Kommentar US-Präsenz in Afghanistan: Karsais Spiel mit US-Soldaten
Eine Volksabstimmung soll die Stationierung von US-Soldaten in Afghanistan sichern. Ob Präsident Karsai diese gewinnt, ist unsicher.
E igentlich sind beide beteiligte Regierungen interessiert, das US-afghanische Sicherheitsabkommen unter Dach und Fach zu bekommen und damit eine Stationierung von US-Truppen in Afghanistan auch nach 2014 zu gewährleisten.
Washington macht wegen Nutzungsrechten an Basen seit Monaten extremen Druck auf Kabul. Dabei geht es nicht nur um Afghanistan. Die US-Regierung und ihre jüngst zu unerwünschter Popularität gelangten Geheimdienste wollen auch einen Nahblick auf die nuklear gerüstete Nachbarschaft behalten. Natürlich wünscht die US-Regierung auch keine erneute Machtübernahme der Taliban.
Karsai weiß, dass die Stabilität der Regierung in Kabul davon abhängt, ob Washington seine Finanzlöcher stopft, vor allem was Armee und Polizei angeht, und ob die USA im Ernstfall noch einmal militärisch zu ihren Gunsten eingreift. Wenn er die Truppen herauswerfen lässt, dürfte der US-Kongress diese Schecks kaum unterschreiben. Trotzdem ist es nicht sicher, ob die heute in Kabul beginnende Volksversammlung (Loja Dschirga) das Abkommen durchwinkt.
In dem noch laufenden Poker um Immunitätsrechte der US-Soldaten und afghanische Souveränität könnten die Emotionen die Oberhand gewinnen.
Die sprechen nach jahrelanger Berg-und-Tal-Bahn-Fahrt in den Beziehungen auch zwischen Obama und Karsai und wiederholter Übergriffe amerikanischer Soldaten gegen afghanische Zivilisten eher gegen die USA.
Karzai, dessen Amtszeit im April zu Ende geht, möchte nicht mit einem Einknicken vor der Supermacht in die Geschichtsbücher eingehen. Aber er kann es sich auch kaum leisten, das Sicherheitsabkommen mit den USA voll gegen die Wand fahren zu lassen.
Zwar hat Karsai sich alle Mühe gegeben, den Ausgang der Dschirga nicht dem Zufall zu überlassen. Die Delegierten wurden handverlesen, gebrieft und sicher auch instruiert. Was aber, wenn selbst er nicht weiß, was er will: Schutz oder Souveränität? Vielleicht endet die Dschirga ohne endgültige Entscheidung, und Karsai überlässt alles seinem Nachfolger. Es werden spannende Tage in Kabul.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“