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"Väterchen Stalin" und seine Anhänger waren im und auch noch nach dem Krieg der Ansicht, es würde die Moral der Truppe untergraben, wenn ein Überleben in deutscher Gefangenschaft möglich ist. Zum Unwillen bzw. zur Unfähigkeit der deutschen Seite, die Überlebenden Soldaten zu entschädigen, kam also bisher die Weigerung der sowjetischen bzw. russischen Seite, die Rechte ihrer Bürger massiv einzufordern.
Nicht, dass es so etwas wie einen schriftlich festgehaltenen Stalin-Adenauer-Pakt gegeben hätte in Bezug auf die überlebenden Kriegsgefangenen. Das stille Einvernehmen zwischen beiden Seiten allerdings hat genügt, jenen "Erinnerungsschatten" auf "eine der größten Opfergruppen der Nationalsozialisten" zu werfen, von dem hier die Rede ist. Schließlich ist in einem Rechtsstaat jeder Mörder dann fein raus, wenn er keinen Richter findet, weil es keinen Kläger gibt. Deutschland, jedenfalls, hat bisher profitiert von Stalins Überzeugung – und tut das immer noch. Die Summen, die zu zahlen sind, werden ja schließlich täglich kleiner.
Gut, immerhin, dass in diesem Fall jene, die die Hauptlast des 2. Weltkriegs tragen mussten und zum Dank dafür gleich mehrfach gestraft wurden, nicht auch noch dem neuesten Konflikt zwischen Russland und DEM Westen zum Opfer gefallen sind. Den überlebenden Griechen hat es bisher überhaupt nicht geholfen, dass ihre Regierung Forderungen stellt in Richtung Deutschland. Mit Blick auf diese Opfergruppe heißt es vielfach bloß, das sei ein Ablenkungsmanöver. Und das ist auch in sofern schade, als Soldaten immer schon damit rechnen mussten, strategisch und taktisch verheizt zu werden. Normalbürger hingegen wurden früher nicht so vordergründig als Manövriermasse missbraucht. Sie sollten schließlich schon den Einsatz der Soldaten legitimieren.
Naja, inzwischen sind die meisten Überlebenden tot und da gibt es dann gnädigerweise noch ein paar Kröten für die Allerletzten.
Und die Griechen und anderen Überlebenden kriegen wohl auch erst ein symbolisches Scherflein, wenn nur noch 2-3 da sind.
Nach der Großrazzia bei der Letzten Generation zeigt sich: Behörden bekämpfen Aktivist:innen statt Missstände. Das hat Tradition in Deutschland.
Kommentar Sowjetische Kriegsgefangene: Die richtigen Opfer
Sowjetische Kriegsgefangene waren eine der größten Opfergruppen im NS. Mit der Entschädigungsentscheidung übernimmt Deutschland Verantwortung.
Russische Kriegsgefangene im Lager Drossel am 7. April 1945 kurz nach der Befreiung durch US-Truppen. Bild: AP
Eine Wiedergutmachung haben auch andere Opfer verdient. Nicht nur ehemaligen Sowjet-Soldaten, die in Gefangenenlagern der Wehrmacht saßen und nun endlich Anerkennungszahlungen von insgesamt zehn Millionen Euro erhalten; sondern auch italienische Militärinternierte, Überlebende von Nazi-Massakern in griechischen Dörfern oder Hinterbliebene von Vergeltungsaktionen in Osteuropa.
Dennoch konzentrierte sich die Opposition in den vergangenen Monaten explizit darauf, Entschädigungen für frühere Rotarmisten zu fordern. Dafür gab es mindestens zwei gute Gründe.
Erstens: Mit über drei Millionen Toten waren die sowjetischen Kriegsgefangenen nach den Juden eine der größten Opfergruppen der Nationalsozialisten. Trotzdem ist ihr Schicksal in Deutschland kaum präsent. Bundespräsident Joachim Gauck sprach treffend von einem „Erinnerungsschatten“, als er Anfang Mai ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager besuchte. Die Entschädigungs-Entscheidung des Bundestags könnte dazu beitragen, diesen Schatten aufzuhellen.
Zweitens: Die sowjetischen Kriegsgefangenen waren doppelte Opfer. In der Sowjetunion als vermeintliche Feiglinge und Kollaborateure behandelt, landeten viele von ihnen in der Heimat erneut in Lagern. Teilweise haftet ihnen das Stigma bis heute an. Auch für diese Spätfolgen der nationalsozialistischen Verfolgung übernimmt Deutschland mit den Anerkennungszahlungen endlich die (Mit-)Verantwortung.
Natürlich: Die Rechnung ist zynisch. Wer unter den Nazis gelitten hat und weiterhin leer ausgeht, findet in diesen Argumenten keinen Trost. Eine Gesamtlösung für alle, die noch immer auf Entschädigungen warten, wäre aber an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag gescheitert. Um die Regierungsfraktionen zu überzeugen, musste sich die Opposition auf eine Opfergruppe konzentrieren. Sie hat die richtige ausgewählt.
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Kommentar von
Tobias Schulze
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