Kommentar Revolte gegen Merkel: Der Putsch fällt aus
Die Umfragewerte der CDU sinken. Immer mehr Abgeordnete rebellieren gegen Angela Merkel. Stürzen will sie am Ende aber niemand.
G eraune über ein vorzeitiges Ende von Angela Merkels Kanzlerschaft gibt es immer wieder, zuletzt wegen der Griechenland-Krise. Aber jetzt wird das Grummeln bedrohlich laut. Die Union ist in Umfragen auf 36 Prozent abgesackt, den tiefsten Wert seit drei Jahren. Wolfgang Schäuble soll die Stimmung der CDU im Präsidium als „dramatisch“ beschrieben haben, schreibt der Spiegel. Und der CSU-Chef und viele Abgeordnete rebellieren schon lange gegen die Kanzlerin.
Steht er also kurz bevor, der Putsch gegen Merkel? Gemach, gemach.
Die Differenz zwischen der Kanzlerin und ihren Kritikern ist kleiner, als es aussieht. Ja, Merkel bleibt scheinbar bei ihrer Wir-schaffen-das-Linie. Aber tut sie das wirklich? Sie kommt doch Seehofer und den Scharfmachern längst entgegen. Schnelle Abschiebungen, Transitzonen, EU-Außengrenzen sichern – Merkel unterstützt alle Ideen, die Deutschland abschotten.
Sie setzt auf Ambivalenz, ihre Sprache ist liberal, aber ihre Taten schrecken ab. Auch ob die Kanzlerin diese Rhetorik beibehält, ist längst nicht gesagt. Merkel hat in ihrer Ära einige überraschende Kehrtwenden hingelegt. Schwenken kann sie dieses Mal wieder, wenn die Flüchtlingszahlen nicht sinken – auch wenn SPD und Grüne das Gegenteil hoffen.
Das wichtigste Argument gegen den Putsch aber ist das Chaos, in welches die CDU stürzen würde. SPD-Chef Gabriel könnte sein Glück kaum fassen, er würde wohl Neuwahlen ausrufen und den internen Machtkampf der Konkurrenz genüsslich ausschlachten. Keiner von Merkels möglichen Nachfolgern ist willens, dieses Chaos zu verantworten, weder Ursula von der Leyen noch Schäuble.
Keiner von beiden würde übrigens die CDU-Linie ändern, denn Merkel hat ja recht. Wer im Jahr 2015 die 3.000 Kilometer lange deutsche Grenze mit Stacheldrahtzäunen und Wachtürmen abschotten will, ist verrückt.
Für einen Putsch ohne Putschisten gilt eine einfache Regel: Er fällt aus.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen