piwik no script img

Kommentar SPD-Streit um TTIPGabriel und die Stinkbombe

Egal wie sich Sigmar Gabriel zum Freihandelsabkommen positioniert, er wird sich unbeliebt machen. Das Thema ist ein politische „Stinkbombe“.

Was tun? Das Für und Wider des Freihandelsabkommens bereitet Wirtschaftsminister Gabriel Kopfschmerzen Bild: dpa

Es gibt Themen, die sind wie Stinkbomben für Spitzenpolitiker. Es bleibt ein unangenehmer Geruch hängen – egal, wie man sich entscheidet. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel sind die Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada längst zu einem Stinkbombenthema geworden.

Eigentlich ist klar, dass Gabriel den Freihandelsabkommen nicht zustimmen darf. Das Risiko ist zu hoch – für Deutschland und für die SPD. Die Abkommen enthalten nämlich einen „Investorenschutz“: Ausländische Unternehmen können gegen einen Staat klagen, wann immer sie das Gefühl haben, dass ihre Profite gemindert werden. Dann entscheidet ein privates Schiedsgericht, das aus nur drei Anwälten besteht.

Schon diese Paralleljustiz für Großkonzerne ist bedenklich. Doch zum unkontrollierbaren Risiko wird sie, weil die Freihandelsabkommen einen eigenartigen Begriff von Eigentum und „Enteignung“ vorsehen. Es reicht bereits, dass die „legitimen Erwartungen“ eines Investors enttäuscht werden, damit er Schadensersatz fordern kann. Dieser Gummibegriff ist so vage, dass ständig Millionen- oder gar Milliardenklagen drohen könnten.

Er will nicht der Störenfried sein

Gabriel scheut den Konflikt mit Kanzlerin Merkel und seinen EU-Kollegen, weil er nicht der Störenfried sein will. Zudem hätte er von dem Streit nichts. Falls die Freihandelsabkommen gestoppt werden, würde der Sieg nämlich nicht der SPD zugerechnet, sondern Aktivisten wie Attac.

Kurzfristig denkt Gabriel taktisch richtig – und liegt langfristig trotzdem taktisch falsch. Wenn er jetzt dem Investorenschutz zustimmt, reicht eine einzige erfolgreiche Milliardenklage, um die SPD bleibend bei den Wählern zu diskreditieren. Es geht nicht darum, einen Sieg einzufahren, sondern Schaden von der Partei abzuwenden. Gabriel muss jetzt die Stinkbombe schleudern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Die sPD ist ein Auslaufmodell. Gabriel sowieso. Deshalb ist die Frage nach der Befindlichkeit der sPD völlig überflüssig, egal ob TTIP kommt oder nicht. Es dauert halt noch ein Weilchen, bis der letzte Wähler, der die soziale Marktwirtschaft will, die von cdu-csu-spd-grüne-fdp zerstört wurde und weiter zerstört wird, dies erkennt.

  • Ich würde sagen, die Stinkbombe ist in diesem Fall eindeutig Gabriel - der bei der Unterzeichnung von TIPP und CETA gegen Bürgerinteressen und im Sinne einer alles plattmachenden Wirtschaft handelt.

    Ich hoffe, die SPD kann das noch verhindern!

  • Ich hoffe, dass die angegebenen Gründe wirklich die einzigen sind, die Gabriel im Augenblick dazu bringen, sich pro-TTIP zu positionieren.

    Ganz schlimm wäre es, wenn ihm in anderer Weise Beine gemacht werden, z.B. dadurch dass ihm für die Zukunft ein lukratives Pöstchen in der Wirtschaft angeboten wird (Zuckerbrot) oder dadurch, dass ihm die Öffentlichmachung irgendeines alten von der NSA abgehörten Skandals angedroht wird.

    • @XXX:

      der Verdacht drängt sich auf.... Allerdings UND-verknüpft, denn schließlich bekommt er das Pöstchen nur, wenn er in Sachen Erpressung Stillschweigen bewahrt. Und für einen Skandal braucht die NSA nichtmal abhören. Sie kann Daten fälschen und manipulieren und niemand kann ihre Echtheit anzweifeln ...

  • "…die Freihandelsabkommen einen eigenartigen Begriff von Eigentum und „Enteignung“ vorsehen. Es reicht bereits, dass die „legitimen Erwartungen“ eines Investors enttäuscht werden, damit er Schadensersatz fordern kann. Dieser Gummibegriff ist so vage, dass ständig Millionen- oder gar Milliardenklagen drohen könnten.…"

     

    Sorry - am Begriff "Enttäuschung legitimer Erwartungen" dürfte es eher weniger liegen -

    geschätzte Frau Herrmann -

     

    den sogenannten

    "enteignungsgleichen Eingriff "

    via Art 14 GG -

    hat die Rechtsprechung auch

    mühselig - aber doch -

    nunja eingehegt.

    (von "Öffentlicher Sicherheit&Ordnung "

    dunnemals im 19.Jahrhundert bis heute

    mal gar nicht zu reden).

     

    Der Hammer liegt zunächst darin -

    daß da nicht unabhängige Richter -

    sondern - sorry -

    Kaufleute in Rechtssachen -

    vulgo Anwälte - letztinstanzlich,

    also unanfechtbar unterwegs sind.

     

    Vor der Klammer aber & der Hammer

    und damit

    mit Andreas Fischer-Lescano

    verfassungs- wie eu-rechtswidrig

    ist dieses bodenlose Ansinnen,

    weil damit

    Das demokratische Primat der Politik aus den Angeln gehoben wird.

     

    Es wäre der krönende Abschluß des imperialen Wirtschaftskreuzzuges

    der USA -

    beginnend mit dem

    "Einmarsch" seiner Kriegsflotte

    in Japan zur Öffnung für

    US-Waren;

    vielleicht schenkt ja mal jemand dochnoch Siggi-Plopp

    ein Geschichtsbuch

    - über Unitet Fruits in Südamerika -würde reichen.

    • @Lowandorder:

      Einspruch, Euer Ehren: Im Rahmen einer "Investitionsschutzklage" nach TTIP oder CETA interessiert die Definition des Begriffs "enteignungsgleicher Eingriff" in der deutschen Judikatur keine Sau mehr. Da geht es nur noch um "legitime" Erwartungen, und was "legitim" ist, bestimmen drei Winkeladvokaten der Fachrichtung "Handelsrecht".

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Das kommt davon, wenn man herumeiert und lügt. Hätte er klar Stellung bezogen im Sinne der BürgerInnen und nicht unterwürfig nach seinen Industriefreunden geschielt, dann wäre es jetzt einfacher für ihn. Und hätte er Charakter, er würde sich jetzt noch vor den Karren von Organisationen wie etwa Attac und andere spannen - zu seinem Nutzen, zum Nutzen der SPD und ---vor allem--- zum Nutzen des Volkes.

  • TTIP - das wäre das Sahnehäubschen auf der Merkel'schen "marktkonformen (sprich : Konzern gesteuerten) Demokratie" .

  • Einen wirklich guten Politiker muss mehr auszeichnen als taktisches Geschick. Zu seinem Handwerkszeug gehört auch noch ein solides Verantwortungsbewusstsein und die Fähigkeit, die Folgen seiner Entscheidungen richtig und langfristig abschätzen zu können. Nur dann kann er dem ihm gegebenen Mandat, nämlich vom Volk Schaden abzuwenden, uneingeschränkt nachkommen. Dafür wird er vom Wähler langfristig mehr an Zustimmung erhalten, als ihm kurzfristig vom Koalitionspartner zugestanden werden wird.

     

    Herr Gabriel hat sich bislang durch solches noch nicht ausgezeichnet. Spontan fallen mir dazu - ausgerechnet - nur einige Frauen von Grünen und FDP ein.