheran in Kraft getreten. Doch trotz monatelanger Vorbereitungszeit haben die Europäer nichts entgegenzusetzen.
Die geplante Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle – SPV), die den Handel mit Iran am US-Finanzsystem vorbei organisieren sollte, ist nicht einsatzbereit. Der Grund sagt eigentlich alles: Es findet sich kein EU-Land, das der SPV als Hauptsitz dienen will. Die Angst, den Zorn der Amerikaner auf sich zu ziehen, ist größer als der Wille, das Atomabkommen zu retten. Während Trump handelt, stehen die Europäer als Maulhelden da.
Der mangelnde Mut kann ziemlich ungemütliche Folgen haben. Nicht nur wird Washington die Europäer außenpolitisch noch weniger ernst nehmen als bisher schon – auch jenseits des Konflikts um den Atomdeal. Auch die iranische Regierung wird nicht mehr glauben, dass Europa den US-Sanktionen noch etwas entgegensetzen kann.
In Teheran wird man nun sehr kühl kalkulieren, ob es sich lohnt, das Abkommen aufrecht zu erhalten. Die EU hat zwar verboten, dass europäische Unternehmen die US-Sanktionen befolgen. Doch die meisten werden kein Risiko eingehen und ihr US-Geschäft nicht aufs Spiel setzen.
Im schlimmsten Fall könnte ein gescheitertes Nuklearabkommen dazu führen, dass der Iran auch den Atomwaffensperrvertrag aufkündigt. Denn den Moderaten in Teheran gehen die Argumente aus, während die Hardliner schon immer gesagt haben, dass die Kompromisse beim Nuklearprogramm ein Fehler waren.
Das Atomabkommen hat die iranischen Ambitionen bisher eindämmen können. Scheitert es, könnte der Streit schnell eskalieren. Das, was derzeit aus Washington und Teheran zu hören ist, erinnert an zwei Züge, die ungebremst aufeinanderzurasen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins