Kommentar Rohanis Auftritt in Davos: Die Fronten erweichen
Iran wird sich über kurz oder lang zum Atomstaat entwickeln. Und Israel wäre gut beraten, auf Diplomatie zu setzen.
D er iranische Präsident Hassan Rohani lügt, wenn er sagt, dass sein Land nicht nach der Atombombe strebt. Natürlich wollte man, wenn man nur könnte. Ein Atomstaat Iran würde Teheran mächtiger machen, und das Land wäre vor Feinden geschützt, sollten sie eines Tages auf den Gedanken kommen, einen Angriff zu starten. Das iranische Volk unterstützt das Atomprogramm auch mit der berechtigten Haltung, dass dem Iran nicht verwehrt bleiben darf, was andere längst haben, allen voran Israel.
Allein die Sanktionen und wirtschaftliche Zwänge lassen Volk und Führung in Teheran bei der geplanten Entwicklung auf die Bremse treten, allerdings nur soweit wie nötig – keinen Schritt weiter. Iran wird sich die Option offenhalten, in kürzester Zeit die letzten Schritte zum Atomstaat zu tun. Die sich abzeichnenden Kompromisse machen das möglich.
Israel kann daran nichts ändern. Nie war die Möglichkeit eines militärischen Präventivschlags illusorischer als in diesen Tagen. In Jerusalem ist deshalb ein Umdenken fällig. Wenn ich meine Feinde nicht besiegen kann, muss ich sie zu Verbündeten machen, das sollte fortan die Devise sein. Die Feindschaft zu entschärfen, wäre ein erster Schritt. Regierungschef Benjamin Netanjahu setzt indes unverändert auf Konfrontation. Diplomatie ist nicht seine Stärke.
Die Sorge Israels vor dem Staat, der die Feinde, sei es die Hamas, die Hisbollah im Libanon und das syrische Regime mit Waffen und Geld unterstützt, ist nur zu berechtigt. Dennoch darf die zum Dialog ausgestreckte Hand nicht ignoriert werden, auch wenn sie zunächst nur den Verbündeten gilt, den USA und dem Westen. Auch Teheran tut sich schwer mit versöhnenden Signalen an Israel.
Der absurden Feindschaft der beiden Staaten, die Tausende Kilometer voneinander entfernt liegen, und die nie Kriege gegeneinander führten, muss der Stachel gezogen werden. Nur solange Israel im Konflikt mit seinen Nachbarn lebt, lässt sich mit Drohgebärden gegen den Judenstaat Profit machen. Wenn ihm die Sicherheit seines Volkes am Herzen liegt, muss Netanjahu jetzt die vielleicht letzte Chance ergreifen, um den Konflikt mit den Palästinensern beizulegen. Sollte er die Mission von US-Außenminister John Kerry gelingen lassen, wird er auch mit seinem Appell an internationale Unternehmen, in Israel zu investieren, gleich auf viel offenere Ohren stoßen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance