piwik no script img

Kommentar Schwarz-Grün in HessenDie Flughafen-Frage

Kommentar von Martin Reeh

Ohne den Frankfurter Flughafen läuft kaum etwas im Rhein-Main-Gebiet. Deshalb wird die CDU allenfalls kosmetische Zugeständnisse machen.

Unüberhörbarer Wirtschaftsfaktor: Flugzeug über Frankfurt. Bild: dpa

E s ist eine unwahrscheinliche Koalition, die sich jetzt in Hessen anbahnt: die Erben der nationalkonservativen CDU-Stahlhelmfraktion um Alfred Dregger regieren mit den grünen Erben des Frankfurter Revolutionären Kampfs um Joschka Fischer. Aber sie ist nicht unwahrscheinlicher als die erste rot-grüne Landesregierung 1985. Damals wurde Fischer Minister unter einem SPD-Ministerpräsidenten Holger Börner, der noch wenige Jahre zuvor die Dachlatte gegen Anti-Startbahn-West-Demonstranten empfahl.

Nirgendwo sonst in Deutschland, von der Frontstadt Westberlin einmal abgesehen, wurden die ideologischen Kämpfe des 20. Jahrhunderts auf Landesebene so erbittert ausgefochten wie in Hessen. Dass Schwarz-Grün heute möglich scheint, liegt vor allem an zwei Gründen: Erstens haben Rot-Grün in Wiesbaden und die Merkel’sche Energiewende den Streitpunkt Atomkraft abgeräumt. Zweitens hat die CDU nach Roland Kochs Niederlage 2008 mit dem Abschied von einer harten Position in der Migrationspolitik begonnen.

Bleibt der Streitpunkt Flughafen. Während die Grünen in Hessen das Nachflugverbot ausbauen wollen, will die CDU den Flughafen erweitern. Was das Bekenntnis zum Kohleabbau für die NRW-Grünen ist, scheint das Bekenntnis zum Frankfurter Flughafen für die hessischen Grünen zu sein: das Stöckchen, über das sie springen müssen, wenn sie auf Landesebene mit SPD und/oder CDU koalieren wollen. Allerdings ist das Bekenntnis der Kraft-SPD zur Kohle vor allem ideologisch und nostalgisch motiviert, der Frankfurter Flughafen dagegen ist ein Wirtschaftsfaktor, ohne den in Rhein-Main nichts mehr geht.

SPD und CDU haben die hessische Wirtschaft an den Flughafen gebunden. Mehr als ein paar kosmetische Zugeständnisse an die Grünen sind daher kaum zu erwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "Der Flughafen ist ein Wirtschaftsfaktor, ohne den nichts mehr geht."

     

    Schade, dass auch die taz auf diesen Zug aufspringt. Es geht nicht darum, den Flughafen komplett abzuschaffen, sondern auf ein Maß zu deckeln, das für die Region zu ertragen ist. Denn der Flughafen ist schon lange nicht mehr der Herzmuskel sondern das Krebsgeschwür von Rhein-Main.

    Fakten dazu: http://www.fluglaerm-mainz.info/das-maerchen-vom-herzmuskel-der-region.html

  • D
    Daniel

    "Erstens haben Rot-Grün in Wiesbaden und die Merkel’sche Energiewende den Streitpunkt Atomkraft abgeräumt. Zweitens hat die CDU nach Roland Kochs Niederlage 2008 mit dem Abschied von einer harten Position in der Migrationspolitik begonnen."

     

    Und drittens und viertens finden die Grünen Abschiebungen mittlerweile auch ganz okay und Kriege und Kapitalismus auch nicht mehr so besonders schlimm.