Kommentar Tumult in Altona: Ein explosives Gemisch
Die Auseinandersetzungen in Altona sollten als Warnsignal ernst genommen werden.
H amburgs Polizei hat einen neuen Gefahrenherd ausgemacht: Den kleinen türkischen Imbiss „Azra“ in der Holstenstraße. Hier treffen sich seit dem Beginn der Sommerferien vermehrt Jugendliche mit Migrationshintergrund in größerer Zahl. Da sie sonst keinen Treffpunkt haben, um sich auszutoben, haben sie ihre lautstarken Kickbox-Kämpfe auch in den gegenüberliegenden Park verlegt.
Die Polizei gibt an, dass seitdem die Anzeigen wegen Raubes, Körperverletzung und Drogendelikten zugenommen hätten. In der Tat fühlen sich Anwohner – so ist zu hören – abends oftmals durch den Lärm der Jugendlichen belästigt. Das rechtfertigt jedoch nicht die permanente Stigmatisierung der Jugendlichen durch die Polizei. Ihre Familien leben teilweise seit Jahrzehnten in der Umgebung der Holstenstraße und sie fühlen sich durch das Vorgehen der Polizei staatlichem Rassismus ausgesetzt.
Ihr Eindruck ist, dass sie nach der Ansiedlung von Ikea aus der Region an den Stadtrand verdrängt werden sollen, damit ihre Wohnungen an ein gehobeneres Klientel vermietet werden können. Da hilft es natürlich, wenn die Jugendlichen als Störfaktoren stigmatisiert werden.
Sollte sich dieser Eindruck verfestigen, dann ist das kein „exzessiver Ausbruch frustrierter gelangweilter und aggressionsgeladener Jugendlicher“ gewesen, wie es die Polizeigewerkschaft nennt, sondern dann braut sich ein Gemisch zusammen, das irgendwann explodieren kann – wie 2010 in Neuwiedenthal, als mehrere Polizisten bei einer Massenschlägerei zum Teil schwer verletzt wurden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?