Kommentar TV-Duell zur US-Wahl: Kleinkrieg statt Grundsätze
Die Debatte zwischen Trump und Clinton zeigt, dass es der Politik in den USA an großen Ideen fehlt. Am Ergebnis wird sich nichts ändern.
D ie US-amerikanischen Kommentator*innen sind vorsichtig geworden. Zwar gibt es niemanden, der die Ansicht vertritt, Donald Trump sei als Sieger aus der ersten Fernsehdebatte mit Hillary Clinton hervorgegangen. Im Gegenteil: Selbst das konservative Lager zeigte sich enttäuscht bis entsetzt über Trumps Auftritt am Montagabend.
Ob das aber irgendjemanden dazu bewegt, für Clinton zu stimmen, der das vorher nicht wollte? Schon während des republikanischen Vorwahlprozesses hatten sich nahezu alle Beobachter*innen bei Trump verrechnet. Und so überwog jetzt die Meinung, die Debatte sei zwar einzigartig in der Geschichte US-amerikanischer Kandidatenduelle gewesen, vermutlich aber kein „Gamechanger“ – kein Ereignis also, dessen Strahlkraft die Dynamik im Wahlkampf grundlegend verändern könnte.
Die Gruppe der unentschlossenen Wähler*innen, derzeit auf rund 20 Prozent taxiert, konnte allerdings einige Neuigkeiten erfahren. Dass Trump bestätigt – und es auch noch schlau findet –, jahrelang keine Steuern bezahlt zu haben, zum Beispiel. Dass er das schamlose Ausnutzen der Immobilienkrise für seine eigene Gewinnmaximierung für gutes Business hält. Dass er es in Ordnung findet, Auftragnehmer um die Bezahlung geleisteter Arbeit zu bringen. Es ist der Treppenwitz schlechthin, dass ausgerechnet dieser Mann es geschafft hat, sich als Vertreter der Abgehängten zu positionieren, der Globalisierungsverlierer.
Außerdem war zu lernen, dass Trump das polizeiliche Prinzip der „Stop and Frisk“-Durchsuchung von Passanten, das jahrelang in New York zu rassistischen Vorfällen geführt hat und inzwischen abgeschafft ist, unbedingt wieder einführen will. Und dass seine Fähigkeit, „präsidentiell“ zu wirken, gerade 25 Minuten anhält. So lange hatte es gedauert, bis er auf Clintons Angriffe einging und sie, zusehends dünnhäutiger, immer wieder unterbrach. Für Afroamerikaner und für Frauen ist Trump – wenn das TV-Duell denn irgendeinen Einfluss hat – noch unwählbarer geworden.
Es ist nicht egal, wer gewinnt
Eine große Debatte über Ideen für die Zukunft der USA aber war das nicht. Das war zwar auch nicht zu erwarten – tragisch ist es trotzdem in einem Land, wo einerseits so viel im Argen liegt, ein solcher Reformstau aufgelaufen ist, dass eigentlich dringend neue Ideen gefragt sind und längst vorhandene auf ihre Umsetzung warten. Und das andererseits weltpolitisch nach wie vor über den Einfluss verfügt, den die USA nun einmal haben. Und da geht es dann vorrangig um die Charakterzüge der Kandidat*innen?
Aber so bedauerlich das aus intellektueller Warte erscheinen mag, so sehr entspricht genau diese Auseinandersetzung doch auch dem Stand des öffentlichen Diskurses.
Es ist nicht egal, wer am 8. November gewinnt. Ein Präsident Trump könnte mehr als nur die USA in die Katastrophe führen. Über den 8. November hinaus aber wird es darauf ankommen, die Art der politischen Auseinandersetzung zu rezivilisieren. Das heißt auch: Wenn das Establishment – und dessen Existenz ist ja keine Trump-Erfindung, die besteht lediglich darin, dass er derjenige sei, der dagegen vorgehen würde – sich weiterhin um immer größere Bevölkerungsgruppen einen feuchten Schmutz schert, wird die Entfremdung weitergehen.
Dann ist in absehbarer Zeit das System der repräsentativen Demokratie, schon jetzt voller Lücken, Fehler und Unzulänglichkeiten, nur mehr dysfunktional. Der Ruf nach starken autoritären Führern, der in allen westlichen Demokratien an Popularität gewinnt, wird immer mehr Trumps nach oben spülen. Und nicht alle werden so ungeschickt sein wie er.
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