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Kommentar SPD in KoalitionsgesprächenBauchschmerzen

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Ein Gespräch auf Augenhöhe wird das nicht mehr: Die Sozialdemokraten gehen schlecht präpariert in die Prüfung namens „Koalitionsverhandlung“.

Unwohlsein vor Willy Brandts Statue: Sigmar Gabriel sieht nicht wie ein frohgemuter Verhandlungspartner aus Bild: reuters

J edes Schulkind kennt, was die SPD nun fühlt: Bauchschmerzen. So wie sich Kinder nach mäßiger Vorbereitung auf den Weg zur Matheprüfung machen, so flau mag der SPD-Verhandlungstruppe zumute sein, wenn sie am Mittwoch erstmals auf die Unions-Mannschaft trifft.

Denn schon jetzt ist klar: ein Gespräch auf Augenhöhe wird das nicht mehr. Kann es gar nicht mehr werden. Die SPD hat in den vergangenen vier Wochen viel dafür getan, sich für die ungeliebte schwarz-rote Koalition aufzumuskeln. Sie hat sehr laut ihre Forderungen nach Mindestlohn, gerechter Rente und Bildung wiederholt. Und besonders nachdrücklich hat sie erklärt, dies alles sei nur mit höheren Steuern zu finanzieren.

Nach dem Konvent vom Sonntag aber sieht die Sache anders aus. Denn von Steuererhöhungen ist nun nicht mehr die Rede. Parteichef Sigmar Gabriel sagte nach dem Konvent, das Thema werde man mit der Union „auf der Basis des Wahlprogramms verhandeln“. Vergleichbar dem Kind in der Schule, wird es aber für die Bewertung des SPD-Verhandlungsergebnisses nicht reichen, wenn hinterher gesagt wird, man habe eigentlich alles gewusst, es aber im Moment der Prüfung nicht parat gehabt. Das Ergebnis zählt. Die Herleitung ist höchstens zweitrangig.

Und wie bessere Renten, mehr Bildung, neue Straßen und Brücken bezahlt werden sollen, ist schlicht eine Frage der staatlichen Finanzen. Es könnte der SPD im Laufe der Legislatur auf die Füße fallen, wenn sie in dieser Frage jetzt einknickt. Wieder würde sie es sein, die solide finanzierte Arbeits- und Sozialpolitik versprochen hat.

Dass dieses Land keineswegs, wie von Bundesfinanzminister Schäuble erklärt, über reichlich Steuereinnahmen verfügt, weiß jeder, der mal eine kaputte Schultoilette gesehen hat und vom Lehrer seines Kindes um Spenden für deren Sanierung angebettelt wurde. Vor diesem Hintergrund sollte sich die SPD fragen, ob das Amt des Finanzministers tatsächlich so erstrebenswert wäre. Denn wer will schon gegen seine Überzeugung einen Koalitionsvertrag unterzeichnen, in dem von Steuererhöhungen keine Rede ist, um sie irgendwann doch durchsetzen zu müssen.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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18 Kommentare

 / 
  • B
    Beobachter

    @ERNESTELLERT

    Zu den Umfragen: Natürlich kann man durch geeignete Fragestellung die Umfragergebnisse schon erheblich beeinflussen. Noch gravierender ist aber die Auswahl der zu Fragenden: Von den beiden Umfragen ist eine eine halbwegs seriöse Umdfrage, die andere eine reine Online-Klick-Umfrage, Offenbar ist es also so, dass klickfreudige Internetnutzer eher gegen, die allgemeine Bevölkerung aber eher für eine Grosse Koalition ist.

  • Die Union spielt sich doch hier nur als Steuerbremser auf, damit sie hinterher so tun kann, als wäre die SPD schuld, wenn die "Eurorettung" höhere Abgaben erfordert. Tatsächlich ist die sogenannte "Eurorettung" ja nichts anderes als Bankensanierung auf Kosten der Steuerzahler. Den Menschen in Griechenland schadet man damit nur langfristig und gleichzeitig fordert man auch noch Dankbarkeit von Ihnen ein. Bei dieser Form von Abzockerei ist die Union wirklich unschlagbar. Die SPD sollte sich auf solche Spielchen gar nicht erst einlassen, sonst hat sie endgültig verloren.

  • PD
    Prostitution der SPD beenden

    Zu: @ ...

     

    "Die Reichen zahlen" keine Steuer!

     

    Die "Steuer der Reichen" ist ein Ergebnis der Wert- und (vor allem) Mehrwertschöpfung der differenziert werktätigen Bevölkerung.

     

    Organisation und Planung, Produktion und Warenabsatz, Umsatz und Gewinn, Profit und Dividende, sind vor allem ein Ergebnis der kapitalistischen (privaten) Aneignung, - aus der differenziert, technisch-wissenschaftlichen und produktiven Arbeit der Werktätigen [Lohn-, Gehalts-, Vergütungsabhängigen]. Ein Arbeitsergebnis der werktätigen Frauen und Männer - im differenzierten Wertschöpfungsprozess (Anm.: reale produktive Wertschöpfung, abzüglich Reproduktionsanteile: Mehrwert, private Aneignung (Profit bzw. Dividende) etc.

     

    Die falsche Behauptung "Die Reichen bezahlen am meisten Steuern" dient zur geistigen Manipulation der Bevölkerungsmehrheit und zur Verschleierung der objektiven Tatsache: der realen Mehrwertschöpfung im differenzierten gesellschaftlichen Produktionsprozess durch die wertschöpfende Mehrheit der Bevölkerung.

     

    Heute bedarf es keiner staatlich und juristisch geschützten privaten Aneignung der Mehrwertschöpfung, - durch eine Minderheit: die BDA-Hundtsche und BDI-Quandtsche Bourgeoisie und Aktionäre -, mehr.

     

    Es bedarf der Überführung der gesellschaftlichen Produktion (der realen gesellschaftlichen Mehrwertschöpfung) in gesellschaftliches Gemeineigentum! Hierfür bedarf es keiner Finanz- und (Erbschafts-)Monopolbourgeoisie!

     

    Die Aufhebung der realen ökonomischen, ideologischen, militärischen und gesellschaftspolitischen kapitalistischen Diktatur der Finanz- und Monopolbourgeoisie [Finanz- und Monopolkapital], in Deutschland und deren Europäischen Union, ist überfällig; damit auch deren spätbürgerlichen Parteien, Regierungen und Parlamente. Dies wäre die aktuelle Aufgabe für eine tatsächliche Emanzipationsbewegung (vor allem auch der Frauen) - der großen Bevölkerungsmehrheit in Europa.

    • G
      gast
      @Prostitution der SPD beenden:

      gähn...

       

      hat ja super geklappt in den gesellschaftsordungen ohne reiche

       

      da gönne ich lieber den hundt und quandts ihre villen und lebe tausendmal besser als in jeder kommunistischen wirtschaftsform

       

      oder kann sich einer einen staat unter langfristiger leitung von trittin, nahles und gabriel vorstellen (so als politbüro)

       

      bei dem gedanken muss ich grade etwas schmunzeln, da dann die ganze absurdität von kommunistischen wirtschaftsdiktaturen und ihren heilsversprechen deutlich wird...

      • @gast:

        Ja, sie haben völlig recht...

        Die Herren Schlecker und Albrecht zB. zeigen sehr deutlich wie man sparen kann um Pleiten zu vermeiden oder soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen.

         

        Die Misserfolge Kapitalistischer Wirtschaftssysteme, von kleinen Pleiten, großen Insolvenzen und dem Zusammenbruch ganzer Volkswirtschaften kann man ja nicht dem System an sich ankreiden.

         

        ganz anders natürlich bei sozialistischen oder gar komunistischen Systemen. Die Erfolge zB. die Beherschung des Weltmarktes an Produktionsgütern durch die Chinesen (auch wenn zu inakzeptablen Preis auf Kosten der chinesischen Gesellschaft gekauft aus meiner Sicht) kann man getrost ignorieren.

        alle gegenwertigen Regierungs-/Wirtschafts-/ und Währungssysteme befinden sich am Rand des Scheiterns.

        Wachen sie auf.

  • RS
    @Reinhold Schramm

    Genau. Seit 1860 ist die Arbeiterklasse kontinuierlich verelendet. Ganz, ganz großes Kino!

    • @@Reinhold Schramm:

      Die Fragestellung für die Arbeiterklasse ist heute nur eine andere.

      Sie lautet nun: Arbeit, oder Geld?

  • S
    Sören

    Eigentlich sollte die SPD sich freuen, trotz eines so schlechten Wahlergebnisses gestalten zu können, und zumindest einen Teil ihres Programms umsetzen zu können. Wenn man durch einen Eintritt in die Regierung zumindest einige Verbesserungen für die Menschen - etwa durch Mindestlohn, in der Pflege oder bei der Rente - erreichen kann, sollte es sich gelohnt haben.

     

    Nun liegt die Staatsquote keineswegs bei "über 50%", das ist absolut falsch. Deutschland liegt bei der Abgabenlast eher im Mittelfeld. Die Länder und Kommunen brauchen mehr Geld, um ihre Ausgaben schultern zu können. Dafür sind Steuererhöhungen nicht die einzige Lösung, aber eine der Möglichkeiten. Die CSU hatte ja auch die "Regionalisierung" der Erbschaftssteuer gefordert, eventuell wäre das ein möglicher Kompromissweg.

     

    Die SPD sollte die Große Koalition nicht als Gefahr, sondern als Chance begreifen. Sie muss sich um die konkreten Probleme der Menschen kümmern, und dafür Lösungen in die Koalition einbringen. Wenn die Leute bemerken, dass die SPD einen positiven Beitrag leistet, werden sie sie dafür belohnen. Wenn aber der Eindruck entsteht, die SPD denkt nur an ihr Wohl, wird sie Probleme bekommen.

    • G
      gast
      @Sören:

      "Die Länder und Kommunen brauchen mehr Geld, um ihre Ausgaben schultern zu können."

       

      warum kommt eigentlich niemand auf die idee die ausgaben zu begrenzen und zu schauen, wie mit den begrenzten mitteln sinnvoll gewirtschaftet werden kann?

       

      ist das ein so ausserirdischer gedanke für all die kreißsaal - hörsaal - plenarsaalpolitiker?

       

      bei diesen irrwitzigen milliarden, die dieser staat an sich reißt kann doch die alternative nicht noch mehr sein!

       

      ineffizienz wo man hinsieht und dann sollen die noch mehr bekommen? nicht von mir!

  • A
    @Antares56

    Fast 2/3 der Bevölkerung sind für die GroKo, für die feuchten RRG-Träume nur eine kleine Minderheit. Im Übrigen interessiert die Leute überwiegend nicht im Mindesten, wie sich die SPD dabei fühlt und schon gar nicht das egozentrische Gejammer vieler NRW-SPDler, sondern was das kleinste Übel für das Land ist.

    • @@Antares56:

      Welches "Land" und welches "kleistes Übel" meinen Sie?

  • G
    gast

    "Dass dieses Land keineswegs, wie von Bundesfinanzminister Schäuble erklärt, über reichlich Steuereinnahmen verfügt, weiß jeder, der mal eine kaputte Schultoilette gesehen hat...."

     

    sorry, aber das ist bullshit

     

    bei einer staatsquote von über 50% in einem land, bei dem eine verschwindend kleine minderheit über 80% der direkten steuern zahlt, kann von einnahmeproblem keine rede sein.

     

    was will man denn aus den paar doofen, die den laden bezahlen denn noch rausquetschen?

     

    wir haben kein einnahmenproblem, sondern ein gravierendes ausgabenproblem

     

    so lange wie politiker jeglicher coleur milliarden zum fenster rauswerfen ist jede begründung für mehr steuern blanker hohn der politikschwätzer gegen die wenigen schaffenden

     

    mal ein paar stichworte gefällig, wo die mittel für die schultoilette geblieben sind?

     

    flughafen berlin, stuttgarter bahnhof, elbphilharmonie, nürburgring, tausende verbeamtete "gender" und was weiss ich nicht alles bürosesselflachsitzer, parteienfinanzierung, öffentlich rechtlicher rundfunk, usw., usw.

     

    und ganz besonders verhöhnend gegen jeden arbeitenden sind die umfragen (gern auch in prenzlauer berg, kreuzberg oder neukölln durchgeführt), nach denen eine mehrheit steuererhöhungen befürwortet. kunststück, wenn eine mehrheit mehr oder weniger direkt vom staat lebt und sich längst aus dessen finanzierung verabschiedet hat.

    • @gast:

      Ich stimme Ihnen teilweise zu, das Problem ist auf der Ausgabenseite und nicht auf der Einnahmeseite. Das liegt insbesondere daran, dass Ausgaben immer nur da gekürzt werden, wo man kaum starke Gegenwehr befürchten muss, also insbesondere im Sozial-, Arbeits-, Bildungs- und Kulturbereich. Für sinnlose Rüstungsprojekte ist aber zB. regelmäßig genug Geld vorhanden.

      Sie irren sich übrigens, wenn Sie glauben, man könne sich aus der Finanzierung des Staates verabschieden. Auch Hartz IV-Empfänger finanzieren diesen Staat mit - bei jedem Einkauf wird Umsatzsteuer eingezogen.

  • Die SPD sollte die Finger von einer grossen Koalition lassen (auch wenn die Parteiführung das aus Machtgründen und Machterlangung gerne hätte).

    Es würde die SPD wahrscheinlich viele Mitglieder kosten und bei der nächsten Wahl wäre man dann unter 20 Prozent!

    Aber die Parteivorderen werden versuchen die Basis irgendwie einzulullen.

  • A
    alecs

    ja, ja, die alte tante SPD, die totengräber feuen sich schon!

  • D
    Dennis

    Dämlich.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Die SPD, der "Sozialpartner" der Finanz- und Monopolbourgeoisie!

     

    Bei Brutto "8,50 Euro-Std.", da schmunzelt die Hundtsche BDA-Bourgeoisie und Siemenssche und Quandtsche Finanz- und BDI-Monopolbourgeoisie (Fam. Quandts BMW-Jahresdividende 2010: 648.000.000 Euro, - ohne persönliche Leistung und Wertschöpfung)!

     

    Demnach müssten die werktätigen, wertschöpfenden Frauen und Männer, im "Mindestlohn", bei 8,50 Euro-Std. brutto, rund 60 Jahre in Vollzeit, bis zum 76 Lebensjahr arbeiten, um eine eigenständige Armutsrente auf dem geringen Niveau der gesetzlichen Grundsicherung (analog Sozialhilfe) zu erhalten (mtl. ca. 700 Euro)!

     

    Die Verelendung der werktätigen Frauen und Männer ist das Ergebnis des Wirkens des allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation, das Karl Marx als objektives Gesetz der kapitalistischen Gesellschaft [A"Soziale Marktwirtschaft" der Finanz- und Monopolbourgeoisie] entdeckt und untersucht hat.

     

    Es charakterisiert die Tatsache, dass im Maße der Kapitalakkumulation "die Lage des Arbeiters, welches immer seine [Lohn-]Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss", dass die Akkumulation von Reichtum [siemens, Bosch, Henkel, Quandt, Springer, Mohn etc.] auf dem einen Pol zur "Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradierung auf dem Gegenpol" (Marx), d. h. beim differenziert werktätigen Arbeits-Proletariat, führen muss.

     

    Karl Marx betonte zugleich, dass dieses Gesetz "gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert" wird.

     

    Info.-Empfehlung: Das Kapital, von Karl Marx