Kommentar Sorgerecht für Väter: Vater ist nicht gleich Vater
Den Vätern wird mit dem gemeinsamen Sorgerecht ein Recht garantiert, das ihnen zusteht. Doch die Mehrheit von ihnen muss erst noch ihre Fähigkeit dazu beweisen.
D ie Rechtslage ist ab jetzt eindeutig: Künftig haben ledige Väter das gleiche Recht auf ihre Kinder wie verheiratete Väter. Der Gesetzentwurf ist zeitgemäß: Es gibt immer weniger Eheschließungen und immer mehr Paare, die ohne Trauschein miteinander leben. Und überhaupt: Warum sollten verheiratete und ledige Väter unterschiedlich behandelt werden? Vater ist doch gleich Vater. Aber genau hier liegt ein Knackpunkt: Vater ist eben nicht immer gleich Vater.
Es gibt immer mehr Männer, die sich liebevoll und ausreichend um ihren Nachwuchs kümmern. Dieser Realität folgt der Gesetzentwurf. Es gibt aber auch Väter, die allein aus einem Machtinstinkt heraus auf das gemeinsame Sorgerecht pochen. Sie wollen juristisch auch dann Vater bleiben oder es werden, selbst wenn sie es im Alltag schon lange nicht mehr sind oder es noch nie waren. Gemeint sind all jene, die keinen oder zu wenig Unterhalt zahlen. Laut Statistik sind das mehr als die Hälfte. Andere sehen ihre Kinder höchstens am Wochenende und wissen dann nicht, was sie mit ihnen machen sollen. Auch sie sind keine Ausnahme.
Zudem gibt es viele Väter, die durchaus aktive Väter sein wollen, das aber de facto nicht hinbekommen. Sie bemerken erst nach einer Trennung, dass gleiche Rechte auch gleiche Pflichten bedeuten.
Simone Schmollack ist taz-Redakteurin für Frauen- und Geschlechterpolitik.
Natürlich gibt es auch viele Mütter, die ihrer Sorgepflicht nicht ausreichend nachkommen. Der Unterschied ist nur, dass unsere Gesellschaft die Kindererziehung in der Vergangenheit den Frauen überantwortet hat. Nolens volens hat sich so eine weibliche Verantwortungskultur herausgebildet. Hier herrscht auf männlicher Seite noch Nachholbedarf. Ein Stichwort wäre Teilzeit auch für Männer als Normalfall.
Wünschenswert wäre also, wenn der Gesetzgeber Kriterien verfasste, die künftig in Sorgerechtsverhandlungen einbezogen werden und die die tatsächliche Sorge für Kinder beschreiben: Verantwortung, Bindung zwischen Kind und Elternteil, Empathie - Grundsätze also, die Eltern erst zu Eltern machen.
Den Vätern, egal ob ledig oder verheiratet, wird mit dem gemeinsamen Sorgerecht ein Recht garantiert, das ihnen formal und wegen des Gleichheitsgrundsatzes zusteht. Doch so anmaßend es klingt: Die Mehrheit der Väter muss erst noch beweisen, dass sie in der Realität mit dem neuen Recht etwas Sinnvolles anfangen kann.
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