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Kommentar Schutz von ProstituiertenEntmündigung per Gesetz

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Der Bundestag will Prostituierte schützen, indem er sie stärker kontrolliert. Doch damit schafft er neue Möglichkeiten zur Erpressung.

Die Nichtgreifbarkeit kann für Prostituierte sowohl Schutz als auch Gefahr bedeuten Foto: dpa

E s ist ein merkwürdiges Gesetz geworden, das Prostituiertenschutzgesetz, das gestern im Bundestag verabschiedet wurde. Sein Ziel laut Titel: Schutz der Prostituierten. Sein Mittel: Kontrolle. Und zwar nicht nur eine sinnvolle Kontrolle der Bordellbetriebe, bei denen die Gefahr besteht, dass sie Prostituierte ausbeuten. Sondern auch Kontrolle der Prostituierten selbst. Sie müssen sich regelmäßig bei den Kommunen anmelden und ein verpflichtendes Beratungsgespräch über sich ergehen lassen.

Und das ist schon merkwürdig. Denn ein Zwang zur Untersuchung ist ein großer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Menschen. Geht die Prostituierte nicht hin, holt sie die Polizei. Jeder Mensch kann ärztliche Untersuchungen ablehnen, solange er nicht entmündigt ist. Nur die Prostituierte nicht. Sie wird hier per Gesetz entmündigt. Freiwillige Angebote seien ohnehin hilfreicher, heißt es aus den Gesundheitsämtern. Sie wurden nicht gehört.

Auch die Meldepflicht ist problematisch. So eine Meldebescheinigung kann pure Macht für den bedeuten, der sie in die Finger bekommt. Etwa ein Menschenhändler. Der kann von ihm zur Prostitution gezwungene Frauen und Mädchen, etwa aus Osteuropa, zunächst zur Anmeldung schicken und dann ihre Bescheinigung zur Erpressung nutzen: Wenn Du nicht tust, was ich Dir sage, dann schicke ich diesen Schein an Deine Verwandten – die in den allermeisten Fällen auf keinen Fall wissen sollen, was die Person in Deutschland tut. Auch einheimische Prostituierte können mit diesem Papier unter Druck gesetzt werden – arbeiten sie doch oft klandestin.

Genau diese Klandestinität macht es so schwierig, etwas Gutes für Prostituierte zu erreichen. Das Zwielicht, die Nichtgreifbarkeit, kann für sie sowohl Schutz als auch Gefahr bedeuten. Sie mit Polizeigewalt aus diesem Zwielicht zu zerren, ist kein guter Weg.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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4 Kommentare

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  • Nachtrag Mai 2018:

    Nun sind alle negativen Erwartungen, die man an das "Prostituiertenschutzgesetz" hatte, eingetreten:

    - nur die wenigsten Prostituierten haben sich angemeldet

    - die unangemeldeten Prostituierten wandern entweder ab in liberalere Länder oder arbeiten in der Illegalität

    - in vielen Bordellen fehlen Prostituierte, weil die da ohne Anmeldung nicht arbeiten dürfen

    - viele kleinere, von Frauen geführte, Bordellbetriebe müssen schließen, da sie die Auflagen nicht erfüllen können

    - es profitieren die Großbordelle, die Verhandlungsmacht ihrer Betreiber wird gegenüber den Prostituierten gestärkt

     

    Wenn die Prostituierten in Deutschland Glück haben wird das ProstSchG noch 2018 vom Bundesverfassungsgericht ganz oder in Teilen gekippt - es laufen mindestens zwei Verfassungsbeschwerden dagegen. Bis dahin richtet dieses faschistoide Gesetz aber noch viel Schaden an.

    Die Anmeldepflicht für Prostituierte hatte man letztmalig in der NS-Zeit.

    Das ProstSchG ist in weiten Teilen menschenfeindlich und schädlich für die Prostituierten. Es trägt größtenteils die Handschrift der CDU/CSU, die SPD dagegen war Mitläufer und hat die Prostituierten verraten.

  • Dieses Gesetz entmündigt prostituierte Frauen nicht nur, es entwürdigt sie regelrecht. Kein Wunder, bei dem nahezu 2/3-Überschuss männlicher Abgeordneter, dass dieses Gesetz eine solche Handschrift trägt.

  • Naja, aber es ist doch ein besserer Schutz auch für die Freier, wenn sich die Prostituierten untersuchen lassen müssen. Somit macht es doch insgesamt das ganze Gewerbe sicherer und noch seriöser. Ich verstehe nicht, warum gerade dieser Punkt auf Kritik stößt.

    Menschen die Personen befördern oder mit Lebensmitteln zu tun haben müssen sich ja auch regelmäßig Untersuchungen entziehen, weil sie das Leben ihrer Kunden gefährden könnten.

    • @Nobodys Hero:

      Naja,

      warum müssen sich die Freier nicht untersuchen lassen?

      Oder kann man Kauf-Sex ohne Kondom wirkungsvoll unterbinden?

       

      Der Autorin geht es nebenbei auch nur um die Umsetzung. Das Untersuchungen sinnvoll sind, steht wohl außer Frage.