Kommentar Schweizer Spionage: Aufklärung nicht zu erwarten
Jahrzehntelang versteckten Schweizer Banken Vermögen aus dem Ausland. Einsicht in das frühere kriminelle Verhalten fehlt bis heute.
D ie Schweiz hält sich für einen Rechtsstaat. Doch das stimmt nur mit Einschränkungen. Die Affäre um die illegale Spionagetätigkeit des Schweizer Bundesnachrichtendienstes (NDB) in Deutschland zeigt einmal mehr: Wenn es – zumal im Konflikt mit dem Ausland – um die Sicherung wirtschaftlicher und finanzieller Vorteile für Schweizer Banken und Unternehmen geht, sind Schweizer PolitikerInnen auch illegale Mittel recht.
Zur Erinnerung: Das kriminelle Ursprungsdelikt, das die aktuelle Affäre ausgelöst hat, ist die von der eidgenössischen Regierung, Behörden, Banken und Vermögensverwaltern seit dem Zweiten Weltkrieg nicht nur gedeckte, sondern aktiv geförderte Steuerflucht in die Alpenrepublik. Nicht nur Diktatoren aus Afrika, Asien und Lateinamerika versteckten die ihren Völkern geraubten Gelder auf Schweizer Geheimkonten, sondern auch Zehntausende Steuerflüchtlinge aus europäischen Nachbarstaaten der Schweiz.
Allein aus Deutschland lagen vor 15 Jahren noch über 150 Milliarden unversteuerte Euro bei eidgenössischen Geldinstituten. Allen Versuchen, diesen massiven Raub ausländischer Steuergelder durch die Schweiz mittels zwischenstaatlicher Abkommen – bilateral oder multilateral im Rahmen der OECD – zu beenden, widersetzte sich die Regierung in Bern jahrzehntelang beharrlich. Beendet wurde dieser schwere Raub erst, nachdem deutsche Finanzbehörden CDs mit den Daten von Steuerflüchtigen angekauft und ausgewertet hatten – eine völlig legitime Notwehrmaßnahme.
Doch die Einsicht in das frühere kriminelle Verhalten fehlt in Bern bis heute: Für den Einsatz der NDB-Spione in Deutschland, der auch nach Schweizer Recht illegal war, war die Regierung in Bern verantwortlich. Eine Aufklärung durch das Parlament in dessen für den NDB zuständiger Kommission, in der die Reaktion aus Deutschland bereits als „Berliner Wahlkampfgetöse“ abgetan wurde, ist kaum zu erwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich