Kommentar Sowjetische Kriegsgefangene: Die richtigen Opfer
Sowjetische Kriegsgefangene waren eine der größten Opfergruppen im NS. Mit der Entschädigungsentscheidung übernimmt Deutschland Verantwortung.
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E ine Wiedergutmachung haben auch andere Opfer verdient. Nicht nur ehemaligen Sowjet-Soldaten, die in Gefangenenlagern der Wehrmacht saßen und nun endlich Anerkennungszahlungen von insgesamt zehn Millionen Euro erhalten; sondern auch italienische Militärinternierte, Überlebende von Nazi-Massakern in griechischen Dörfern oder Hinterbliebene von Vergeltungsaktionen in Osteuropa.
Dennoch konzentrierte sich die Opposition in den vergangenen Monaten explizit darauf, Entschädigungen für frühere Rotarmisten zu fordern. Dafür gab es mindestens zwei gute Gründe.
Erstens: Mit über drei Millionen Toten waren die sowjetischen Kriegsgefangenen nach den Juden eine der größten Opfergruppen der Nationalsozialisten. Trotzdem ist ihr Schicksal in Deutschland kaum präsent. Bundespräsident Joachim Gauck sprach treffend von einem „Erinnerungsschatten“, als er Anfang Mai ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager besuchte. Die Entschädigungs-Entscheidung des Bundestags könnte dazu beitragen, diesen Schatten aufzuhellen.
Zweitens: Die sowjetischen Kriegsgefangenen waren doppelte Opfer. In der Sowjetunion als vermeintliche Feiglinge und Kollaborateure behandelt, landeten viele von ihnen in der Heimat erneut in Lagern. Teilweise haftet ihnen das Stigma bis heute an. Auch für diese Spätfolgen der nationalsozialistischen Verfolgung übernimmt Deutschland mit den Anerkennungszahlungen endlich die (Mit-)Verantwortung.
Natürlich: Die Rechnung ist zynisch. Wer unter den Nazis gelitten hat und weiterhin leer ausgeht, findet in diesen Argumenten keinen Trost. Eine Gesamtlösung für alle, die noch immer auf Entschädigungen warten, wäre aber an den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag gescheitert. Um die Regierungsfraktionen zu überzeugen, musste sich die Opposition auf eine Opfergruppe konzentrieren. Sie hat die richtige ausgewählt.
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