Gut, dass es eine neue Schutzhülle für Tschernobyl gibt. Schlecht nur, dass die Gefahren der Atomkraft noch immer vielerorts ignoriert werden.
Die neue Schutzhülle für die Atomruine Tschernobyl
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dpa
Natürlich ist es zunächst eine gute Nachricht, dass die Atomruine in Tschernobyl in Zukunft besser geschützt ist. Die neue stählerne Hülle verhindert die Freisetzung von radioaktivem Material und schafft die Voraussetzung für die Demontage des alten Beton-Sarkophags und des havarierten Reaktors. Dass die Weltgemeinschaft mit viel Geld, Expertise und politischem Druck für die Fertigstellung des gewaltigen Bauwerks gesorgt hat, war darum absolut richtig.
Zugleich erinnert der lange Kampf um die neue Schutzhülle aber auch daran, was energiepolitisch bis heute falsch läuft. Es brauchte eine internationale Kooperation, um mehr als 30 Jahre nach dem Super-GAU für über zwei Milliarden Euro einen provisorischen Schutz vor der strahlenden Gefahr zu schaffen. Eine dauerhafte Lösung ist weiter nicht in Sicht.
Das zeigt, wie unbeherrschbar die Atomkraft bis heute ist. Doch die richtigen Konsequenzen wurden daraus nicht überall gezogen. Selbst in der Ukraine, die bis heute unter den Folgen der Katastrophe leidet, ist man nicht aus Schaden klug geworden, sondern setzt noch immer auf die gefährliche Technik.
Die EU sollte im Gegenzug für die weiterhin notwendige Unterstützung zur Bewältigung der Tschernobyl-Folgen darauf dringen, dass die noch laufenden Reaktoren keine Laufzeitverlängerung bekommen, sondern endlich abgeschaltet werden.
Und auch andere Staaten haben aus den riesigen Problemen in der Ukraine nichts gelernt. Dabei ist völlig klar: Wenn ein europäisches Land mit den Folgen einer Reaktorkatastrophe dermaßen überfordert ist, wäre es anderswo mindestens genauso dramatisch.
Tschernobyl und die Folgen
Am 26. April 1986 um 1.23 Uhr nachts unterläuft Mitarbeitern des Atomkraftwerks Tschernobyl ein Fehler bei einer Routinesicherheitsprüfung – es kommt zur Explosion in Block 4. Dreißig Jahre ist das nun her. Ein Zeitraum, in dem viele Fotografen und Fotografinnen die verstrahlten Regionen der Ukraine und Weißrusslands besuchten.
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Gerd Ludwig/National Geographic Creative
Einer von ihnen ist Gerd Ludwig. Neun Mal reist er von 1993 bis 2013 in die Gebiete – auch in die Sperrzone um das AKW Tschernobyl, wo er als erster deutscher Fotograf den Reaktorraum aufnimmt. Nur 15 Minuten lang dürfen sich Arbeiter dort noch aufhalten.
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Gerd Ludwig/National Geographic Creative
2005 trifft der Fotograf Oleg, 54, und Dima, 13, in einem Krankenhaus in Minsk. Beide leiden an Schilddrüsenkrebs. Als Liquidator der Katastrophe war Oleg hoher Strahlung ausgesetzt. Dimas Mutter macht den radioaktiven Niederschlag für den Krebs ihres Sohnes verantwortlich. Die Ärzte sind vorsichtiger: Die weißrussische Regierung hört so etwas nicht gerne.
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Gerd Ludwig/National Geographic Creative
Doch Statistiken zeigen eindeutig: Krebs und weitere physische Beinträchtigungen kommen in den betroffenen Gebieten häufiger vor. Auch der fünfjährige Igor leidet an körperlichen Folgeerscheinungen. Isoliert verbringt er – als ihn Ludwig 2005 fotografiert – die meiste Zeit hinter einer Gardine in einem Kinderheim.
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Gerd Ludwig/National Geographic Creative
Die im Zentrum der Sperrzone liegende Stadt Prypjat im Jahr 2005. Einst lebten dort 49.360 Menschen, heute kehrt die Natur zurück: Wölfe streifen durch die Straßen und Bäume schauen aus gefließten Böden, wie hier in einer von Ludwig fotografierten ehemaligen Schule. Experten schätzen, dass die Stadt noch 300 Jahre weiterstrahlt.
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Gerd Ludwig/National Geographic Creative
Auch der russische Fotograf Andrej Krementschouk besuchte Prypjat. Das Riesenrad gehört zu einem Rummelplatz. Im Mai 1986 hätte dieser eröffnet werden sollen, wozu es wegen der Nuklearkatastrophe nicht mehr kam. Krementschouk hat von 2008 bis 2012 in der Nähe der Sperrzone fotografiert. Er erzählt, was er dort sah.
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Andrej Krementschouk/Kehrer Verlag
„Das ist eine Sporthalle im Zentrum von Prypjat ...
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Andrej Krementschouk/Kehrer Verlag
... dies sind einige der wenigen Räume, die kaum verändert und neu inszeniert wurden.“
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Andrej Krementschouk/Kehrer Verlag
„Eigentlich habe ich den Vater begleitet – der Methadon-abhängige Mann lebte 100 Meter von der Sperrzone entfernt. Doch die Art und Weise, wie seine Tochter an diesem surrealen Ort verloren auf den Computer schaut, war absurd und märchenhaft zugleich. Es ist eines meiner Lieblingsbilder“.
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Andrej Krementschouk/Kehrer Verlag
„Das war in Rudnja in Weißrussland, in einem benachtbarten Ort der Tschernobylzone. Eigentlich war ich müde und wollte an dem Tag nicht mehr fotografieren. Der Junge sah meine Kamera, machte sich für das Bild bereit und wartete einfach solange bis ich es doch für ihn machte.“
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Andrej Krementschouk/Kehrer Verlag
„Katja lebt in der Sperrzone – in einem kleinen, verlassenen Dorf. 10 Jahre wartete sie dort auf ihren Mann, der im Gefängnis saß. Heute wohnen sie gemeinsam im verstrahlten Gebiet.“ Andrej Krementschouks Bilder sind in den Fotobänden „Chernobyl Zone I“ und „Chernobyl Zone II“ erschienen. Gerd Ludwigs Bilder erschienen im Fotoband „Der lange Schatten von Tschernobyl“ in der Edition Lammerhuber.
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Andrej Krementschouk
Doch auch wenn die Gefahren der Atomkraft noch immer vielerorts ignoriert werden, sind ihre Zukunftsaussichten schlecht. Denn angesichts der sinkenden Kosten erneuerbarer Energien sind neue AKWs schlicht nicht mehr wirtschaftlich. Weitere Schutzhüllen bleiben der Welt darum hoffentlich erspart.
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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.
Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
Seitdem in der Sperrzone keine Menschen mehr leben, haben sich andere Lebewesen ihr "Paradies" zurück erobert. So gesehen ist das, was in Tschernobyl passiert ist, gar nicht so schlimm und vielleicht sogar fair und gut für die Umwelt. Für einzelne Individuen ist es natürlich eine Katastrophe.
mr. tannhuber, kennen sie eigentlich die geschichte von adolf hitler und der autobahn?
1G
1714 (Profil gelöscht)
Die Atomlobby wird die bestens gespannten Netze nie und nimmer aufgeben. Bei Milliradengewinnen und nahezu ohne wirtschaftliches Risiko wären die aus ihrer Sicht blöd, wenn sie's anders handhaben würden. Die Regierungen sind allesamt (!) korrumpiert und jeder hofft, dass es schon gutgehen wird - zumindest so lange, wie man selbst in Verantwortung ist. Aus genau diesem Grunde sind solche höchst gefährlichen Schrottreaktoren wie Tihange, Fessenheim & Co. weiter in Betrieb. Die Politik schaut zu und hofft. Wenn die Bevölkerungen die Dinge nicht selbst in die Hand nehmen, werden wir sehr zeitnah zu den Begriffen Tschernobyl und Fukushima den Namen Tihange o.ä. hinzufügen müssen - sofern wir das dann noch können...
3G
32795 (Profil gelöscht)
"Weitere Schutzhüllen bleiben der Welt darum hoffentlich erspart."
Wohl eher nicht, 65 Atomkraftweke sind im Bau und über 100 geplant...
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