Kommentar „Stasi“-Barbie: Vernetzen statt überwachen
„Barbie“ wird zum Spitzel im Kinderzimmer. Die mithörende Puppe ist nur eine logische Fortentwicklung der allgegenwärtigen Datensammelei.
D ie Barbie antwortet, die Waschmaschine bestellt neues Waschpulver, und langsam können wir es nicht mehr übersehen: Das Internet der Dinge ist da. Und zwar nicht vor der Tür, höflich anklopfend, sondern mitten im Wohnzimmer, auf dem Sofa fläzend und in der Küche den Kühlschrank inspizierend.
Warum war es noch mal eingeladen worden? Weil die Vernetzung von Alltagsgegenständen Bequemlichkeiten verspricht: Nie mehr mit voller Waschmaschine, aber ohne Pulver dastehen, nie mehr in eine kalte Wohnung kommen. Stattdessen ist der Kaffee direkt nach dem Aufstehen fertig und das Auto vorgeheizt.
Die Nebenwirkungen – Geräte, die mithören, Konzerne, die persönliche Daten abgreifen und potenziell an Geheimdienste weitergeben, die Gesetze eher als unverbindliche Anregungen verstehen – nun, da kommt man eben nicht drumherum. Oder?
Doch. Es gibt kein Naturgesetz, das Vernetzung mit Überwachung verknüpft. Wir haben uns nur so daran gewöhnt, dass eine lauschende Barbie bloß einen kleinen Aufschrei verursacht. Und mithörende Datenbrillen, Spielkonsolen und Fernseher gar keinen.
iPhone fürs Kinderzimmer
Dabei geht Vernetzung auch gut ohne Überwachung. Mit Datensparsamkeit, Verzicht auf feste Kennziffern, mit denen sich NutzerInnen oder Geräte lebenslang zuordnen lassen. Und wenn man die ein oder andere Information doch mal speichern muss, dann wird sie eben so schnell es irgend geht wieder gelöscht. Ist machbar. Aber anscheinend nicht vorstellbar.
Klar, die Politik hat am Datenschutz ein eher marginales Interesse – weniger gespeicherte Daten sind eben auch weniger, die Behörden im Zweifelsfall abfragen können. Aber auch die NutzerInnen sind desinteressiert.
Und uninformiert: Wie viele wissen eigentlich, dass das, was sie dem iPhone-Assistenten Siri erzählen, auf Apple-Servern landet? So gesehen ist die mithörende Puppe nur eine logische Weiterentwicklung: das iPhone fürs Kinderzimmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich