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Kommentar Störer bei Hayali und StelterLasst sie ihre Arbeit machen!

Kommentar von Finn Holitzka

Ob ZDF-Morgenmagazin oder WDR-Karneval: Störenfriede, die einfach auf die Bühne stürmen, sind nicht mutig, sondern respektlos.

Auch wenn es manchmal nicht so aussieht: Arbeit auf der Bühne ist Arbeit Foto: dpa

D ieser Satz dürfte zum TV-Zitat des Monats und Twitter-Bonmot avancieren: „Lügenpresse, Lügenfresse“, kleckert ein erboster Störenfried am Mittwoch den Moderator*innen Dunja Hayali und Andreas Wunn in die Live-Sendung des ZDF-Morgenmagazins. Zuvor war die zeternde Zuschauerin aufgestanden, hatte Hayali an der Schulter aus dem Weg gezerrt und sich vor ihr aufgeplustert.

„Lass ihr euch eigentlich alle hier anlügen“, motzt die Frau, wie auch in der ZDF-Mediathek dokumentiert ist. Und: „Sind bei mir die Mainzelmännchen zuhause, oder was?“ Nach einer knappen Minute ist die Konfrontation vorbei, man rochiert smooth zu den Nachrichten. Nun kann man das Tagteam Hayali und Wunn für seine souveräne und deeskalierende Coolness beglückwünschen: Mit beschwichtigenden Gesten, fester Stimme und dem glaubwürdig offerierten Redeangebot boten sie keinerlei Angriffsfläche für die Tiraden.

Zurück auf Sendung erklären die Moderator*innen, man habe die Zuschauerin nicht einfach rausgeworfen, sondern von der Bühne gebeten. Nach der Sendung habe es ein Gespräch gegeben, so das ZDF auf Twitter. Hayali erklärte in der Sendung: „Sie wissen: Wir sind dialogbereit.“ Redebedarf nehme man natürlich sehr ernst. Bloß: sollte man das? Dialogbereitschaft gegenüber Personen, die drängeln, pöbeln, blaffen, dürfte als Einladung gesehen werden: Wer laut genug krächzt, kriegt ein Mikro hingehalten.

Die Szene erinnert an den Karnevalskrawall um Bernd Stelter: Auch hier hatte sich eine miesgelaunte Zuschauerin selbstermächtigt und war mitten in der Show dazwischegegrätscht. Ihr war danach von Kommentator*innen im Netz viel Sympathie für den vermeintlich mutigen Protest entgegengebracht worden. Es gibt durchaus ähnliche Fälle in der jüngeren deutschen Fernsehgeschichte: Ob Frank Plasberg, Günther Jauch oder Steffen Hallaschka: Sie alle hatten es schon mal mit interaktivem Studiopublikum zu tun.

„Heckler“ nerven Bühnenpersonal und Publikum

Menschen im Auditorium, die das Bühnengeschehen stören, sind Kabarattist*innen oder Moderator*innen immer wieder lästig. „Heckler“ werden sie genannt – die Analogie zum ebenfalls unliebsamen Waffenhersteller ist zufällig. Denn auch wenn es beim Witzereißen oder Talkshowplaudern manchmal nicht so wirkt: Diese Leute machen ihre Arbeit. Arbeit auf die sie sich vorbereiten, konzentrieren, für die sie gebucht und bezahlt werden. Das zu stören ist nicht mutig, sondern respektlos.

Man wäre selbst auch pikiert, wenn jemand ins eigene Steuerbüro käme und die Unterlagen durcheinanderbringt oder an der Käsetheke in die Auslage pupst. Das Arbeitsmaterial von Bühnenpersonal ist nun mal die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft. Zumal es wahrlich genug Möglichkeiten gibt, den Dialog mit Bühnenpersonal zivilisiert anzustreben: Etwa über Leser*innebriefe oder Twitter-Konversationen (gerade Hayali ist hier sehr aktiv).

Aber den Hecklerinnen beim Frühstücksfernsehen oder bei Stelter im Gürzenich geht es wohl kaum um Austausch, sondern um Plattform. Dialog kann nicht erzwungen werden. Wer auf die Bühne steigt, nervt die dort Arbeitenden und die restlichen Zuschauer*innen. Insofern handelten Dunja Hayali und Andreas Wunn zwar angemessen und abgeklärt in der Live-Situation. Zu viel Verständnis für Störenfriede wäre aber unfair gegenüber denen, die respektvollen Diskurs schätzen. Man muss sich nicht alles gefallen lassen, nur weil man sich auf eine Bühne stellt.

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9 Kommentare

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  • Irgendwie wirkt der Kommentar auf mich befremdend. Die Reaktion einer Frau auf die zweifelhaften Ausführungen Herrn Stelters mit der geplanten Aktion beim Moma zu vergleichen, ist Unsinn. Also ich hätte mir bei dem Auftritt von Frau KK als Büttenputzfrau auch jemanden/frau gewünscht, der sie auf der Bühne auf den Topf setzt.



    Die Aktion beim Moma war dagegen geplant, da sollte eine 'Lügenmedien' Aktion von Rechts gestartet werden - so meine Vermutung. Die Reaktion der Moderatorin war gekonnt und die Dame lief ins Leere. Aber: Diese Aktionsform wurde auch immer von Linken und Umweltaktivisten in den 80ern angewendet um so Öffentlichkeit oder Widerspruch zu anzumelden.



    Komisch wirkt, wenn jetzt eine taz-Journalistin 'Respekt' gegenüber Moderatorern und Selbstdarstellern auf der Bühne fordert. Das wirft allerdings ein bezeichnendes Bild auf den Berufsstand und auch die taz. Es gehört zum publizistischen Werkzeug jeder Öffentlichkeit zu provozieren und respektlos zu sein. Bestes Beispiel: Die frechen Auftritte und Fragen, die in der "ZDF Heute Show" Politikern gestellt werden, haben aufklärerisch mehr gebracht, als so manche Talksendung. Bei uns beherrschen mittlerweile immer mehr Journalisten ihr Handwerk nicht mehr: Nachhaken, Recherchieren.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Der Plot scheint (mir) etwas gestellt ...

    Aber es gibt ja eigentlich nur zwei Möglichkeiten.

    Entweder war es echt, dann wird die offensichtlich zum Thema vertraute, sog. neurechte Medien zumindest lesende Frau sich demnächst und ob dieser Aktion eben dort melden, interviewen lassen etc.

    Oder es war ein Fake, dann wird man offiziell natürlich nichts weiter über die Frau erfahren, wird von Seiten des ZDF auch keine weiter Aktivität (Anzeige etc.) zu erwarten sein.

    In beiden Fällen jedoch sollte die Identität der Frau über kurz oder lang bekannt werden, soweit das Video- und Bildmaterial nicht ebenfalls "angepasst" wurden. Irgendwo in ihrem Umfeld -und/oder via der Möglichkeiten des Internet (Bildersuche etc.) dürfte sie erkannt werden, dies dann an die interessierten Medien durchgestochen.

  • Zitat: „Redebedarf nehme man natürlich sehr ernst. Bloß: sollte man das? Dialogbereitschaft gegenüber Personen, die drängeln, pöbeln, blaffen, dürfte als Einladung gesehen werden: Wer laut genug krächzt, kriegt ein Mikro hingehalten.“

    Tja, das ist wohl nichts Neues, dass Möglichkeiten oft eine Frage der Ellenbogen bzw. der Schnabelgröße sind.

    Lautes Krächzen kann echt lästig sein, das ist wohl wahr. Nur: Darf man deswegen gleich sämtliche Rabenvögel abknallen, ein- oder aussperren, die keinen Arbeitsvertrag haben mit einem der vielen Fernsehsender?

    Es gibt kein Recht darauf, sich unbelästigt zu fühlen. Auch und gerade nicht für Medienschaffende. Man muss Hayali und Wunn für ihre souveräne und deeskalierende Coolness beglückwünschen. Nicht jeder, der so viel Macht übertragen kriegt wie diese beiden, kann auch so souverän wie sie damit umgehen.

  • "Das zu stören ist nicht mutig, sondern respektlos." Dieser Meinung ist die TAZ natürlich auch bei ähnlichen Aktionen, z.B. von Femen - gelle?

  • Aus der online-Propaganda wird körperliche Praxis: rechtsradikale streuen Lügen, die behaupten Erfundenes, und meinen, weil das die Körperschaften öffentlichen Rechts und private Medien nicht übernehmen, seien das Lügenpresse. Dafür werden sie dann öffentlich angegriffen.



    Das ist brutal und zeigt wie weit diese Hass-Kampagne von rechts geht.

  • Gar nicht mal so schlecht, mit nur einem Kommentar haben Sie mal eben so jegliche Protestaktion, z.B. das Hochhalten von Plakaten bei AKW-Debatten oder das Dazwischenrufen, wenn erklärte Industrie-Lobbyisten ihre Lügenmärchen erzählen, als verachtenswert abgekanzelt.



    Darf man/frau dann eigentlich noch bei Lanz mehr sein als nur Klatsch-Vieh, egal was für Unsinn da vorne grade öffentlich verbreitet wird?



    Das war ein absolut unausgewogener Kommentar, typisch für 2019 wo anscheinend jede/r glaubt, dass man/frau für andere fordern kann, was man/frau für sich selbstverständlich niemals machen würde.

  • Wie relevant ist das Thema? Sack Reis in China...?

  • Ja klar, die Hecklerinnen sind das Problem. Eine phrasendreschende, durchkalkulierte "Journalistin", die sich für Auftritte kaufen lässt, ist natürlich kein Problem. Ein bisschen mehr Kritikfähigkeit hätte ich sogar der TAZ zugetraut. Klar, das wird jetzt wieder zensiert - aber vielleicht liest das auch einer der alten Kämpen - Meinungsfreiheit galt mal was.

  • Die Fernsehsender drängen einem die Kosten auf, da wird man als Zuschauer doch zurückdrängen dürfen.