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Kommentar Stickoxid-GrenzwerteAbwarten und Volksverdummung

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Merkel will Diesel-Fahrverbote per Gesetz erschweren. Vor der Landtagswahl in Hessen ist dieses Manöver so durchsichtig wie absurd.

Verwirrung auf der Straße, auch um die Abgaswerte Foto: imago/FlorianGaertner/photothek

D ie Verzweiflung über die drohenden Diesel-Fahrverbote scheint in der Bundesregierung dramatische Ausmaße angenommen zu haben. Anders ist der jüngste Vorschlag der Bundeskanzlerin nicht zu verstehen. Statt endlich durch wirksamen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die EU-Grenzwerte für giftige Stickoxide in allen deutschen Städten eingehalten werden, will Merkel nun lieber gesetzlich festlegen, dass die Grenzwerte nicht mehr gelten. Bis zu einer Überschreitung um satte 25 Prozent sollen Fahrverbote künftig als unverhältnismäßig gelten.

Dieses Manöver ist so durchsichtig wie absurd. Kurz vor der Hessen-Wahl – wo die in Frankfurt drohenden Fahrverbote sich zu einem echten Problem für die untätige Regierung entwickeln – soll der Eindruck erweckt werden, dass die Union den Diesel-Fahrern zur Seite springt. Faktisch ändern wird sich durch die geplante Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes allerdings vermutlich nichts.

Denn über die Fahrverbote entscheidet in Deutschland ohnehin nicht mehr die Politik, sondern die Gerichte – und zwar auf der Grundlage jener verbindlichen EU-Grenzwerte, die sich durch unverbindliche Empfehlungen des Bundes in nationalen Gesetzen natürlich nicht außer Kraft setzen lassen.

Und das Argument der Bundesregierung, dass die Grenzwerte in den Städten mit Überschreitungen von weniger als 25 Prozent auch durch andere Maßnahmen, etwa die Nachrüstung von Bussen und kommunalen Fahrzeugen, erreicht werden kann, haben die Gerichte auch bisher schon berücksichtigt – und verworfen. Fahrverbote sind stets damit begründet worden, dass eine Einhaltung der Grenzwerte auf anderen Wegen eben nicht erreichbar ist.

Die einzige Maßnahme, die neben Fahrverboten wirklich helfen würde, ist eine Hardware-Nachrüstung dreckiger Diesel. Die Hersteller dazu zu verpflichten, traut sich die Regierung aber weiterhin nicht. Stattdessen setzt sie auf Abwarten und Volksverdummung – und damit auf die gleiche Strategie, die bisher schon krachend gescheitert ist.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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13 Kommentare

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  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Wozu hat man einen Verkehrsminister aus Bayern? Gute Frage.



    Der aktuelle Dampfplauderer sagte, daß er diese ganze Dieselgeschichte nicht machen wolle, da es seinem Image schade und außerdem seinen Parteifreund Dobrindt noch mit in den Dreck ziehen würde. Er wolle heisse Eisen nicht anfassen, da er sich vielleicht daran seine Finger verbrennen würde. Und er könne darüber hinaus doch nicht ausgerechnet seine eigene Klientel, die Kfz-Hersteller bestrafen.



    Und so kam es dazu, daß es zu nichts kam, da der Verkehrsminister aus Bayern es nicht so richtig gern wollte.



    Lederhose und Hütchen mit Gamsbart, mehr haben die Bayern nicht zu bieten.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @91672 (Profil gelöscht):

      Und noch ein kleines Interview-Erlebnis.



      Sylvi: 'Grias God, Herr Scheuer, hier ist Sylvi von der tageszeit. I wollt Sie fragn ...'.



      Scheuer: 'Mach schnell, i hab ned vui Zeid'



      Sylvi: 'Herr Minister, die Justiz ...'.



      Scheuer: 'Laß mi bloß in Ruhe mit da Justiz. Oans sag i da glei, i bin der Minister dafür, daß der Verkehr verkehrt und fließt und ned, daß er steht. Und wenn de links/grünen Spinner und de bsonders eifrige Justizpartei was anders moana, dann schick i de nach Ungarn zur Kur ...I muaß jetz geh '.



      Sylvi nach dem Abgang: Irgendwia riechts da ganz streng nach NOx, wo der gsessen is.

  • Stimmt schon, nur: Es gibt VIELE Maßnahmen neben Fahrverboten, die dazu führen würden, dass die Abgaswerte sinken.

    Man muss einfach den Verkehr in den Innenstädten reduzieren. Das geht, indem man beispielsweise Straßenparkplätze streicht, Falschparken höher bestraft und konsequent ahndet. Denn Parksuchverkehr macht 30-40% des urbanen Kfz-Verkehrs aus, und wo keine Parkplätze sind, fällt der weg.

    Das ist so simpel, dass es von allen Städten gemacht wird, die "Verkehrswende" ernst nehmen - also außerhalb Deutschlands.

    • @Professor Wagstaff:

      So eine Maßnahme kann eigentlich nur ein Schildbürger einfallen. Sie würden auch Häuser abreißen lassen und Obdachlosigkeit härter bestrafen, oder? Da kann man auch Menschen die Hungern das Essen streichen. Löst das Problem auch auf eine Art.



      Der Parksuchverkehr ist doch kein Selbstzweck. Die Leute fahren doch nicht mit den Autos herum weil ihnen mal so ist sondern weil sie in der Stadt etwas wollen, zum Beispiel Arbeiten oder Einkaufen. Entweder man dezentralisiert Städte oder bietet alternative Verkehrsmittel. Und die, die wirkliche einfach nur zu faul zum Laufen sind, werden von den Benzinpreisen umgestimmt werden.

  • Absurdes Theater allüberall...

  • Ich glaube Frau Merkel, Doktor der Physik, hat den Sinn eines Grenzwertes nicht verstanden.



    Ein Grenzwert sollte so festgelegt werden, das alles was darunter liegt unbedenklich ist, alles darüber muss vermieden werden.



    Da hilft es nicht den Grenzwert einfach nach oben zu schieben.



    Die Geschwindigkeitsbegrenzung in Ortschaften liegt bei 50 km/h. Es gibt viel zu viele Temposünder! Warum heben wir das Tempolimit nicht einfach auf? Ganz einfach, weil so ein Handeln gefährlich ist und Tote nach sich ziehen würde.



    Die Grenzwerte für Dünnschiss labern, werden von der Bundesregierung regelmäßig übertroffen, aber irgendwer setzt immer wieder die Grenzwerte höher...

  • In der FAZ wird Cem Özdemir zitiert (das Zitat passt ganz gut zu Ihrem Artikel):



    "Scharfe Kritik an Merkels Vorschlag äußerte der Grünen-Politiker Cem Özdemir. Die Pläne der Kanzlerin seien ein „Treppenwitz“, sagte er der „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom Dienstag. 'Wir erhöhen ja auch keine Promillewerte, damit man auch mit Alkohol noch fahren kann. Wenn Sie durch eine Prüfung fallen, wird auch nicht das Prüfungsniveau gesenkt.'"

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Pete Webber:

      Der ist gut. Wirklich gut. Und so passend, bei der bekannten Alkoholaffinität von 'schwarzen' Wählern. In Bayern (Bier als Grundnahrungsmittel) und auch anderswo.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ein Verzweiflungsakt, aus der Not geboren. Merkel wird mit Buffjeh abtreten. Eine schöne Vorstellung, die in fünf Tagen Realität wird. Ich habe mit vielen Menschen hier im Hessenland gesprochen. Alle reden von Veränderung. Manche - wie ich - mit großer Vorfreude. Andere mit kalten Schweißperlen auf der Stirn. Glückauf!!!

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Der (noch) Ministerpräsident von Hessen wird Bouffier geschrieben.



      Und Sie glauben wirklich Merkel tritt ab? Die wird man nur so los, wie man damals Kohl los wurde, in dem die CDU/CSU bei Wahlen keine regierungsfähige Mehrheit mehr zusammen bekommt.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @derSchreiber:

        Danke für den Hinweis.

        Es ist meine künstlerische Freiheit, Buffjeh so zu schreiben, wie er gesprochen hat. Ist von Urban Priol, nicht von mir. Aber trotzdem gut.

        Mein Motto: besser gut geklaut als schlecht selbst formuliert.

        Zur 'ewigen Kanzlerin' der Sedierung: warten wir bis Sonntag Abend oder Montag Morgen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          ... gesprochen wird ...

  • Dieses Theater das in Deutschland zu Diesel und zu Grenzwerten veranstaltet wird gibt es im ganzen restlichen Europa nicht. Liegt wohl doch an diesem Dieselverbots-Verein, der diesen Klamauk veranstalten und den Staat verar..... darf.