piwik no script img

Kommentar Silvesternacht in KölnVon wegen „die gleiche Klientel“

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Der Kölner Polizeikessel war eine unnötige und diskriminierende Machtdemonstration. Die Polizei sollte um Entschuldigung bitten.

Hat nach der Silvesternacht Nebelkerzen geworfen: Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies Foto: dpa

V on wegen „die gleiche Klientel wie im Vorjahr“. Weil sich in der vergangenen Silvesternacht überraschend viele potenzielle Unruhestifter nordafrikanischer Herkunft wieder nach Köln aufgemacht hätten, habe man besondere Maßnahmen ergreifen müssen – so lautete bisher die Schutzbehauptung des Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies, um das Vorgehen seiner Beamten in jener Nacht zu begründen.

Per Twitter hatte die Polizei kurz vor Mitternacht stolz verkündet, am Hauptbahnhof würden von ihr gerade „mehrere Hundert ‚Nafris‘ überprüft“. Nicht nur der Tweet, auch die Aktion selbst war umstritten. Denn die Polizei hatte die Menschen dort ganz offensichtlich vorwiegend nach ihrer Haut- und Haarfarbe aussortiert, nicht nach anderen Kriterien.

Nun muss die Polizei einräumen, dass unter den Menschen, die sie am Hauptbahnhof festgehalten und kontrolliert hat, kein einziger Straftäter aus dem letzten Jahr dabei war – schon gar kein „Intensivtäter“ und kaum ein Nordafrikaner. Das ist ziemlich peinlich, denn damit bricht ihre bisherige Version der Geschichte in sich zusammen. Und die Polizei macht es auch nicht besser, wenn sie jetzt behauptet, so genau könne sie das alles jetzt noch nicht abschließend sagen.

Der Kessel am Hauptbahnhof war diskriminierend und unnötig. Denn die anderen Maßnahmen hätten völlig ausgereicht, um mögliche Straftaten zu verhindern, wie die Erfolgsquote der vielen Polizeistreifen belegt, die in jener Nacht anderswo in der Stadt im Einsatz waren. Dass am Bahnhof Hunderte unbescholtene Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe festgehalten und kontrolliert wurden, war eine Machtprobe der Polizei, die hier sichtbar jene Stärke demonstrieren wollte, die sie im Jahr zuvor so schmerzlich vermissen ließ.

Doch „Racial Profiling“ ist keine Bagatelle. Die Polizei sollte sich einfach für ihre Überreaktion entschuldigen – statt weitere Nebelkerzen zu werfen, um von ihrem Fehler abzulenken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Dass am Bahnhof Hunderte unbescholtene Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe festgehalten und kontrolliert wurden, war eine Machtprobe der Polizei, die hier sichtbar jene Stärke demonstrieren wollte, die sie im Jahr zuvor so schmerzlich vermissen ließ."

     

    Die Lage ist unübersichtlich. Vielleicht wäre es hilfreich, sich zwei Fragen zu stellen:

     

    (1) Die Polizei wollte und konnte zu Silverster 2016, anders als im Vorjahr, Stärke demonstrieren. Was wäre geschehen bzw. hätte geschehen können, wenn die Polizei keine Stärke demonstriert hätte?

     

    (2) Wie hätte die Öffentlichkeit reagiert und was hätte Daniel Bax geschrieben, wenn die Polizei bereits zu Silvester 2015 "Stärke demonstriert" hätte und daraufhin am Kölner Hauptbahnhof gar keine Verbrechen geschehen wären?

  • Ich erkenne wenig neue Informationen in dem Artikel. Dass bei den Kontrollen in diesem Jahr keine Täter vom vorangegangenen Jahr dabei sein konnten, war klar. Die ermittelten Personalien von Verdächtigen lagen damals im einstelligen Bereich! Es hat also niemand erwartet. Die Wahrscheinlichkeit ist viel zu gering.

     

    Es ging um den Täter-Typus, wie er im letzten Jahr beschrieben wurde, das "Klientel". Und die damaligen Opfer hatten die Täter nicht Deshalb bricht da auch keine Polizei-Version zusammen.

     

    Und dass einzelne Polizeistreifen in diesem Jahr verhindern sollten, was im letzten Jahr über 200 Beamten nicht gelungen ist, ist doch nicht sehr wahrscheinlich.

  • Die Polizei musste verhindern, das sich wie im letzten Jahr meherere hundert Nordafrikaner stehlen und sexuell übergriffig werden. Dazu hat sie Männer kontrolliert, die eben so aussehen. Oder soll sie in dieser Situation ebensoviele 80 jährige Frauen nach dem Ausweis fragen, nur damit sich ja keiner diskriminiert führt?

  • GegenREDE! Der Autor hat Recht, wenn er darauf hinweist, daß es KEIN GLANZSTÜCK der Kölner Polizei ist/war, erst zu behaupten, sie habe Hunderte Nafris am Zugang zur Domplatte gehindert, und mittlerweile einräumt, daß es vielleicht nur 30 waren. Das wirft die Frage auf, mit welcher Sorgfalt die Polizei Informationen veröffentlich.

    ABER: Das heißt noch lange NICHT, daß die Polizei in der Sache etwas falsch gemacht hat. Fakt ist: Die Polizei hat große Männergruppen mit Migrationshintergrund mit teils sehr aggressiver Stimmung daran gehindert, zur Domplatte zu gelangen.

    Was DARAN "falsch" gewesen sein soll und "rassistisch", ist schleierhaft.Der Autor sollte darüber nachdenken, was passiert wäre oder zumindest hätte passieren können, wenn die Polizei - gerade vor dem Hintergrund von 2015 - diese MÄNNER(!)gruppen auf die Domplatte gelassen hätte?! Die Polizei zu "kritisieren" und ihr allerlei vorzuwerfen ist einfach. Die - entscheidende - Frage ist, WAS hätte sie WIE ANDERS machen sollen, um dasselbe ERGEBNIS (keine Übergriffe) zu ermöglichen?

    Es kann IMMER sein, daß jemand im Einzelfall ungerecht behandelt wird.

    Aber: Der OPFERSCHUTZ hat VORRANG vor - evtl. Fehleinschätzung. Man muß IMMER auch an die Polizisten denken, die vor Ort einen SEHR anstrengenden JOB machen und in kürzester Zeit aufgrund einer Einschätzung Entscheidungen treffen müssen, die sich später als fehlerhaft herausstellen können (aber nicht müssen). Der Rassismusvorwurf ist in Anbetracht der GESAMTumstände sehr beleidigend.

  • "Die Polizei sollte sich einfach für ihre Überreaktion entschuldigen."

     

    Nicht nur die Polizei gegeht "racial profiling", derartige Vorurteile haben doch viele Bundesbürger. Also müssen sich viele Bundesbürger entschuldigen. Etwa so:

     

    "Ich entschuldige mich dafür, dass ich mit der Merkel-Entscheidung, unbegrenzt junge Männer aus dem Nahen Osten in die Arbeitslosigkeit nach d zu holen, nicht einverstanden bin."

     

    "Ich entschuldige mich dafür, dass ich mich unwohl fühle, wenn öffentliche Räume wie Bahnhofsvorplätze oder Parkanlagen überwirgend von fremdländischen jungen Männern mit viel Freizeit bevölkert werden."

     

    Vorbild sollten die Verhältnisse im Görlitzer Park sein. Dort hat deie Polizei das racial profiling schon aufgegeben. d wird bunter und wir freuen uns darauf.

    • @A. Müllermilch:

      Wie wäre es, wenn Sie Ihre rassistische Denke reflektieren ... und sich entschuldigen?

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    ... wie damals in Siegen 1991, als ein Polizist zu mir sagte:'Beim Führer wärst Du schon in der Gaskammer.' Zitat ende. Ja, ich hatte nen Iro und war laut, das wars aber auch schon, den Rest konnte der Herr Polizist dann allein.

    Bäh!!!

  • "Nun muss die Polizei einräumen, dass unter den Menschen, die sie am Hauptbahnhof festgehalten und kontrolliert hat, kein einziger Straftäter aus dem letzten Jahr dabei war"

     

    Das wäre auch schwierig gewesen, da ja nur 4 oder 5 (oder wieviele?) in der Silvester 2015 identifiziert und verurteilt wurden. Ein klassischer Zirkelschluss, wie so viele Male in dieser Debatte.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Herr Brax, woher nehmen Sie ihr Selbstverständnis, wenn Sie behaupten, andere Maßnahmen hätten völlig ausgereicht? Worauf begründet sich dies?

    Das ist so blauäugig, wie die Behauptung von Merkel, dem Innenminister und den Geheimdiensten,die Flüchtlichsroute über den Balkan wäre für IS Leute, sprich Terroristen, zu risikoreich und deshalb bestünde für uns keine Gefahr.

    Report Mainz hat dazu recherchiert: http://www.br.de/nachrichten/fluechtlinge-terrorgefahr-behoerden-report-100.html

     

    Es ist Zeit, Naivität abzulegen. Niemand hätte die jungen Männer nach Hautfarbe kontrolliert und abgesondert, wenn es im Jahr zuvor nicht diese massiven Übergriffe gegeben hätte.

    Wie hätte die Polizei handeln sollen? Wie sieht Ihre Lösung aus?

  • Die Machtdemonstration war nötig, auch vorbeugend, um eine Wiederholung der "Kölner Silvesternacht" auf jeden Fall zu verhindern. Das war damals der sicherheitspolitische GAU, der Verlust des öffentlichen Raums und das war nicht die Schuld der Polizei, die lt. taz einen "rechtsfreien Raum" zugelassen hatte.

     

    Im Übrigen hat sich die Polizei dieses Jahr (lt. Tagesschau) bei ihrer Einschätzung der Lage auch auf Dolmetscher berufen, die die Anwesenden , aufgrund ihres Dialekts als Nordafrikanere einstuften. Dort wurde auch erwähnt, dass sich viele Nordafrikaner als Syrer oder Iraker ausgeben, wegen der besseren Asylchancen.

     

    Liebe tazler, Euer Bemühen, Ausländerfeindlichkeit entgegen zu schreiben in allen Ehren.

     

    Meine Interessen (auf Sicherheit und auf Freiheit für alle im öffentlichen Raum) vertretet ihr mit euren Artikelen leider nicht.