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Kommentar StromnetzausbauDas Kohleschutzprogramm

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Das Thema angeblich fehlender Übertragungsnetze für Strom wird von der Regierung nur vorgeschoben. Tatsächlich hat es wenig mit Erneuerbaren zu tun.

Strommasten in der Nähe Schwerins. Bild: dpa

A usbaukorridor – ein Unwort, das die Politik im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien kreiert hat. Dahinter verbirgt sich beispielsweise, dass die Bundesregierung pro Jahr nur noch zwischen 2,5 und 3,5 Gigawatt an neuer Photovoltaik installiert sehen will. Nachdem über mehrere Jahre hinweg der Zubau bei sieben Gigawatt lag, ist das ein gehöriges Bremsmanöver. Und warum das Ganze? Der neue Ausbaukorridor für die Erneuerbaren, laut Koalitionsvertrag, „erlaubt eine bessere Verknüpfung mit dem Netzausbau“.

Doch das Netzthema ist vorgeschoben; die Übertragungsnetze sind nur in seltenen Fällen der limitierende Faktor für den Ausbau der Erneuerbaren. Für die Photovoltaik zum Beispiel spielen die Hochspannungstrassen praktisch keine Rolle: Solarstrom fällt tagsüber an, wenn überall der Strombedarf am höchsten ist, und Solarstrom wird vor allem in Süddeutschland erzeugt, wo Städte und industrielle Großverbraucher die Energie zeitnah abnehmen.

Dass Solarstrom über Hunderte von Kilometern abtransportiert werden muss, ist nicht absehbar. Hinzu kommt, dass die südlichen Bundesländer heute ohnehin Stromimporteure sind oder es mit Fortschreiten des Atomausstiegs sein werden. Das heißt: Jede neue Solarstromanlage im Süden reduziert den Bedarf an Fernleitungen. Das gilt für die Windkraft und die in Süddeutschland ebenfalls stark gefragte Bioenergie, die die Bundesregierung ebenfalls bremsen will.

Das macht deutlich, dass fehlende Übertragungsnetze nie und nimmer als Argument taugen, den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt zu bremsen. Lediglich die Windkraft an der Küste und auf See wird ohne neue Netze unmittelbar ans Limit kommen. So gesehen ist die gestern vorgestellte Trasse Südlink kein zwingendes Resultat der Energiewende insgesamt, sondern ein Resultat der Windkraftpläne im Norden.

Wenn die Bundesregierung nun auch die dezentralen Energien bremst, sollte sie so ehrlich sein und ihren wahren Beweggrund nennen, anstatt fehlende Stromnetze vorzuschieben. Denn Tatsache ist: Je schneller die Erneuerbaren zukünftig ausgebaut werden, umso rapider wird der Niedergang der Kohle erfolgen. Deshalb ist das Bremsen der Erneuerbaren vor allem eines: ein Kohleschutzprogramm.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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6 Kommentare

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  • R
    Rudolf

    Vielleicht sollte man dazu auch noch wissen, daß in Wilhelmshaven gerade ein neues Kohlekraftwerk entsteht - für Importkohle.

    Und der Strom muß ja auch in den Süden ...

  • O
    Oj

    Schön, dass der Autor auf Solar eingeht und nicht auf die Windkraft, für die diese Leitungen durchaus nötig sind. Der ländliche Norden braucht sicher nicht den Strom seiner Windparks alleine...

  • B
    Bürgerwind

    Sie haben Recht. Was die SPD triebt, ist reine Klientelpolitik für die Konzerne. Die Offshore Windparks bekommen weiter 19 ct. pro kWh, aber die 9 ct für unsere Bürgerwindparks in Bayern sind zu teuer.

    Wir bekommen angesichts der Lieferfristen für die Windräder nicht einmal eine Übergangsfrist, in der wir die Projekte noch fertigstellen könnten. 2015 brächten wir noch, um die Projete die dieses Jahr genehmigt werden noch geregelt umzusetzen.

    Statt dessen soll ab August die Windenergie in Süddeutschlag mittels eines Referenzertrags von 77,5 % unmöglich gemacht werden.

     

    Die SPD ist die Partei des kleinen Mannes, und deswegen soll es auch weiter klein bleiben. Da passt es nicht, wenn er sich zum mündigen Bürger entwickelt, und seine Stromversorgung selbst in die Hand nimmt, nicht wahr liebe Rohrpott SPD?

  • EW
    Erwin Windmüller

    Und was macht nun der gemeine bayerische Windkraftmonster-Bekämpfer? Er mutiert zum bayerischen Strommastmonster-Bekämpfer! Die Energiewelt kann so ungerecht sein.

  • Die Strommafia hat die größten Profitspannen mit Braunkohle und alten Kernreaktoren. Die jetzige "Regierung" besteht aus korrupten Kriminellen. Die Bevölkerung anderer Länder würde sich derartig böse Korruption, die sich gegen die Gesundheit der Bürger richtet, nicht bieten lassen. Aber der deutsche Michel stirbt lieber an Krebs durch Braunkohle (40.000 Lungenkrebstote jährlich) und Atommüll, als dass die kriminellen Korrupten aus dem Amt gejagt werden.

    Das deutsche Bio-Obst und -Fleisch wird bald auch nicht mehr so gesund sein. Die neuen Kohlekraftwerke - von denen einige mehr Abgase als manche Länder insgesamt ausstoßen (die sich auf den Äckern verteilen werden) - sind noch nicht fertiggestellt. Da muss "Bedarf" geschaffen werden, damit die Betreiber noch mehr Geld verdienen.

    Mit zu viel alternativer Energie sinkt der Preis an der Börse. Und für das bisschen mehr Profit werden die Deutschen dann mithilfe der Marionetten an der Macht vergiftet.

    Wieso lassen die Deutschen sich diesen Angriff auf Gesundheit und Leben bieten?

  • G
    Gast

    Nimbys aller Dörfer vereinigt Euch und geht dagegen auf Straße, dass es hier nicht um den Solar- sondern Windstrom geht, ach geschenkt. Ja, so werden wir die Energiewende stemmen. Egal, dass sich die Nachbarländer beschweren, dass wir nicht in der Lage sind ordentliche Stromleitungen zu bauen und somit die Anrainerstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden. Nur keine Pumpspeicherkraftwerke, Stromleitungen und sonstiges bauen, ansonsten verliert die Energiewende ihr goldiges Gesicht. Frage mich ob wir in 10 Jahren wieder Kohle- und Atomenergie ausbauen, da dieser Wechsel wohl voll in die Hose geht oder vielleicht haben wir dann nur noch tagsüber Strom. Vielleicht benötigen wir auch nur noch mehr Monokulutur in der Landwirtschaft.