Kommentar UN-Klimabericht: Ja, Panik ist gut für's Klima
Dem Weltklimarat Alarmismus vorzuwerfen ist so dumm wie durchsichtig: Der derzeitige Bericht versteckt die Dramatik des Klimawandels.
G roß war die Aufregung, als letzte Woche der britische Ökonom Richard Tol seine Mitarbeit am zweiten Teil des UN-Klimaberichts kündigte. Tol wehrte sich dagegen, dass seine These aus dem Text gekippt wurde: Die Folgen des Klimawandels seien beherrschbar, wenn man sich nur rechtzeitig und clever darauf einstellt.
Diese Meinung hätte dem Bericht durchaus nicht geschadet. Aber was folgte, war der übliche und wie üblich falsche Vorwurf an den Klimarat: Alarmismus.
Das ist so dumm wie durchsichtig. Denn wenn man den jetzt veröffentlichten Bericht des IPCC liest, wird die Dramatik des Klimawandels durch die Wissenschaftssprache und nach dem Waschgang der Regierungsvertreter sehr gut versteckt. Wer nicht als Experte zwischen den Zeilen lesen kann, könnte sich vorschnell beruhigt zurücklehnen: Alles nicht so schlimm. Oder zumindest schwer zu verstehen.
Tatsächlich haben die IPCC-Berichte viel von ihrem schrillen Alarmton verloren. Denn die Forscher wissen jetzt mehr, und das Thema wird immer komplexer. Viele sind aber auch für ihre Warnungen von der Lobby der Klimaskeptiker so gegrillt worden, dass sie sich lieber hinter unangreifbaren Daten verschanzen.
Die Kritik am IPCC ist also berechtigt: Seine Berichte könnten exakter sein. Aber die Sirenen sollten nicht leiser, sondern lauter klingen. In der Vergangenheit hat das Expertengremium die Lage immer wieder falsch eingeschätzt – und zwar zu rosig: Der weltweite Anstieg des Meeresspiegels und das Schmelzen der Eismassen an den Polen wurde unterschätzt, und die Modelle rechneten permanent mit weniger Emissionen, als es sie wirklich gibt.
Der Klimawandel geht nicht weg, wenn man die Augen zumacht. Im Gegenteil: Er kommt schneller, härter und lauter, als alle dachten. Die Feuerwehr zu rufen, wenn es brennt, ist kein Alarmismus, sondern gesunder Menschenverstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers