piwik no script img

Kommentar TV-Duell zur US-WahlKleinkrieg statt Grundsätze

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die Debatte zwischen Trump und Clinton zeigt, dass es der Politik in den USA an großen Ideen fehlt. Am Ergebnis wird sich nichts ändern.

Trump hat eine Schlammschlacht verloren, doch es fehlt im Wahlkampf an großen Ideen Foto: dpa

D ie US-amerikanischen Kommentator*innen sind vorsichtig geworden. Zwar gibt es niemanden, der die Ansicht vertritt, Donald Trump sei als Sieger aus der ersten Fernsehdebatte mit Hillary Clinton hervorgegangen. Im Gegenteil: Selbst das konservative Lager zeigte sich enttäuscht bis entsetzt über Trumps Auftritt am Montagabend.

Ob das aber irgendjemanden dazu bewegt, für Clinton zu stimmen, der das vorher nicht wollte? Schon während des republikanischen Vorwahlprozesses hatten sich nahezu alle Beobachter*innen bei Trump verrechnet. Und so überwog jetzt die Meinung, die Debatte sei zwar einzigartig in der Geschichte US-amerikanischer Kandidatenduelle gewesen, vermutlich aber kein „Gamechanger“ – kein Ereignis also, dessen Strahlkraft die Dynamik im Wahlkampf grundlegend verändern könnte.

Die Gruppe der unentschlossenen Wähler*innen, derzeit auf rund 20 Prozent taxiert, konnte allerdings einige Neuigkeiten erfahren. Dass Trump bestätigt – und es auch noch schlau findet –, jahrelang keine Steuern bezahlt zu haben, zum Beispiel. Dass er das schamlose Ausnutzen der Immobilienkrise für seine eigene Gewinnmaximierung für gutes Business hält. Dass er es in Ordnung findet, Auftragnehmer um die Bezahlung geleisteter Arbeit zu bringen. Es ist der Treppenwitz schlechthin, dass ausgerechnet dieser Mann es geschafft hat, sich als Vertreter der Abgehängten zu positionieren, der Globalisierungsverlierer.

Außerdem war zu lernen, dass Trump das polizeiliche Prinzip der „Stop and Frisk“-Durchsuchung von Passanten, das jahrelang in New York zu rassistischen Vorfällen geführt hat und inzwischen abgeschafft ist, unbedingt wieder einführen will. Und dass seine Fähigkeit, „präsidentiell“ zu wirken, gerade 25 Minuten anhält. So lange hatte es gedauert, bis er auf Clintons Angriffe einging und sie, zusehends dünnhäutiger, immer wieder unterbrach. Für Afroamerikaner und für Frauen ist Trump – wenn das TV-Duell denn irgendeinen Einfluss hat – noch unwählbarer geworden.

Es ist nicht egal, wer gewinnt

Eine große Debatte über Ideen für die Zukunft der USA aber war das nicht. Das war zwar auch nicht zu erwarten – tragisch ist es trotzdem in einem Land, wo einerseits so viel im Argen liegt, ein solcher Reformstau aufgelaufen ist, dass eigentlich dringend neue Ideen gefragt sind und längst vorhandene auf ihre Umsetzung warten. Und das andererseits weltpolitisch nach wie vor über den Einfluss verfügt, den die USA nun einmal haben. Und da geht es dann vorrangig um die Charakterzüge der Kandidat*innen?

Aber so bedauerlich das aus intellektueller Warte erscheinen mag, so sehr entspricht genau diese Auseinandersetzung doch auch dem Stand des öffentlichen Diskurses.

Es ist nicht egal, wer am 8. November gewinnt. Ein Präsident Trump könnte mehr als nur die USA in die Katastrophe führen. Über den 8. November hinaus aber wird es darauf ankommen, die Art der politischen Auseinandersetzung zu rezivilisieren. Das heißt auch: Wenn das Establishment – und dessen Existenz ist ja keine Trump-Erfindung, die besteht lediglich darin, dass er derjenige sei, der dagegen vorgehen würde – sich weiterhin um immer größere Bevölkerungsgruppen einen feuchten Schmutz schert, wird die Entfremdung weitergehen.

Dann ist in absehbarer Zeit das System der repräsentativen Demokratie, schon jetzt voller Lücken, Fehler und Unzulänglichkeiten, nur mehr dysfunktional. Der Ruf nach starken autoritären Führern, der in allen westlichen Demokratien an Popularität gewinnt, wird immer mehr Trumps nach oben spülen. Und nicht alle werden so ungeschickt sein wie er.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 20 % Nichtwähler?

    Man fragt sich auf welche Inhalte oder welch innovatives Programm die warten!

    Warten die überhaupt auf Inhalte?

     

    Vermutlich nein, daher sind auch die Kandiaten so schwach.

     

    Eine Paralelität zu Wahlen in andern Ländern der westlichen Welt: Die Welt ist ständig komplexer geworden. Die Wähler wollen sich aber nicht mehr in komplexe Themen mit komplexen Problemlösungsansätzen einarbeiten oder auseinandersetzen.

     

    Einfache Thesen sind gefragt, Trump machts vor.. und die europäischen "Popelisten" sind da auf Augenhöhe.

    • @Tom Farmer:

      Die Welt ist nicht "komplexer geworden". Sie fühlt sich bloß so an für Leute, die nicht drüber nachdenken. Das hat mit einer Zunahme der medialen Vermittlung von Wirklichkeit zu tun – und damit, dass die Hierarchien immer steiler werden, weil jeder Zweite mittlerweile glaubt, er müsste dringend auch ein wenig eigne Macht vorweisen.

       

      Über die Medien bekommen Menschen Themen präsentiert, die ihr persönliches Leben so gut wie nicht berühren, zu denen ihre praxisbasierte Kompetenz also gleich Null ist (vergleiche die Top 10 der aktuellen taz). Zu allem Überfluss sind das vor allem Themen, die voller Konflikte bzw. Konfliktpotential stecken. Den "Entscheidungsträgern" dienen die Konflikte als Daseins-Berechtigung. Sie stellen ständig neue Regeln auf, mit denen sie angeblich alles besser machen wollen. Es gibt so viele Regeln mittlerweile, dass nicht mehr festzustellen ist, ob und wenn ja wo ganz genau sie zu einander passen und wo nicht. Was erst auffällt, wenn es konkret wird für den Einzelnen – und dann ist es besonders ärgerlich.

       

      Die "einfachen" Leute können mit den aller meisten Infos, die sie kriegen, nichts anfangen. Für die konkreten Fälle allerdings, in denen sie ganz dringend mal ne Info bräuchten, sind keine vorrätig. Sie können sich also im Grunde nur wie kleine Kinder fühlen, die staunen, was die seltsamen Erwachsenen so treiben. Für eine Demokratie, die mündige WählerInnen bräuchte, ist das verheerend, denke ich.

       

      Die Leute, die man derzeit Populisten nennt, machen sich dieses Defizit zunutze. Sie versprechen, die Informationsflut auf "klare Ansagen" einzudämmen. Das freut die Überforderten. Sie honorieren es – und übersehen in ihrer übergroßen Dankbarkeit, dass sie nicht Mama vor sich haben, sondern den sogenannten Rattenfänger.

       

      Das "Establishment" ärgert sich natürlich über die vermeintliche Undankbarkeit der "kleinen Leute" und lässt sie das auch wissen. Das macht die Sache aber auch nicht besser – so rein gefühlsmäßig.

      • @mowgli:

        Danke dass Sie mir schreiben, dass ich nicht nachdenke.

        Ich bitte dennoch mal darüber nachzudenken ob denn das Leben sagen wir mal Ihrer Großeltern komplexer war als das Ihre oder eher andersrum:

        Stichworte könnten sein:

        Mobilitäte sichern Auto, Bahn, Elektrobike?

        Berufswahl

        Handyvertrag

        Steuererklärung ausfüllen mit Anhängen

        Hausbau und öffentlich rechtliche Vorschriften

        Therapiemöglichkeiten im Krankheitsfall

        PC einrichten, oder hier Kommentare schreiben

        Lebensstandard im Alter sichern

        Hartz 4 beantragen... whatever. Kenne aber natürlich ihr persönliches Umfeld nicht.

  • Ja, Amerika kann einen wirklich leidtun, zwei solche Kandidaten vorgesetzt zu bekommen! Aber was mich in der Berichterstattung der letzten Wochen am meisten wundert, ist die Tatsache, dass einer Clinton mehr zugetraut wird als Trump? Denn Trump hat Recht, wenn er darauf anspielt, das Clinton bereits die Möglichkeit hatte, Amerika zu „retten“. Sicher aber nicht mit Bomben in Libyen oder Syrien, sicher nicht mit Korruption (siehe ihre Stiftung) und auch nicht mit unlauteren Mitteln gegen politischen Gegnern (Wahlkampf gegen Sanders). Amerika braucht einen Bruch, mit einer sozialeren Politik für alle Menschen in diesem Land und mit einer Besinnung auf seine Geschichte und Werte! Und dies geht auf keinen Fall mit Clinton und zu 99% auch nicht mit Trump, aber genau wegen der 1%igen Hoffnung wird Trump gewählt werden!

    Und bevor dieselben Fehler auch bei uns im nächsten Jahr gemacht werden, sollte unsere Gesellschaft einen wirklichen Gegenkandidaten zu Merkel hervorbringen! Denn ich habe keinen Bock darauf mich zwischen Merkel oder Petry entscheiden zu müssen!

     

    Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit: das ist der Grund,

    warum sich die meisten Menschen vor ihr fürchten.

    (George Bernard Shaw, ir. Dramatiker, 1856 - 1950)

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Der Wahlkampf hat aber auch gezeigt, dass man die Hoffnung auf große Politiker, wie Bernie Sanders, nicht aufgeben muss. Wenn sie nicht gerade aussterben sollten. Wenn Sanders die USA auch noch bis zu den Kammerwahlen im Kongress hätte begeistern können, wäre die historische Chance auf einen Wandel (ohne vorherige Katastrophe) vorhanden gewesen. Aber auch so ist Sanders präsent und treibt Hillary nach links. Wie z.B. bei den Plänen zur Besteuerung der Vermögenden. Da könnte die taz übrigens gerne mehr drüber berichten.