Kommentar Textilbranche: Karatschi liegt bei Dortmund
Ein deutsches Landgericht weist eine Klage zu einem Fabrikbrand in Pakistan ab – wegen Verjährung. Das Verfahren macht dennoch Hoffnung.
S ie trennen Welten. Doch nun fordert der Manager dasselbe wie seine Kritiker*innen. Patrick Zahn, Geschäftsführer des Textil-Discounters KiK, plädiert für ein Gesetz, das die Verantwortung von Firmen wie seiner eigenen besser regelt. Genau das zu tun, ruft die „Kampagne für Saubere Kleidung“ seit Jahren die Regierungskoalition aus Union und SPD auf – bislang ohne Erfolg.
Gleiche Interessen beider Gegner sind ein gutes Ergebnis des Prozesses um den verheerenden Brand in der KiK-Zulieferfabrik im pakistanischen Karatschi vor über sechs Jahren – auch wenn das Verfahren nach dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom Donnerstag ohne Entscheidung in der Sache zu Ende geht.
Der Anspruch der Opfer auf Schmerzensgeld ist verjährt, erklärte das Gericht und wies mit dieser Begründung die Klage ab. Das kann man für unbefriedigend halten. Dennoch hat der Prozess erhebliche Wirkung erzielt.
Den Kläger*innen, vor allem dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin, ist es gelungen, Recht fortzuentwickeln. Sie haben einen Fall konstruiert, der Druck auf die gesamte Textilbranche ausübt. Die Botschaft lautet: Karatschi liegt bei Dortmund. Fehlende Feuerlöscher in 6.000 Kilometer entfernten Zulieferfabriken sind Thema vor deutschen Gerichten. Es wird wohl nicht das letzte Verfahren dieser Art bleiben. Kommt es doch mal zu einem Urteil, könnte es für die hiesigen Konzerne teuer werden.
Deshalb verlangt KiK-Chef Zahn Klarheit. Ein Gesetz, das die Sorgfaltspflichten von Unternehmen regelt, ist aber auch politisch richtig. Es könnte dazu beitragen, die systematische Ignoranz einheimischer Unternehmen gegenüber den Zuständen in ihren Produktionsketten aufzubrechen.
Bisher betreiben sie oft doppelte Standards. Hiesige Werksgelände ähneln Parks, Gewerkschafter sind Co-Manager. In armen Länder wird produziert wie im 19. Jahrhundert, Gewerkschafter werden behindert oder verfolgt. Politische und soziale Rechte aber müssen für alle Menschen gelten. Diese Forderung ist nun deutlicher zu hören als vorher. Hallo, Bundesregierung!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit