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Kommentar Russland und INF-VertragBlender unter sich

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Nach dem Ende des INF-Vertrages preisen russische Medien neue russische Wunderwaffen. Und nun? Eine andere Art von Diplomatie ist nötig.

Nicht schlecht gerüstet: Militärparade in St. Petersburg im Januar 2019 Foto: ap

S tolz berichten russische Medien am heutigen Samstag von einer neuen Waffe, die den russischen Seestreitkräften bald einsatzbereit zur Verfügung stehen werde. Mit dieser könne man feindlichen Soldaten vorübergehend das Sehvermögen nehmen. Erste Tests an Menschen hätten ergeben, dass diese neue Waffe künstliches Licht in den Augen der Betroffenen erscheinen lasse, das Halluzinationen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Verwirrung hervorrufen könne.

Nach der Aufkündigung des Rüstungskontrollvertrages INF durch die USA dürften derartige Erfolgsmeldungen der russischen Rüstungsindustrie bald an der Tagesordnung sein. Mit militaristischer Rhetorik werden die russischen Medien die eigene Aufrüstung untermalen, zu der sie Russland ja wegen Donald Trumps Entscheidung berechtigt sehen.

Nun kann auch Russland ungeniert lang gehegte militärische Wünsche umsetzen. Das Land will bei dem neuen Wettrüsten mithalten und eigene Akzente setzen. Neben der neuen optischen Waffe, die Menschen blenden kann, berichten russische Medien auch von neuen Ultraschallwaffen, gegen die die USA machtlos seien und einer geplanten Produktion eisenbahngestützter Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 5.000 Kilometern.

Putin zum INF-Vertrag

Russland will den INF-Vertrag zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen als Reaktion auf die Aufkündigung des Abkommens durch die USA aussetzen. Das kündigte der russische Präsident Wladimir Putin am Samstag einer Mitteilung des Kremls zufolge an. (dpa)

Die größtenteils staatlich kontrollierten russischen Medien werden nicht nur auf den äußeren Feind zielen. Die schon jetzt laufende Kampagne gegen unabhängige Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtler, die angeblich als ausländische Agenten in ein eigenes Register eingetragen sind, dürfte an Schärfe zunehmen.

Gewollt oder ungewollt: Mit ihrem Ausstieg aus dem INF-Vertrag stärken die USA den russischen Präsidenten Wladimir Putin in seinem Land. Nun dürften dessen Zustimmungsraten wieder nach oben schnellen.

Gerade angesichts des Versagens der Diplomatie sollten Anstrengungen einer anderen Art von Diplomatie unternommen werden. Städtepartnerschaften, Zusammenarbeit mit russischen Menschenrechtsorganisationen wie Memorial oder Umweltschützern sollten auf einer unteren Ebene ein entspannteres Klima schaffen. Und so ganz nebenbei wäre eine derartige Zusammenarbeit auch ein Schutz derer, die als angebliche ausländische Spione in Russland zunehmend kriminalisiert werden.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die üblichen Forderungen nach Appeasement gegenüber Russland. Klar, der Klügere gibt nach und so. Ich sehe es anders: sollen die doch ob ihres verlorenen Weltmachtsstatus weiter heulen, an ihren Blitzdingswaffen forschen, britische Frauen vergiften und Rechtsrextreme in ganz Europa fördern. Dann rüsten wir westliche Kapitalisten sie eben wieder so lange bankrott. Hat schon mal funktioniert. Wird wieder funktionieren und ist nebenbei gut für die Industrie.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Bulbiker:

      Sie denken, daß (Zitat): 'wir westliche Kapitalisten sie eben wieder so lange bankrott' rüsten, wie schon mal.



      So blöd sind die Russen aber nicht. Während das taumelnde Amerika sich wie ein sterbender Wal nochmal, ein letztes Mal vielleicht, auf die andere Seite dreht, werden die Russen mit sehr viel effektiveren Mitteln (als mit plumper Gewalt und Kapitalismus pur) die nächste amerikanische Wahl beeinflussen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Bilder im Kopf sind gefährliche Geister.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Warum Diplomatie, wenn man Waffen hat? Nicht Kleckern sondern Klotzen ist die menschliche Antwort.



    Aber die (Zitat):'Halluzinationen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Verwirrung', die die neuen Waffen der Russen versprechen, scheinen offenbar schon in Amerika erfolgreich getestet worden zu sein und , wie es aussieht, mit großem Erfolg.



    Fazit: Der Russe ist überhaupt nicht so blöd, wie der Amerikaner glaubt. Eher könnte man sagen, daß der Ami ... ok, ich will mich nicht versündigen und höre auf ...

  • Die USA samt unserer "Westlichen (Börsen-)Wertegemeinschaft" mal wieder in der Opferrolle. Die zu Grunde liegenden PR-wirksamen Behauptungen sind so glaubwürdig wie Saddam's Massenvernichtungswaffen unter dem Irakischen Öl. In der Politik geht es nie um Menschenrechte, sondern um handfeste Interessen (Egon Bahr). Wieviel Megaleichen sind uns die Rohstoffe in Russland und China einerseits und die Gewinne der Rüstungsindustrie andererseits diesmal wert?

  • "Zusammenarbeit mit russischen Menschenrechtsorganisationen "

    Warum sollte sich jemand wie Maas für ein gutes Verhältnis mit ru einsetzen? Westliche Werte, Menschenrechte, Gender, LGBT - darunter macht man es nicht. Da sind wir die Guten, die Russen die Bösen und Trump - eigentlich auch ein Böser - kämpt gegen die bösen Russen und damit für die gute Sache.

    Ohne das Selbstverständnis, das die eigenen unbestreitbar guten Werte nicht für fremde Gesellschaften passen müssen wird das nichts mit einem guten Verhältnis mit ru.

  • Wenn man diesen Kommentar liest, könnte man schlussfolgern, dass wir einen natürlichen Anspruch auf Russland hätten. Neuer Wein in alten Schläuchen?



    Und die fatale Schlussfolgerung, dass Diplomatie nichts bringen würde und deshalb das System quasi mit NGOs unterwandert werden könnte, ist letztendlich die Fortsetzung konfliktbeladener Russlandpolitik.



    Es gibt keine Alternative zu einer mühevollen diplomatischen Arbeit auf Augenhöhe. Nicht wir sind die Guten und die Russen die Bösen. Die Völker in Europa wollen keinen Krieg. Wir brauchen endlich wieder eine Außenpolitik, die den Namen verdient. Wer nimmt denn einen transatlantischen Laufburschen wie Maas wirklich ernst?

    Entspannungspolitik ist angesagt. Dafür müsste Deutschland in Europa werben. Stattdessen Militarisierung der EU, Expansion der NATO und "faktenscheinige" Anschuldigungen.

    • @Rolf B.:

      Tja... da zeigen sich die negativen Phänomene der EU/USA/NATO Politik des "Stillstandes" .. durch Sanktionen gegen .. und die allgemeine Isolation Russlands ! Die guten Ideen einer friedlichen "Freihandelszone von Lissabon bis Vladivostok" sind `weg´!



      Russland verlor das Vertrauen in die EU ! Die EU verbleibt als isolierte Provinz der USA.. Russland fixiert sich auf China und Asien!



      Was bleibt ist " Zähnefletschen " ...

  • 9G
    97684 (Profil gelöscht)

    Αυτόi οι άνδρες δεν θ' αλλάξουν ποτέ.



    Αυτόι οι άνδρες πάντα προχωρούν



    με φορτία και με μαχαίρι.

    Diese Männer ändern sich nie.



    Diese Männer werden immer fortfahren mit Feuer und Schwert( zu kämpfen )

    Τι να κάνουμε;



    Was können wir machen?

  • Der Rückfall in die 70er geht eben leider damit einher, dass wie damals die Hardliner beider Seiten sich gegenseitig befeuern. Der "böse" Ami und der "böse" Russe mit ihren jeweiligen Rüstungsprogrammen und "Wunderwaffen" sind dann ein herrlich gefundes Fressen, langgehegte eigene Aufrüstungsphantasien in die Tat umsetzen zu



    können. Europa sollte keinem von beiden folgen, vermutlich eine schale Hoffnung wie damals auch.

  • NATO- und Rohstoff–Interessen an der Russischen Föderation

    Zum Primat der Ökonomie im weltweiten Imperialismus und Kapital-Faschismus heute

    Dafür setzt die ökonomische, politische, ideologische und militärische Führung der Vereinigten Staaten von Amerika, ebenso wie die anderen Nato-Staaten und die Europäische Union, einschließlich die gesellschaftspolitische Administration und Monopolbourgeoisie Deutschlands, auch auf die militärische und (gegebenenfalls) auf die nukleare (Selbst-)Vernichtung im 21. Jahrhundert.

    Ungeschminkte Rohstoff–Interessen an der Russischen Föderation



    Zusammenfassung einer BGR–Kurzstudie

    www.trend.infopart...d0315/t260315.html

    02.02.2019, R.S.