piwik no script img

Kommentar Rot-Rot-Grün an der SaarRachsucht und Pragmatik

Es könnte passieren, dass Rot-Rot-Grün trotz inhaltlicher Übereinstimmung scheitert. Verantwortlich für den Kleinkrieg an der Saar sind Ereignisse der jüngeren Vergangenheit.

D as Vergangene ist nie tot, es ist nicht einmal vergangen", meinte William Faulkner. Damit sind wir im Saarland. Sollte es dort nichts werden mit einer von SPD, Grünen und Linken gestützten Landesregierung , dann liegt das - wenigstens vordergründig - an den Schatten aus der Vergangenheit: denn programmatische Differenzen gibt es kaum.

Bild: taz

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT ist unter anderem Korrepondent fürs Saarland bei der taz.

Bis heute kann es der grüne Partei- und Fraktionschef Hubert Ulrich offenbar nicht verwinden, dass seine ehemalige Partei- und Landtagskollegin Barbara Spaniol vor zwei Jahren ausgerechnet zur Linkspartei von Oskar Lafontaine wechselte. Und jetzt soll er mit der verhassten Dissidentin, der zudem aktuell vorgeworfen wird, sich ihren Spitzenplatz auf der Liste der Linken zur Landtagswahl mit faulen Tricks ergaunert zu haben, in einer Koalition zusammenarbeiten? Nie! Eine Wahlanfechtungsklage deshalb gefährde jetzt sogar den ganzen Wahlerfolg der Parteien links von CDU und FDP, glaubt Ulrich zu wissen.

Doch Ulrich gilt nicht nur als rachsüchtig, sondern auch als Pragmatiker und Taktierer. Lafontaine solle ihm das Problem aus der Welt schaffen, verlangt er, sonst werde das nichts mit dem Linksbündnis.

Vielleicht soll es auch gar nichts werden: Spaniol nämlich verließ die Grünen genau zu dem Zeitpunkt, als Ulrich mit Blick auf die Landtagswahl 2009 eine Ampelkoalition mit SPD und FDP favorisierte, Spaniol aber für Rot-Rot-Grün warb. Ihre Parole: "Niemals mit der FDP!" Sie steht bis heute zu Rot-Rot-Grün, Ulrich aber nur zögerlich und immer mit dem süffisanten Hinweis darauf, dass die Grünen auch noch die "andere Option" hätten.

Spielt Ulrich also auf Zeit? Schon möglich. Schließlich ist Jamaika an der Saar vor der Bundestagswahl nicht zu realisieren; die Bundesgrünen würden ihn in der Luft zerreißen. Aber danach? Do what you like? Heiliger Heiko! Hilf!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • A
    Andreas

    Natürlich steht den Grünen das Wasser bis zum Kopf, den Lafontaine hat denen aus dem Stand den Schneid abgekauft. Aber das sind eben schlechte Gewinner: Sie könnten ihre Inhalte trotzdem durchsetzen, in dem sie mit SPD und Linken zusammen arbeiten. Aber genau da setzt es eben aus: Die Grünen wollen jetzt nach der Wahl die Muckis spielen lassen, begreiffen nicht, dass der Wähler seine Stimme abgegeben hat und jetzt eine Regierung erwartet.

    Und zwar keine Regierung Müller, sondern eine Regierung Maas. Und dies ist und wird keine einfache Regierung werden, sie hält wohl nur, wenn die Inhalte wirklich stimmen und darum sollte es jetzt allen Parteien gehen. Immerhin kommen die Linken recht pragmatisch daher.

    Eiern die Grünen richtig rum, ist Rot-Rot-Grün schon tot, bevor überhaupt die CDU/CSU und FDP verlieren.

    Es kommt wohl jetzt darauf an, dass die Bundesgrünen den Saar-Grünen zur Seite stehen und denen helfen, zuverwinden, wie es ist, wenn man auf einen extremen Machtpolitiker und Genie zu treffen. Da kann es einem schon mal sehr schlecht ergehen. Fischer hatte einst eingeräumt, dass Lafontaine ein Phänomen sei, die Grünen waren damals locker aus dem Bundestag gefegt worden. Im Landtag in Saarbrücken sitzen sie ja wenigstens, ob sie auch was draus machen können?

  • A
    Amos

    Wir haben die freie(soziale?) Marktwirtschaft. Die

    Grünen sind auch schon gekauft. Man schaue doch nur

    auf Fischer und Schily. wie sich diese Leute vom

    System infizieren ließen. Dahin sind alle guten

    Vorsätze, hat man erst den Geruch des Geldes in der Nase.

  • A
    Axel

    @ Ebs

     

    Bevor die Legendenbildung zum Jugoslawienkrieg hier noch weitere Blüten treibt, hätte ein wenig Googeln offizielle Propagandaversionen zumindest ankratzen, wenn nicht sogar in Frage stellen können:

    "Was da am 24. März 1999 geschieht, kann in einem Satz resümiert werden: Erstmals seit 1945 führen die Deutschen wieder Krieg. Sie tun das - wie die anderen NATO-Partner auch - außerhalb jeglicher Legitimation durch das Völkerrecht, sie intervenieren ohne UN-Mandat und ohne offizielle Kriegserklärung. Die Zäsur für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland kann kaum größer sein.." und weiter:

    "Im Übrigen weiß man heute, dass sich die ethischen Motive der "humanitären Interventionisten" seinerzeit auf manipulierte, inszenierte und verfälschte Tatsachen (s. Scharpings "Hufeisenplan") stützten. Eine Rekonstruktion der Ereignisse zwischen März und Juli 1999 zeigt, dass bei allen - durch die Politik Serbiens mit verschuldeten - Spannungen im Kosovo, die Vertreibungsexzesse (gegen die Kosovo-Albaner im April 1999, gegen die Kosovo-Serben und -Roma im Juli 1999) vorwiegend durch den Luftkrieg der NATO provoziert und von der offenbar zynisch einkalkuliert waren. Und überhaupt, wann eigentlich gab es Kriege, die nicht im Namen moralischer Imperative und eines idealistisch verbrämten Wertekanons geführt wurden?...

    "Ich schäme mich für mein Land, das jetzt wieder im Kosovo Krieg führt und das wieder Bomben auf Belgrad wirft", hatte Ströbele am 25. März 1999 seine kurze Erklärung im Bundestag beendet..."

    aus:

    http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Aussenpolitik/bilanz.html

    Unter anderem mit der dort skizzierten Argumentation sind übrigens massenhafte Austritte von Mitgliedern und Funktionsträgern der Grünen aus der ehemaligen "Friedenspartei" ausgetreten:

    http://www.beucker.de/1999/tr99-05-20.htm

    http://www.beucker.de/1999/juwo07-04-99.htm

    http://www.beucker.de/1999/tr99-04-22.htm

    http://www.beucker.de/1999/tr99-04-08.htm

     

    Ja, das waren noch andere Zeiten, als in der taz noch über Widerstand gegen die grüne Kriegspolitik berichtet wurde. Heute trommelt die taz für Kriegseinsätze und ignoriert geflissentlich sowohl die mehrheitlich den Afghanistankriegseinsatz der Bundeswehr ablehnende Bevölkerung in Deutschland als auch Stimmen der Friedensbewegung und der Linken zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und der Außenpolitik mit militärischen Mitteln.

     

    Wer grün wählt wird sich schwarz ärgern.

  • U
    Urgestein

    Sag mir, wo die Grünen sind.

    Wo sind sie geblieben?

    Sag mir, wo die Inhalte sind.

    Was ist geschehn?

    Sag mir, wo die Grünen sind.

    Der Zeitgeist pflückte sie geschwind.

    Wann wird man je verstehn?

    Wann wird man je verstehn?

  • J
    Jascha

    Die Linken haben sich aber auch die Option offen gelassen, den Bergbau doch abzuschaffen. Die lassen sich diese Option offen und entscheiden erst, wenn sie die Zahlen und Fakten kennen, nämlich wenn sie in der Regierung sitzen. Den Grünen geht es doch nur darum, die Linken mit diesem Thema so darzustellen, als wäre eine Koalition deshalb leider nicht möglich und es würde an den linken scheitern. In Wahrheit ist es für ulrich bloß bequemer, wenn er FDP und CDU weiter in sonstwo hin kriecht.

  • US
    Uwe Sak

    Was haben denn die Wähler der Grünen anders erwartet? Die Grünen an der Saar haben Jamaika nie ausgeschlossen. Die Grünen haben schon oft bewiesen, dass die eine grün lackierte FDP sind.

    Wer nicht die Linken gewählt hat, der sollte sich bitte nicht beschweren.

    Interessant allerdings wie die dreiköpfige

    Grünen-Fraktion alle anderen mit dem Nasenring durch die Manege zieht. Mal sehen ob die Linkspartei den Schneid hat und das ganze Trauerspiel beendet und sich lieber auf die Opposition gegen ein Jamaika-Bündnis vorbereitet.

  • C
    Christoph

    "Beobachter" sagt zurecht, daß eine wesentliche Differenz der Ausstieg aus dem Kohlebergbau ist.

    Das sollte aber eine sehr hohe Priorität für die Grünen haben.

  • UW
    U. Weber

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Das möchte ich ja mal sehn, was für die Grünen als kleinster Jamaika-Partner herauskommt! Ich denke nicht viel, in den Kernthemen werden Schwarz-Gelb kaum nachgeben! Die Studiengebühren bleiben, höchstens die Darlehensmodalitäten werden abgemildert. Schade, wenn persönliche Animositäten die Option Rot-Rot-Grün verhindern. Aber wenn hier die Chemie nicht stimmt, sollte man sich dort nicht billig verkaufen!

  • V
    vic

    Das kann doch nicht wahr sein, dass dieser Herr Ulrich das Saarland FDP und CDU zum Fraß vorwirft und damit auf das Wählervotum Sch...

    Ich fasse es nicht, die sind alle verrückt geworden, an der Saar und in Thüringen.

  • B
    Beobachter

    "Programmtische Differenzen gibt es kaum" behauptet der Autor da, obwohl im Saarland die

    Zukunft des Bergbaus ein wichtiges Thema ist --

    und ein Thema, bei dem die inhaltlichen Positionen von Gruenen und Linkspartei voellig

    unvereinbar sind. Die Gruenen sind natuerlich fuer den Ausstieg, waehrend die Linkspartei mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen ist, den bereits beschlossenen Ausstieg aus dem Kohlebergbau zu revidieren.

  • T
    Thomas

    Was hier Hubert Ulrich abzieht muss man wohl als schleichende SPDisierung der Grünen sehen: Befindlichkeiten zählen mehr als das Programm und politische Ziele. An sich sind die Grünen an der Saar in einer guten Verhandlungsposition und es wäre sehr traurig, wenn das Ergebnis der Verhandlungen der Rücktritt zweier Ex-Grüner Landtagsabgeordneten wäre. Dafür hat sicher niemand den Grünen seine Stimme gegeben.

  • N
    Nordwind

    Dat isn Virus. Der ist von der SPD über Matschie auf den Ulrich übergesprungen. Symptome: Befreiung des Hirns von Inhalten, Anzeichen von Größenwahn, Überhöhung persönlicher Befindlichkeiten. Kurz: ängstliche Verstärkung konservativer Reflexe. Ulrich, du solltes dir escht mal Ruhe und n Brohmbertee gönnen.

     

    Unglaublich, was sich unsere Polittrottel zur Zeit so alles einfallen lassen. Da stößt wirklich jede Droge an ihre Grenzen.

     

    In diesem Land kann der Wähler machen was er will. Es kommt immer etwas rechtes dabei heraus.

  • A
    Aranxo

    Dieses Gequatsche von der Äquidistanz zu rechts wie links bei den Grünen geht mir zunehmend auf den Senkel. Wohlgemerkt, die Grünen haben für die Bundestagswahl Jamaika abgelehnt, schwarz-grün ohne FDP aber nicht. Ich habe keine Lust darauf, dass mit meinen Stimmen Frau Merkel wiedergewählt wird. Wenn das passiert, werden sie für mich unwählbar. Ein weiterer Grund, diesmal Piraten zu wählen.