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Kommentar Thüringer SPDDer fremde Planet

Kommentar von Georg Löwisch

Die Thüringer sind nicht mit einer Partei verheiratet, sondern entscheiden sich stets neu.

Die SPD in Thüringen ist ein anderer Planet - zumindest vom Willy-Brandt-Haus in Berlin aus betrachtet. Während dort darum gekrampft wird, ob Regierungsduldungen durch die Linke vielleicht ein bisschen zulässig sind, finden thüringische Sozialdemokraten rot-rote Koalitionen normal. Sie streiten nur um die Frage, ob sie in eine rot-rote Koalition eintreten würden, die ein Ministerpräsident der Lafontaine-Partei führt. Exinnenminister Richard Dewes hat dies bejaht, der Landesvorsitzende Christoph Matschie hat Nein gesagt. Mit dieser Haltung hat er eine Urabstimmung der SPD-Mitglieder über die Spitzenkandidatur gewonnen.

Dass sich in Thüringen die Frage in aller Schärfe stellt, ergibt sich aus der dortigen Konstellation: Das Land hat, auch darin ist es ein anderer Planet, kein Vier- oder Fünf-, sondern ein Dreiparteiensystem. Im Landtag dominiert die CDU. Es folgt die Linke, während die SPD mit kümmerlichen 14,5 Prozent schwächste Kraft ist. Ein kategorisches Nein zu einem dunkelroten Regierungschef, so argumentierten viele, würde die SPD von vornherein auf die Rolle des Juniorpartners der CDU festlegen, falls die 2009 ihre absolute Mehrheit verliert.

Matschie hat dies verneint. Fast drei Viertel der Parteimitglieder sind ihm aus gutem Grund gefolgt, denn die SPD hat in Thüringen ein hohes Potenzial. Bei der Bundestagswahl ließ sie die CDU weit hinter sich und gewann doppelt so viele Direktmandate. Die Wähler dieses Landes sind, mäkelig ausgedrückt, leicht von Stimmungen und Fernsehpolitik zu beeindrucken. Man kann es auch positiv sehen: Die Thüringer sind nicht mit einer Partei verheiratet, sondern entscheiden sich stets neu. Gerade deshalb ist der Anspruch wichtig, den Regierungschef stellen zu wollen. Wäre die SPD davon abgerückt, könnte sie ihren Kandidaten nie wirksam gegen die CDU in Stellung bringen.

Thüringens SPD hat intrigiert und gerauft, wie es die Kollegen auf Bundesebene nicht besser können. Schließlich hat sie jedoch eine Entscheidung herbeigeführt. Das können Parteifreunde woanders von diesem Planeten lernen: Diskussion, Urabstimmung, Ergebnis.

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