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Kommentar Rigaer StraßeEine Probe der Macht

Der Großeinsatz der Polizei am Mittwochabend war grundfalsch. Er diente nur dazu, BewohnerInnen und linker Szene eine Ansage zu machen.

13. Januar 2016: Die Polizei hat die Rigaer Straße abgeriegelt. Foto: dpa

Vier Menschen greifen einen knöllchenschreibenden Polizisten an und flüchten sich dann in ein besetztes Haus. Das ist zum einen, gleich vorneweg, keine tolle Aktion. Und zum anderen gibt es Mittel und Wege, wie in einem Rechtsstaat mit einem solchen Angriff umgegangen werden kann: Die Polizei macht die Täter ausfindig, gegen diese wird ein Strafverfahren eröffnet.

Mit dem Großeinsatz in der Rigaer Straße am Mittwochabend entschied sich die Berliner Polizei, einen anderen Weg einzuschlagen. Und der ist grundfalsch. Denn der Einsatz diente nicht etwa dazu, die Täter zu fassen oder sonst wie zur Tataufklärung beizutragen. Nein, aus ihrer wahren Absicht machte die Polizei keinen Hehl: Es ging darum, eine Ansage zu machen an die BewohnerInnen der Rigaer94 und die ganze linksradikale Szene gleich mit – zu zeigen, wer der Stärkere ist.

Das ist falsch und lächerlich, weil sich die Polizei damit auf eine Ebene begibt, mit der sie sich letztlich selbst beschädigt: Eine Polizei, die es nötig hat, einer Handvoll Linksautonomer ihre Stärke durch den Aufbau einer filmreifen Drohkulisse zu beweisen, hat offensichtlich ein Problem. Es steht einer staatlichen Behörde nicht gut zu Gesicht, wenn sie sich auf einen Schwanzvergleich mit Teilen der Bevölkerung einlässt. Insbesondere, wenn sie diesen Teilen damit, das ist die Ironie, erst recht zu Beachtung verhilft: So viel Aufmerksamkeit wie durch die jüngsten polizeilichen Maßnahmen hat die politisch weitestgehend irrelevant gewordene autonome Szene Friedrichhains schon lange nicht mehr gehabt.

Oder aber es geht darum, dass hier noch ein ganz anderer Stärke zeigen will: ein Innensenator etwa, der in seiner bisherigen Amtszeit oft mit Abwesenheit glänzte und nun mit einem Knalleffekt das Wahlkampfjahr einläuten möchte. Dann läuft hier aber ebenfalls etwas gewaltig schief: Der Etat der Polizei gehört nicht zu den Wahlkampfmitteln der CDU – wer sich darüber hinwegsetzt, muss hinterher nichts vom schützenswerten Rechtsstaat erzählen.

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4 Kommentare

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  • Im Augenblick zeigen so ziemlich alle Lager, welch enormes Potential an Dummheit scheinbar grundlegend vorhanden sein muß. Man hat das Gefühl, dass die momentan aufgeheizte Allgemeinstimmung nicht etwa irgendwie beruhigt und dringende Probleme irgendwie gelöst werden sollen, sondern vielmehr allerseits dafür genutzt werden, um ideologischen Kampf wieder offen auf die Straße zu tragen, Fronten weiter zu verhärten, die Gewaltspirale nach oben zu treiben.

     

    Es wird provoziert, geheuchelt, die offene Konfrontation gesucht und scheinbar bewußt überreagiert. Dann wird auf allen Seiten die Propagandamaschine angeschmissen und natürlich gibt es wie immer ganz klar "die Guten" und "die Bösen". Egal wie suppendämlich Aktion und Reaktion generell und für jeden erkennbar sind. In diesem Punkt unterscheiden sich alle Seiten kaum von einander.

     

    Vernunft und Sinn scheinen völlig abhanden gekommen. Wem auch immer das im Augenblick das auch nur irgendwas nützen soll.

  • Warum heißt es:"Vier Menschen greifen einen knöllchenschreibenden Polizisten an"? Immerhin wird die vorausgegangene Auseinandersetzung zwischen Polizei und den mutmaßlichen Täter*innen recht unterschiedlich dargestellt. Einerseits gibt es den Polizisten, der behauptet angegriffen worden zu sein und andererseits gibt es die vermeintlichen Täter*innen, die bereits Stunden vor dem Großeinsatz auf einer einschlägig bekannten Plattform im Internet behauptet haben, dass der Angriff vom Polizisten ausging.

    • @brämi:

      "Warum heißt es:"Vier Menschen greifen einen knöllchenschreibenden Polizisten an"?"

       

      Weil die Bullen eine Pressemeldung rausgeben hat und die Presse das übernimmt, bis Beweise auftauchen. Die Bullen haben halt Recht. Ist doch immer so...

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    "...ein Innensenator etwa, der in seiner bisherigen Amtszeit oft mit Abwesenheit glänzte und nun mit einem Knalleffekt das Wahlkampfjahr einläuten möchte."

     

    Das hat er sich von Erdogan abgeschaut.