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Kommentar Shutdown USAMehr als absurdes Theater

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Die Fachsimpelei über sonderbare Republikaner und das Schauspiel in Washington dürfen nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen.

Nicht nur außerhalb der USA halten viele die radikalen Republikaner für irre. Bild: reuters

E s entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet jene, die als Sparkommissare in die US-Politik gezogen sind, als Abgeordnete mit der mutwilligen Stillegung ihrer Regierung völlig sinnentleerte Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Und dass eben diese, die in ihrem Wahlkampf gegen „Washington“ hetzten, den Kongress als Abgeordnete nun mit systematischer Blockade-Politik so unpopulär machen, wie nie zuvor in der Geschichte.

Wir könnten sagen: Jedes Volk hat die Politiker, die es verdient. Wir könnten staunen. wie diese gewählten Männer und Frauen dem Rest der Welt Lektionen über die richtige Politik, die richtige Wirtschaft und über Krieg und Frieden erteilen, zugleich aber in ihrer eigenen Hauptstadt unfähig sind, Routineaufgaben zu erledigen.

Wie wenige Dutzend Tea Partier diese Regierung lahm legen, indem sie ideologisch geprägte Bedingungen für die Bewilligung eines Haushalt stellen, und dafür, ihrer Regierung das Recht für die Aufnahme von Krediten am Kapitalmarkt zu gewähren. Wir könnten uns wundern, dass die angeblich „moderate“ Spitze der Republikanischen Partei ihren radikal Rechten folgt. Und wir könnten darüber fachsimpeln, dass die Institutionen der USA nicht mehr adäquat funktionieren; dass der Kongress, mit seinen lediglich zwei Parteien, nicht einmal annähernd die Meinungsvielfalt im Land spiegelt.

Die Tea Partier, die Washington vor sich hertreiben, vertreten Positionen, die fast überall außerhalb der USA als obskurantistisch gelten: Sie leugnen, dass der Klimawandel menschengemacht ist, sie bestreiten die Evolution, sie bekämpfen Umweltauflagen, sie nennen eine zaghafte Gesundheitsreform das „Schlimmste seit der Sklaverei“ und sie stemmen sich gegen die staatliche Unterstützung von sozial Schwachen. Wobei es natürlich kein Zufall ist, dass die meisten Tea Partier weiß und Mittelschichtler sind und dass viele Nutznießer der von ihnen bekämpften sozialstaatlichen Leistungen Latinos oder Afroamerikaner sind.

Wir könnten das Ganze als Rückzugsgefecht von Repräsentanten einer vergangenen Welt betrachten, die in ihrem eigenen Land bald „ihre“ Bevölkerungsmehrheit verlieren werden. Oder als Ausdruck der tiefsten US-amerikanischen Provinz auf der obersten Ebene. Es könnte absurdes Theater sein.

Aber es ist kein Theater. Es ist ernst. Die hausgemachte Krise in Washington wird weitreichende Konsequenzen haben, selbst wenn an den Börsen noch keine Panik zu spüren ist. Wir wissen längst, dass selbst im günstigsten Fall am Ende dieser Krise keine Lösung, sondern nur Stückwerk und eine Verschiebung des Problems zu erwarten ist.

Wenige Stunden bevor die Zahlungsunfähigkeit der USA inklusive einer internationale Schockwelle droht, gibt es in Washington zumindest zwei Gewissheiten: Das aktuelle Chaos wurde mutwillig, aus ideologischer Verbrämung heraus ausgelöst. Und es wird wieder passieren. Vielleicht schon vor dem Jahresende. Vielleicht erst ein paar Wochen später.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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5 Kommentare

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  • S
    Sören

    Die Tea Party ist ein großes Problem für das politische System. Sowohl die Verabschiedung eines Haushalts als auch die Anhebung des Schulden-Limits sollten eine Routine-Angelegenheit sein. Früher war das auch kein Problem, weil die gemäßigten Teile der beiden Parteien kooperiert haben. Aber die Tea Party nimmt die Republikaner in Geiselhaft, und benutzt das Wort "Kompromiss" als Schimpfwort. Und gemäßigte Republikaner haben Angst vor den Vorwahlen, die sie überstehen müssen.

     

    Auch wenn das Thema Schulden eine Art Obsession für viele Deutsche - mittlweile mit pathologischen Zügen - ist, ist das nicht das Kern-Problem. Ursache der Probleme ist die "squeezed middle", also die Mittelschicht, die seit 30 Jahren mit sinkenden oder stagnierenden Löhnen kämpft. Dazu kommen die ständig steigenden Kosten, etwa für Versicherungen, Energie oder Ausbildung. Es geht um eine Krise des Lebenstandards, vor dem sich diese Mittelschicht mit Recht fürchtet.

     

    Die Tea Party ist ein Kanal für diese Sorgen. Um die Probleme der USA in den Griff zu bekommen, muss man diese Krise der Mittelschicht lösen. Wenn der Lebensstandard steigt, die Perspektiven sich verbessern und die Leute den typischen Optimismus wieder erlangen (und Geld ausgeben), sind die Grundlagen gelegt, die Staatsfinanzen zu sanieren. Die kruden Rezepte der Rechten - ein kleiner Staat und freie Märkte - wären dabei die völlig falschen Rezepte.

  • X
    Xanthippe

    Ich verstehe den Kommentar von Frau Hahn nicht.

    Nicht, dass ich irgendwelche Sympathien mit der Teaparty hätte, aber die Anhebung der Schuldengrenze, diese ganze aus dem Ruder gelaufene US-Schuldenpolitik als "Routineaufgabe" zu bezeichen, finde ich etwas haarsträubend.

    Es geht doch um nichts geringeres, als ein offensichtlich marodes System noch mal für ein paar Monate mehr am Leben zu erhalten. Und dann nochmal und nochmal...

    Bis - ja bis es einfach irgendwie nicht mehr geht. DASS dieser Punkt kommt, ist doch wohl offensichtlich, oder?

    Und vielleicht ist dieser Punkt ja tatsächlich JETZT da. Dass eine scheinbar triviale Borniertheit einer verbohrten Minderheit die Ursache ist, finde ich, je länger ich darüber nachdenke, umso plausibler.

    Jedenfalls sehe ich keinen Grund, diesem System irgendwie hinterherzutrauern. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Je später es kracht, desto schlimmer wird es wohl werden.

  • G
    Gustav

    Die forcierte Einwanderung

    der Lateinamerikaner geht auch

    zu Lasten der Jobs von Afroamerikanern und der Weißen

    Working Poor-Klasse.

    Affirmative Action war Rassismus

    mit umgekehrten Vorzeichen.

    Keine Partei ist wirklich hundertprozentig konsistent.

    Das ist kein Alleinstellungsmerkmal der Republikaner. Die Ghettoisierung

    der Klassen katalysiert

    die unkontrollierbaren Subkulturen der Mafia und bringt

    vermehrt superreiche Gangster hervor und arme Gangster, Junkies und Langzeitarbeitslose.

    Der Druck auf die Arbeitenden

    ist superimmens, ihre Reproduktion eher verhalten

    im Vergleich zu den Ghettokarrieren oder den Reichen. Ihr Stimmgewicht nimmt

    mit der Zuwanderung immer mehr ab. So kann man alle Verlierer

    der eigenen demokratischen Politik bedeutungslos machen.

    Der Reichtum an Bodenschätzen wird durch die gallopierenden Staatsschulden zum Billigsttarif

    an die Gläubiger verhökert.

    Die Schulden sind zu hoch, um

    dem Staat wirklich am Ölboom profitieren lassen zu können.

    Ein Reset eines zahlungsfähigen

    durch Öl reichen Amerikas ist besser, als ein von der Atommüll, Atomgau, Ölmafia, Drogenmafia verwüstetes Land!

    Hochverschuldete Staaten sind auch viel gefährlicher.

    Ein weltweiter Schuldenschnitt auf 40% des Bruttoinlandsprodukts auf 80%

    der Realwirtschaftsschulden

    (physisch erbrachte Leistungen

    materieller Güter und Software

    Filme) wäre richtig.

    Ein weiter so, ist dumm.

    Es wird Zeit NICHT für einen Staatsbankrott, aber für einen geordneten Kommunenbankrott

    hunderter Städte und Dörfer

    und einen Schuldenschnitt auf 40% des BIP!!!

  • Die Standpünkte der amerikanischen Konservativen sind vor allem widersprüchlich. Sie wollen mehr und weniger Staat gleichzeitig. Sie wollen mehr und auch weniger Freiheit. Sie preisen die Bereitschaft zur Arbeit und verdammen viele, die in die USA kommen, um zu arbeiten. Sie verdammen die Bürokraten und diejenigen, die ohne Papiere ins Land kommen. Diese Liste kann man fortsetzen. Ihnen rationale Argumente vorzutragen ist vollkommen sinnlos.

  • G
    Gast

    Kapitalismus töten - WWK jetzt!