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Kommentar Schirmloses GriechenlandHoffen auf neue Spielräume

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Griechenland darf endlich den von Europa auferlegten Rettungsschirm verlassen. Entscheidend wird, ob die Gläubiger der Regierung freie Hand lassen.

Ende Mai in Athen: Ein Demonstrant ruft bei einer Protestaktion Parolen gegen Europas Spardiktat Foto: dpa

E ndlich: Griechenland wird am 20. August den „Rettungsschirm“ verlassen, den europäische Institutionen und andere aufgespannt haben. Die linke Syriza-Regierung wird erstmals seit ihrer Wahl im Jahr 2015 einen kleinen Spielraum gewinnen. Sie kann möglicherweise die Reformvorhaben umsetzen, für die sie gewählt worden ist. Die entscheidende Frage ist jetzt: Werden die Gläubiger, also vor allem die Regierungen der Euroländer, ihr freie Hand lassen? Oder setzen sie ihren erpresserischen Kurs fort und zwingen dem Land weiterhin brachiale Kürzungen auf?

Drastische Sparprogramme haben die Krise, in der sich das Land seit 2010 befindet, enorm verstärkt. Dass in Griechenland antieuropäische Populisten keine Massenbewegung in Gang setzen konnten, ist der Syriza-Regierung zu verdanken. Ihre Vertreter haben den Kurs der Gläubiger stets als falsch zurückgewiesen und sind ihm mit der Haltung eines Erpressungsopfers gefolgt – und zwar ohne in antieuropäische Ressentiments zu verfallen. Im Gegenteil, die griechische Regierung setzt nach wie vor auf Europa. Respekt!

Denn es ist keine drei Jahre her, da wollte der damalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble Griechenland aus dem Euro mobben. Mit seinem unerbittlichen Sparkurs und markigen Sprüchen hat er Griechenland schwer geschadet. Und en passant die Solidarität in der Europäischen Union unterhöhlt. Eine Folge ist der Brexit, eine andere das weitere Erstarken der extrem Rechten.

Das Beispiel Griechenland zeigt: Die EU-Mitglieder brauchen mehr, nicht weniger Solidarität untereinander. Das heißt auch, endlich einen Schuldenschnitt vorzunehmen. Die Euroländer haben jetzt die Chance, ihre Fehler wenigstens partiell zu heilen. Sie müssen Griechenlands neuen Weg so weit unterstützen, wie es nur möglich ist, mit Fördergeldern aus der EU, aber auch bilateralen Programmen. Vor allem Deutschlands Regierung hat eine Menge gutzumachen an Griechenland – und an Europa.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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6 Kommentare

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  • Die meisten Medien-Kommentare und auch vermeintliche Wirtschaftskenner im Taz-Blog über Griechenland sind einfach nur Gaga und verlogen. Während immer mehr Menschen in Griechenland zu Hungerlöhnen arbeiten - eine Freundin rackert in einem Papierwarenladen für gerade mal 500 Euro - Vollzeit mit Überstunden wohlgemerkt - salbadert Tzipras von Wirtschaftsaufschwung und sinkender Arbeitslosigkeit. 1. die meisten neuen Jobs sind schlechtbezahlte Dienstleistungen - gerade Toruismus ist da ein übles Beispiel. Ist die Saison vorbei: Arbeitslos 2. Die sinkende Arbeitslosigkeit beruht nicht zuletzt auf der massiven Auswanderung gerade junger und qualifizierter Menschen ins Ausland. 3. Die tollen Investitionen aus dem Ausland - Fraport kauft die großen Flughäfen, die Risiken bei einer Pleite trägt der Staat. Merke: Mit ähnlichen Erzählungen über das deutsche 'Jobwunder' wird bemäntelt, dass es größtenteils auf prekären Dienstleistungsjobs ohne Tarifvertrag basiert. Derzeit reisen Teams unserer Krankenhäuser und Altenheime durch den Balkan, um billige Pflegesklaven für unser Sozialsystem zu heuern - und wer pflegt die Menschen da unten? Is ja egal, hautpsache wir müssen nix abgeben und bestellen weiter bei AMAZON.

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Der Brexit und das weitere Erstarken der extrem Rechten - alles eine Folgen der markigen Sprüche Schäubles? Sind Sie sicher, Frau K., dass Schäuble nicht auch am Untergang der Titanic irgendwelche Schuld hat?

    Der*ie Go*ött*in der Monokausalität segne solche einfachen Denkmuster!

  • Niemand hat Griechenland etwas aufgezwungen.

    Die EU beziehungsweise Länder wie Deutschland haben Kredite angeboten und dafür bestimmte Bedingungen festgesetzt wie es bei jeder Kreditvergabe der Fall ist. Niemand hat die Griechen mit Panzern an der Grenze dazu gezwungen diese Kredite anzunehmen. Sie hätten sich auch weiterhin Geld auf dem freien Markt leihen können. Dort wären die Zinsen nur um ein vielfaches Höher gewesen In meinen Augen haben die anderen EU Länder den Griechen daher einen Gefallen getan. Jeder den Griechen erlassene Euro ist ein Euro den die anderen Länder verlieren. Warum sollte irgendjemand dem zustimmen? Jede Regierung die einen entsprechenden Schuldenschnitt zulässt braucht zur nächsten Wahl gar nicht mehr anzutreten.

    • @Lain Lainsen:

      "Niemand hat die Griechen mit Panzern an der Grenze dazu gezwungen, diese Kredite aufzunehmen". Stimmt. Viel eher hat beispielsweise Deutschland die Griechen durch die Androhung des Entzugs von Importen dazu gezwungen, Deutsche Kredite aufzunehmen um deutsche Waffen zu kaufen. Die wirtschaftliche Misere Griechenlands ist mitunter auch die Schuld Deutschlands. Deutschlands, das im zweiten Weltkrieg gewaltige Rohstoffmengen, jede Menge Menschenleben und im Grunde die gesamte Industrie Griechenlands gestohlen hat. Nur um bereits wenige Jahre nach Kriegsende den Griechen schon wieder wirtschaftliche Diktate zu stellen. Und mit erwiesener Korruption im großen Stil die wirtschaftlich-bürokratische Führungsschicht Griechenlands zu erodieren.

      Und von was für Gefallen reden Sie da? Sie glauben in wirtschaftlichen Dingen an Gefallen? Vielleicht auch an Frau Holle und den Osterhasen? Griechenland konnte nicht anders, als diese "Gefallen" anzunehmen. Das haben sich die "Geberländer", insbesondere die BRD, natürlich versilbern lassen. Etwa durch die Bedingung des völligen Ausverkaufs ("Privatisierung") wirtschaftlicher Infrastruktur, wie aller rentablen (und nur jener!) Flughäfen und Seehäfen zu haarsträubenden Konditionen.

       

      Ich bin ja fast gewillt, mir einen Aluhut zu falten, wenn ich darüber nachdenke, warum Deutschland damals nie gegen die Aufnahme Griechenlands opponiert hat, obwohl allen Fachleuten klar gewesen sein muss, dass die griechischen Bilanzen nur absurd geschönt sein können...

  • Spielraum? Wie stellt sich die Wirtschaftsredakteurin das vor?

    Also ich würde Griechenland kein Geld leihen um wieder über seine Verhältnisse zu leben.

    • @notsocommon:

      Jedem das Seine: Wohlstand für dich und Armut für den Rest.