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Kommentar Rüstungsgüter für JemenkriegDas reine Gewissen

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Statt infantiler Vereinfachung bräuchte es tatsächliche negative Folgen für Saudi-Arabien, um dessen erbarmungslosen Krieg in Jemen zu stoppen.

Härterer Druck auf Saudi-Arabien wäre wirkungsvoller als ein Stopp von Rüstungsexporten Foto: Christina Palitzsch

W as sind die Sozialdemokraten stolz ­gewesen, als sie im vergangenen Jahr im Koalitionsvertrag ein totales Waffenembargo gegen die am Jemenkonflikt beteiligte Allianz durchgesetzt hatten. Gefühlt war der Krieg damit praktisch fast schon beendet – ein großer Sieg für die deutsche Friedenspolitik.

So schien es. Und nun zeigt eine Kleine Anfrage der Grünen: Es wurde doch wieder geliefert an Saudi-Arabien und seine Verbündeten, die im Jemen eine der schlimmsten humanitären Katastrophen verursacht haben. Ein weiterer schwerer Rückschlag für die Glaubwürdigkeit der Regierungskoalition.

Doch bevor die Grünen den Zeigefinger erheben und sich womöglich gar einbilden, dass mit ihrer Regierungsbeteiligung alles besser wäre, sei daran erinnert, dass Waffenexporte in Krisengebiete auch unter Rot-Grün an der Tagesordnung waren und sogar Spitzenwerte erreichten. Claudia Roth, teilweise Parteichefin in jener Zeit, sind die Lieferungen bis heute peinlich.

Für linke Parteien bedeutet Friedenspolitik, keine Waffen in instabile Weltregionen zu liefern und sich möglichst überhaupt nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Und natürlich sind diese Überlegungen nicht falsch, gerade in einem Land, von dem schlimmste Kriegsverbrechen und ein Völkermord ausgegangen sind. Aber es ist auch eine fast schon infantile Vereinfachung internationaler Konflikte.

Ein Druck- und Drohszenario wäre nötig

Was wäre denn, wenn Deutschland keine „sondergeschützten Geländewagen“ für 831.003 Euro an Saudi-Arabien lieferte? Sicher, man hätte ein reines Gewissen (das Equipment bekämen die Saudis woandersher). An dem Krieg im Jemen und der ungeheuren Notlage aber änderte sich nichts. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass es nicht einmal annähernd reicht, Waffenlieferungen zu stoppen und mehr Geld für humanitäre Hilfe auszugeben.

Wer ernsthaft Krisen und Konflikte beenden will, braucht außenpolitische Konzepte und eine ganze Armada von Mediatoren und auf Krisenmanagement spezialisierte Diplomat*innen. Es ist ein Druck- und Drohszenario nötig, das viel mehr umfasst als nur ein Waffenembargo. Saudi-Arabien müsste auf allen Ebenen mit den negativen Folgen seines erbarmungslosen Krieges im Nachbarland konfrontiert werden.

All das ist kompliziert, teuer und auch nicht immer erfolgreich. Es macht Mühe und bedeutet politische und wirtschaftliche Risiken. Aber es ist der ehrlichere und zugleich realistischere ­Umgang mit internationalen Krisen und Konflikten.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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8 Kommentare

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  • saudi-arabien hat sehr viel geld im westen investiert.ausserdem verdient es sehr viel geld mit dem verkauf von erdöl.



    wenn es politisch gewollt wäre könnte saudi-arabien also sehr einfach dazu gezwungen werden seine beteiligung an kriegen und seine beteiligung an der förderung des terrorismus zu beenden.



    es genügt die saudischen investitionen einzufrieren,und kein erdöl mehr von saudi arabien zu kaufen .wahrscheinlich würde es sogar reichen nur damit zu drohen .saudi-arabien keine waffen mehr zu verkaufen genügt nicht,aber es ist selbstverständlich die erste und wichtigste wenn auch rein moralische forderung.

    wenn geradezu das gegenteil dessen geschieht -was notwendig wäre um saudi arabien zu disziplinieren so liegt dass daran dass die usa nachwievor mit saudi-arabien verbündet sind.solange dieses bündnis nicht beendet ist-werden krieg und terror garantiert nicht aufhören

  • Der Umweltschutz ist nicht alleine für das zukünftige Wohlergehen der Menschheit von signifikanter Bedeutung!



    Von besonderer Wichtigkeit ist auch, die exorbitante Militarisierung (weltweit!) zu verhindern und zu pazifistisch orientierten Konfliktlösungen bereit zu sein.



    Aus meiner Sicht sollten deshalb auch in den Schulen die in Ihrem Artikel beschriebenen Waffenexporte thematisiert und auch dagegen protestiert und demonstriert werden!



    Gerade in Deutschland wurde vor Jahrzehnten massiv gegen die friedliche Nutzung der Atomtechnik demonstriert, und was ist mit der militärischen Nutzung....(Atomwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel, in Deutschland, schon gewusst?? )....??

  • Zitat: „Wer ernsthaft Krisen und Konflikte beenden will, braucht außenpolitische Konzepte und eine ganze Armada von Mediatoren und auf Krisenmanagement spezialisierte Diplomat*innen.“

    Die können sicher nicht schaden, die professionellen „Mediatoren und Diplomat*innen“. (By the was: gibt es nur männliche Mediatoren, oder sind die Diplomaten beiderlei Geschlechts schlicht elitärer?) Sie werden aber nicht ausreichen. Denn wie das in der Pädagogik nun mal ist: Dumme Kinder lernen rasch, Eltern, die sich nicht einig sind, gegen einander auszuspielen.

    Und dabei ist Deutschland nicht einmal in der Rolle des Familienoberhaupts. Die Bundesregierung konkurriert mit vielen anderen Regierungen um die Gunst der „Wüsten-Prinzen“. Würde Deutschland versuchen zu drohen, fänden die Saudis also sicherlich anderswo Anschluss, und zwar schneller, als unser Außenminister „Menschenrechte“ oder „Ölembargo“ sagen kann. Einfach deswegen, weil es für Regierungen, die nicht so viel historischen Dreck an den Schuhen mitschleppen wie die deutsche, Wichtigeres gibt als das Leben und die Gesundheit bettelarmer Jemeniten ohne jedes Drohpotential.

    Nein, Leute, um das Bohren der ganz dicken Bretter werden Die, die wirklich etwas gelernt haben (wollen) aus dem millionenfachen Tod Machtloser, nicht herum kommen. Ihr könnt die Leute nicht retten, wenn ihr sie nicht dazu bringt, selber aktiv zu werden. Das aber werdet ihr nie schaffen, wenn ihr sie nicht ernst nehmt und nur als Wohlfahrtsempfänger oder (Billig-)Konsument*innen adressiert.

    Stellt euch einfach mal vor, ihr hättet schon Demokratie. Und dann: Benutzt sie!

  • Ich frage mich schon, wie glaubwürdig ein solcher Kommentar ist in einer Zeitung, zu deren Werbekunden die Bundeswehr gehört. Es ist einfach pazifistische Grundsätze an die Politik zu formulieren, wenn man selbst offenbar keine Hat oder sie im entscheidenden Moment verwässert.

    • @David Kind:

      Gengen Krieg und pazifistisch zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, dass man so naiv ist und meint in dieser Welt und zu dieser Zeit überhaupt kein Militär zu benötigen.

      Das ist evtl eine Utopie für Morgen, aber keine realistische Erwartung für Heute.

      Extremismus ist "selten" die richtige Strategie, ein gesundes Augenmaß ist wie immer auch hier gefragt.

  • Es braucht für so ein Konzept ein Ende der Abhängigkeit vom Öl.

  • Hier wird völlig unnötig Polemik aufgebaut.



    Niemand behauptet, dass ein deutscher Stopp der Rüstungsexporte an die kriegsführenden Parteien den Krieg im Jemen beendet. Aber es ist ein Anfang, im Fall der VAE auch ein substantieller. Und er würde schon einmal die deutsche Mittlerposition in dem Konflikte zwischen Iran und Saudi-Arabien stärken. Dann hätte Außenminister Mass in Teheran mehr Glaubwürdigkeit gehabt.



    Interessanter wäre gewesen, hier die weiteren Druckmaßnahmen auszuführen, z.B. keine Förderung von Exporten, die Begrenzung der kulturellen Zusammenarbeit, die konsequente Einreiseverweigerung von Predigern oder religiösen Funktionären und eine Überprüfung der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit.

  • Schön, wenn ihr jetzt final die Groko zerlegt, kann sich die Linke wieder auf ihre Themen konzentrieren. -Wird auch höchste Zeit!!- Pflegenotstand beenden. Steuern auf Reichtum. Reale Steuerlasten. Zwangsprivatisierungen beenden, rückgängig machen. Mieten deckeln. Leiharbeit abschaffen. Gute Löhne und Arbeitnehmerrechte. Faire Internationale Marktwirtschaft. Nationalismus, Rassismus und Faschismus abschaffen. Grenzen überflüssig machen. Nachhaltiges Wirtschaften und statt der Monopolisierung der Moderne eine gesunde Vielfalt entgegensetzen.