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Kommentar Terror der Al-ShabaabEuropas Ratschläge

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Was muss getan werden, damit der Terror in Somalia, Mali oder Nigeria aufhört? An militärischen Mitteln mangelt es weniger als an politischen Konzepten.

Al-Shabaab-Neuzugänge: Wieso ist es für Jugendliche reizvoll, sich einer brutalen Miliz anzuschließen? Bild: ap

E s mag Zufall sein, dass sowohl in Kenia als auch in Nigeria und in Mali radikale bewaffnete Islamisten derzeit ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung intensivieren. Die Situation der Shabaab in Somalia, der Boko Haram in Nigeria und der al-Qaida-Ableger in Mali ist jeweils sehr unterschiedlich, der lokale Kontext ebenso.

Aber das Ergebnis ist jedes Mal Angst und Schrecken, eine hilflose Staatsmacht und eine verunsicherte und zunehmend wütende Bevölkerung – wie auch in anderen Situationen eskalierender Gewalt auf dem Kontinent, zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo und in der Zentralafrikanischen Republik.

Man kann daraus auf eine generelle Schwäche afrikanischer Armeen gegenüber gut organisierten und ideologisch hoch motivierten Feinden schließen, die tiefere Wurzeln hat als nur die als unzulänglich beklagte Ausrüstung und Ausbildung von Regierungsstreitkräften.

Es zeigt sich aber auch, dass es zu kurz greift, in Reaktion darauf einfach die Defizite in Ausrüstung und Ausbildung beheben zu wollen. EU-Missionen in Somalia und Mali sind damit schon lange beschäftigt, Kongos Armee ist seit zehn Jahren Objekt intensiver internationaler Fürsorge, und Nigerias Streitkräfte können auf die Aufklärungsarbeit der versammelten britischen, französischen und US-Geheimdienste zählen.

An militärischen Mitteln mangelt es weniger als an politischen Konzepten. Wieso ist es für so viele Jugendliche in afrikanischen Ländern reizvoll, sich brutalen Milizen anzuschließen? Was muss getan werden, damit dies aufhört? Die Fragen liegen auf der Hand. Die Antworten allerdings weniger. Solange Europa gegenüber dem Zustrom seiner frustrierten muslimischen Jugendliche zum „Islamischen Staat“ genauso hilflos steht, sollte es sich mit guten Ratschlägen auf anderen Kontinenten zurückhalten.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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10 Kommentare

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  • Das Hauptproblem ist Korruption und Buergerkriege. Kolonialismus ist lange vorbei. Ein Teil der Somalier lebt in Aethiopien (Ogaden), wurden also von den Aethiopiern kolonisiert. Uebrigens in Somaliland funktioniert der Staat. Ich koennte auch sagen wieso, aber die Antwort muessten Sie geben, Herr Johnson.

    • @Gabriel Renoir:

      "in Somaliland funktioniert der Staat. " - Vermutlich wurden dort bisher noch keine größeren Erdölvorkommen oder sonstigen Bodenschätze entdeckt.

      • @Ute Krakowski:

        Japan hatte auch kein Bodenschaetze und sollte kolonisiert werden. Dann kam die Meji-Reform. Ok, ich will das Geheimnis lueften, obwohl es Hernn Johnsons Job waere: Da wo ein Volk zusammensteht, funktioniert Kolonialismus nicht. In Japan war es der schon gut organisierte Staat. In Somaliland ist es der dominierende Isaaq-Klan, der Terrorismus nicht zulaesst.

  • Und dieser Verteilungskampf wird schon seit ewigen Zeiten durch die Unterstützung post-kolonialer Despoten-Regime durch die westlichen Industrienationen in Form von Militärhilfe, Waffenlieferungen und natürlich nicht zu Letzt durch Geheimdienstätigkeiten gegen die ausgebeuteten Völker geführt - diese werden natürlich irgendwann äußerst empfänglich für diese Radikalisierung und stehen jetzt auf ...

    • D
      D.J.
      @Arthur Dent:

      O.K., Kommentar scheint so nicht durchzukommen. Dann möchte ich es mal etwas sanfter formulieren: Was genau hat das Abschlachten von Bus Fahrenden mit einem Aufstand gegen eine vermeintliche Ausbeutung Somalias zu tun?

      Lesen Sie Marx. Für Leute, die das Heil gegen den Kapitalismus in Allerfinsterster Reaktion sahen, hatte er nur tiefe Verachtung übrig.

    • D
      D.J.
      @Arthur Dent:

      Jepp, Al-Shabaab steht gegen Bus Fahrende auf, weil sie etwas gegen Despoten haben. Manchmal fragt am sich, was so in einigen Leuten vorgeht...

  • D
    D.J.

    "Solange Europa gegenüber dem Zustrom seiner frustrierten muslimischen Jugendliche zum „Islamischen Staat“ genauso hilflos steht, sollte es sich mit guten Ratschlägen auf anderen Kontinenten zurückhalten."

     

    Zumal es genügend Dummköpfe hier gibt, die einfach mal gegen alle Empirik behaupten, der Terror sei ein Krieg der Armen gegen die Reichen.

    • @D.J.:

      Lieber Die Dschee, - unabhängig davon, dass es schon einen Unterschied gibt zwischen all diesen Rebellen- und Terrorgruppen und den Gründen für ihr Entstehen, behauptet eigentlich hier keiner, dass es sich dabei um einen Krieg "der Armen gegen die Reichen" handelt.

       

      Vielmehr liegen die Gründe für ihr Entstehen und ihre erfolgreiche Verbreitung in der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich (sowohl in den Industriestaaten wie auch und noch viel mehr in Entwicklungs-und Schwellenländern). Dazu kommt natürlich die Verfügbarkeit von Waffen und die Tatsache, dass immer mehr auch traditionell gar nicht so benachteiligte Bevölkerungsschichten von Wohlstand und Entwicklungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden, sowie natürlich der allgemeine Verteilungskampf um Ressourcen. Die wachsende Verfügbarkeit von Waffen verdanken wir wohl zu einem großen Teil dem Anti-Terrorkampf der letzten Jahre.

       

      Und wer hier "Dummkopf" ist bleibt mal dahin gestellt...

      • D
        D.J.
        @Ute Krakowski:

        Es handelt sich um ein Ustinov-Zitat. Selbst eigentlich absolut kein Dummkopf, hat er aber nach dem 11. September mal etwas Dummes gesagt - angesichts des Reichtums der Terrorunterstützer und der sozialen Lage der meisten Opfer (11. September war da eher die Ausnahme). Letztens gerade wiederholt hier im Kommentarbereich, darum meine Aufregung.

        Der Mittelstand wächst übrigens auch in den meisten Ländern Afrikas, jedenfalls dort, wo keine Bürgerkriege toben (Ursache und Folge beachten!). Verteilungskampf - O.K., da haben Sie Recht (siehe z.B. auch Südsudan).

        Waffen: Die sind und waren ohnehin in vielen afr. Ländern sehr leicht verfügbar. Großteils übrigens russische Produktion.

        Im armen Äthiopien sieht man ständig Zivilisten mit MP. Nie erlebt, dass sie eingesetzt worden wären. Die Existenz der Waffen allein ist es wahrlich nicht.

        • @D.J.:

          Ja, ja ich weiß, der (angeblich) wachsende Mittelstand in den afrikanischen Ländern und das wachsende Bruttosozialprodukt in den Schwellenländern, ihr ewiges Mantra. Den Leuten da unten geht es soooo gut und das ist nur das Verdienst der ehemaligen Kolonisatoren, die den Fortschritt zu den Wilden gebracht haben. Grund für all den Terror sind nur die Gier nach Macht und Reichtum und natürlich die böse, böse Religion, der Islam!

           

          Mit dem Verteilungskampf meine ich übrigens nicht unbedingt nur Südsudan. Das gilt auch ganz besonders für Nigeria, wo das Volk vom Ölreichtum nix abbekommen hat, aber viel Lebensqualität verloren und ganz sicher gilt es auch für die DR Congo, wo die Staatsmacht um ihr Eigenverwertungsrecht der Ressourcen kämpft gegen die Interessen der Bevölkerung. (Aber das ist ein weiteres kompliziertes Thema.)

          Und mit der "Verfügbarkeit von Waffen" meine ich auch nicht die paar Kalaschnikoffs, die da in Ostafrika unterwegs sind. Ich meine eher die Waffenarsenale von Ghaddafi, die ja irgendwie verschwunden sind, oder all die Waffen, die ISIS erbeutet hat in Syrien, die ja ursprünglich aus USA stammen, oder die von den Saudis in diese Richtung (IS) geliefert wurden. Und woher haben die Saudis ihre Waffen? (usw...)