piwik no script img

Kommentar TunesienHoffnung für arabische Demokraten

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Noch ist offen, was in Tunesien auf Ben Ali folgt. Europa sollte alles dafür tun, dass sich die Dinge in Tunesien zum Besseren wenden. Das Land könnte damit zum Modell werden.

S teht der arabischen Welt 2011 ein Jahr des Wandels bevor - vergleichbar mit dem Wendejahr 1989, das die verknöcherten Regime des Ostblocks hinwegfegte? Es darf gehofft werden. Denn der Sturz des tunesischen Diktators Ben Ali ist ein epochales Ereignis: Nach Jahrzehnten der Agonie ist es den Bürgern eines arabischen Landes erstmals gelungen, aus eigener Kraft einen verhassten Despoten aus dem Amt zu jagen. Ein Regimewechsel von unten: das hat Signalwirkung, weit über den Maghreb hinaus.

Gebannt und euphorisch haben Millionen Menschen zwischen Damaskus und Casablanca auf al-Dschasira und im Internet die Ereignisse in Tunesien verfolgt und ihnen einen poetischen Namen verliehen: Jasminrevolution. Schmallippig fielen hingegen die Kommentare arabischer Herrscher und Potentaten aus. Und Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi entblödete sich nicht einmal, den unrühmlichen Abgang seines Diktatorkollegen offen zu bedauern.

Arabiens Autokraten und Monarchen haben guten Grund zu der Sorge, dass der Umsturz in Tunis zur Nachahmung inspiriert. Denn ihre Untertanen plagen ähnliche Probleme wie die Tunesier: Arbeitslosigkeit, Preissteigerungen, Korruption, Polizeiwillkür, das Fehlen von Meinungsfreiheit. In Ländern wie Algerien, Jordanien, Ägypten und Jemen führte dies schon in den letzten Wochen immer wieder zu Protesten auf der Straße. Jetzt wird Tunesien dort als Vorbild gerühmt.

Bild: taz

Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.

Die meisten Politiker des Westens hat der Umsturz in Tunesien auf dem falschen Fuß erwischt. Spät erst rafften sie sich dazu auf, die Protestierenden zu ermutigen. Viel zu lange erschienen Europa und den USA säkulare arabische Diktatoren wie Ägyptens Mubarak, Tunesiens Ben Ali oder Algeriens Bouteflika im Westen als das kleinere Übel: Solange sie nur versprachen, die Islamisten in ihren Ländern in Schach zu halten oder afrikanische Flüchtlinge von Europa fernzuhalten, konnten sie mit Unterstützung rechnen. Welcher Methoden sie sich bedienten, das wollte man dabei lieber nicht so genau wissen. Mit dieser Haltung muss nun endlich Schluss sein.

Noch ist offen, was in Tunesien auf Ben Ali folgt. Ein Militärputsch ist genauso gut möglich wie baldige Neuwahlen, die zu einer allmählichen Demokratisierung führen könnten. Europa sollte alles dafür tun, dass sich die Dinge in Tunesien zum Besseren wenden. Das Land könnte damit zum Modell werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • DB
    Di Brik

    Tunesien und die Gerechtigkeit.

     

    Außer der Sonne schien endlich mal in Tunesiens Geschichte auch ein kleines Licht für die Gerechtigkeit.RCD-Partei mit ganzem Führern,Gewerkschaft,Minister,Gouverneure und Mitglieder haben heute wirklich die Hose gestrichen voll.Alle Herren und wenig Damen zittern Tag und Nacht,jeder versucht sein gigantisches Ei zu verbergen,zu verstecken oder zu verschieben.Wohin mit

    dem Ei?!!!!!!!!!!!!

    Nun sind fast alle Tore dicht.Eine riese Freude für das arme Volk.Überall das Thema Ei,mein Geld,meine Freiheit,Politik und Demokratie im Gespräch.Alles war

    Tabu genau so über Religion.Das Volk braucht Arbeit,

    Motivation,Selbstvertrauen,leben und eine Zukunft niemals Ministerium für Religion und tausende Moscheen.Schade um das Geld und die verlorene Zeit.

  • P
    PSU

    @arabella: vielleicht erwartet er, dass wir unserer köpfe mal einschalten und unsere eigene meinung bilden? nicht wie bei den 4weissen buchstaben auf rotem grund, wo dem leser das denken abgenommen wird?!?

  • A
    arabella

    Wenn der Herr Daniel Bax in seinen Kommentaren mal klar sagen würde, was er denn nun sagen möchte, wäre es ja vielleicht hilfreich. Wie immer: Geschwurbel. Soll man zwischen den Zeilen lesen? Oder was erwartet der Autor vom Leser.

  • GW
    Go West

    Der Westen sollte sich endlich einmischen, zugleich nicht einmischen, ferner raushalten, aber endlich mal intervenieren. Er sollte endlich den Diktatoren seine Meinung sagen, am besten indem er bei sich selbst anfaengt. Statt mit Waffen sollte der Westen mit Worten, Wirtschaft und Kultur kooperieren, Verstaendnis schaffen, gleichzeitig aber nicht, da er damit ja sonst westliche Schergen installiert. Die persoenlichen Beziehungen zwischen den Akteuren sollte feindlich gesinnt sein, man sieht ja bei Bush wohin freundliche Beziehungen zu zwielichtigen Gestalten fuehren. Wichtig ist allerdings noch, dass der Westen einen freundlichen Umgang hat, man sieht ja wie vergiftet das Klima zwischen Bush und Ahmadinedshad war und dann wundert man sich, wenn der Iran stoerrisch ist? Kritik ist ohnehin nicht angebracht, schliesslich zeugt die lediglich von kolonialistischer Arroganz.

     

    Der Westen sollte am besten ohnehin den Handel mit der ganzen Welt einstellen. Es geht ja eh nur ums Oel oder Wasser, um Waffen oder Blutdiamanten, insgesamt um Ausbeutung und Unterdrueckung! Nur alle anderen Laender der Erde sollen handeln duerfen, dann entstehen automatisch Menschenrechte, Ethik, Kinderarbeit wird verpoent, Tierschutz haelt Einzug, soziale Gerechtigkeit entsteht.

     

    Am Besten der Westen agiert - antiwestlich, also islamistisch oder sozialistisch!

     

    Dann wird alles gut, erkennt man ja schon an allen nicht-westlichen Laendern auf dem Planeten.

  • D
    Deutsche

    Was die USA und Europa machen, immer ist es falsch. Wenn man den Tunesiern nicht die Demokratie aufzwingt passt es nicht, und wenn man die Demokratie in den Irak bringen passt es auch nicht...

     

    Ich hoffe jetzt auf jeden Fall das sich Deutschland dort nicht einmischt, am Ende müssen das dann eh wieder die Steuerzahler zahlen. Und der deutsche Michel geht dagegen leider auch nicht auf die Straße. Weiter Gründe hätten wir ja auch, imme rmehr Geld für Hartzis, Gängelung der Autofahrer, Ökofaschismus...