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Kommentar Rentengipfel der KoalitionAbschied vom Generationenvertrag

Das bestehende Rentensystem wird immer absurder. Die Lösung für die Altersfrage muss außerhalb eines „Generationenvertrags“ liegen.

Wer später einzahlt, bekommt noch später noch weniger Foto: dpa

Wenn der Koalitionsausschuss am heutigen Donnerstag zur Rente tagt, ist der große Wurf nicht zu erwarten, denn mit dem Rententhema lassen sich keine politischen Blumentöpfe gewinnen. Jeder sieht sich als Opfer, entweder jetzt oder in Zukunft: Jüngere, Ältere, Rentner, Beitragszahler, Niedrigverdiener, Erwerbsunfähige.

Die Wahrheit lautet: Das System der gesetzlichen Rente, das auf dem Generationenvertrag, beruht, ist in einer Gesellschaft der Langlebigen und Kinderarmen immer schwerer zu rechtfertigen. Wie viel Geld man herausbekommt, hängt nicht mehr nur von der Höhe der Einzahlung, sondern vom Geburtsdatum ab. Es ist ein absurdes System, wenn die Erträge immer geringer werden, je später man dran ist.

Es gibt Reparaturvorschläge, aber die haben ihre Tücken. Würde man die Beamten in die Rente eingliedern, wäre das teuer, denn Beamte leben lang. Müssen Selbständige zwangsweise einzahlen, mit Beiträgen von einigen hundert Euro, wäre das Verdienstmodell vieler kleiner Solounternehmer gefährdet. Mäßig erfolgreich sind auch die Vorstöße, die Leute zum frühzeitigen Sparen zu animieren. Wer wenig verdient als VerkäuferIn, ErzieherIn oder ZeitarbeiterIn, kann nichts oder nur wenig zurücklegen für das Alter.

Langfristig wird man daher um neue Antworten nicht herum kommen, wie sich Würde und Teilhabe im Alter sichern lassen. Dazu gibt es Verteilungsmodelle: In der oft zitierten Schweiz zahlen Gutbetuchte prozentual in eine Rentenkasse ein, bekommen aber nur ein gedeckeltes Ruhegeld wieder heraus. In Schweden werden Renten aus Einzahlungen mit degressiven steuerlichen Zuschüssen verrechnet. Die Lösung für die Altersfrage muss außerhalb eines „Generationenvertrags“ liegen.

Gehandelt wird erst, wenn die Folgen spürbar sind – wie beim Klimawandel

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will Vorschläge zur Aufstockung von Kleinrenten präsentieren, das könnte ein Anfang sein. Der Druck, neue Verteilungsstrategien zu entwickeln, wird steigen – aber langsam, in den nächsten Jahrzehnten. Vielleicht ist es mit den Problemen des gesetzlichen Rentensystems wie mit dem Klimawandel: Es gibt die Berechnungen, man sieht das Unheil kommen – aber gehandelt wird erst, wenn die Betroffenheit für Viele spürbar wird. Also dann, wenn die Altersarmut in Deutschland wirklich steigt.

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24 Kommentare

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  • Also die weiter unten geäußerte Idee, Kinderlosen zur Strafe die Hälfte der Rentenansprüche wegzukürzen, ist ja mal völlig beknackt. Wie soll man denn von den Armutsrenten, die jetzt schon so viele als Anspruch erwarten, noch 50% wegkürzen? Und wieso bitte haben denn immer weniger Leute Kinder? Das sind doch größtenteils keine Menschen, die aus Egoismus mal lieber auf Selbstverwirklichung statt auf Fortpflanzung setzen o.ä. Sondern das sind größtenteils Menschen, die mittlerweile im Totalprekariat leben, in einem unsicheren, unterbezahlten Fristvertrag nach dem nächsten arbeiten, und überhaupt keine Überschüsse für weitere Personen oder gar irgend eine längerfristige Planungssicherheit haben. (Dazu kommen noch Homosexuelle, die ja vielleicht gerne Kinder adoptiert und großgezogen hätten, es aber dank tumber Vorurteile und Merkelscher Bauchgefühle immer noch nicht dürfen in diesem Land.) Man kann doch keine Politik machen, die es immer mehr Menschen unmöglich macht, Familienplanung zu betreiben, und die Leute dann dafür abstrafen! Das ist ähnlich sinnvoll, wie immer mehr Leute in Prekarität und Dumpinglöhne zu drängen und dann Vorhalten zu machen, sie hätten mal privat vorsorgen sollen. Na danke auch, wovon denn?

     

    Wir brauchen ein Schweizer System, in dem alle und auch Reiche prozentual einzahlen, aber die Auszahlungen auf einem moderaten Stand gedeckelt sind.

    Vor allem aber sollten mal alle Einkommensarten vernünftig in Renten- und Sozialabgaben einbezogen werden. Wie bescheuert ist es denn, dass Renten- und Sozialabgaben v.a. auf Arbeit erhoben werden, aber nicht auf Spekulationsgewinne, fette Erbschaften, etc.?

    Wenn man das mal ändern würde, und nicht immer eine prekarisierte, nicht-verbeamtete, hart arbeitende Restmittelschicht für alle anderen ausbluten würde, wäre ein Großteil der Probleme doch recht einfach zu lösen.

    • @kami:

      Danke.

  • es könnte so einfach sein - konsequentes Steuer-Eintreiben von Multi-Nationalen Konzernen. Dann kommt die Rente aus der Porto-Kasse, so wie ein garantiertes Mindeseinkommen, Kita-Plätze für lau, Ein-Klassen-medizinische-Versorgung, Straßen ohne Löcher, etc., etc., etc. ...

  • @@ - noch'n Deckel - zum Deckeln

     

    Wenn ich Rudolf Walther richtig noch im Kopp habe -

    Das in einer politischen Sondersituation geschaffene -

    Deckelsystem - wäre nicht nochmals durchsetzbar. 's geht nur keiner bei.

    Leider wird sodrum ein Schuh draus!

  • Mein Vorschlag der Deckelung: Deckeln wir den Beitragssatz, beziehen möglichst viele Leute mit ein (Generationengerechtigkeit) und verteilen das Geld dann so wie wir es haben: Alle Leute mit wenig Rente bekommen allen Anspruch und ab einem gewissen Wert ist kein Geld mehr da. GutverdienerrentnerInnen haben dann eine variabel gedeckelte Rente - immer noch mehr, als alle anderen WenigergutverdienerrentnerInnen und damit immer noch genug zum Leben. Das ist auch die Bevölkerungsgruppe, die genug Ressourcen hatte, privat vorzusorgen. Und damit können wir es uns auch erlauben, die Mickerrentenansprüche, die in den letzten Jahren entstanden sind durch eine menschenwürdige Mindestrente abzufangen. Wir kombinieren Generationenvertrag, Generationengerechtigkeit und menschenwürdige Grundsicherung so dass sich keinE RentnerIn um ihre Existenz sorgen muss (Stichwort Flaschensammeln so lange die Beine tragen) und dennoch genügend Geld für alle da ist: für die Beitragszahlenden sowie für alle RentnerInnen. Die Idee mit dem nach Kindern berechnetem Rentensatz von ICH2 halte ich auch für lohnenswert und kann gut damit kombiniert werden - lohnenswert, da wer Kinder hat, immer noch deutlich geringere berufliche Möglichkeiten hat.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @MaR:

      Mein Vorschlag: koppeln wir unsere Ausgaben für die Altersversorgung mit der BIP-Enwicklung.

       

      Beispiel (Zahlen stimmen pi mal Daumen): wir geben jetzt 10% unseres BIP für etwa 20% der Bevölkerung als Altersvorsorge. Soll heißen im Durchschnitt bekommt jeder Empfänger etwa einen Halben Anteil an dem durchschn. BIP/Kopf. LAssen wir KV/PV außer Acht - die Krankheit des Rentners ist das Einkommen des Arztes.

       

      So, jetzt bekommen wir irgendwann mal "Rentnerschwemme" und, oh Gott, oh Gott, Horrorszenarien sind eingetroffen - die Rentneranzahl hat sich verdoppelt: 40% der Bevölkerung. Den Rentenbeitrag auf Lohn/Gehalt kann man sich gar nicht vorstellen. Aber - warum sollten wir für 40% der Bevölkerung nicht die 20% vom BIP zahlen, wenn die Volkswirtschaft das hergibt? Der Rest (60%) hätte dann immer noch überdurchschn. viel zur Verfügung.

       

      Nun, 3 Probleme sehe ich auch - Finanzierung (ginge aber), Verteilung innerhalb der Rentnergruppe (ginge auch) und Schaffung der Transparenz, wieviel von unserem BIP doch im Ausland landet, und zwar nicht unbedingt in Sachinvestitionen (sehr schwierig).

  • Rentenpolitik ist Verteilungskampf. Es gibt teure Wohltaten: Beamtenversorgung, Witwen/r-Versorgung, Frührente, Abgeordnetenversorgung. Der Topf, aus dem das bezahlt werden muss, und der mit Steuern und Beiträgen gefüllt wird, ist zu klein.

     

    Man müsste jetzt darüber nachdenken, wem man was wegnimmt - Einzahlende/Leisungsbeziehern oder wen man zu weiteren Zahlungen verpflichtet.

     

    Insbesondere das Wegnehmen klappt in d überhaupt nicht. Es gelten dann "überkommene" Grundsätze. Es gilt nicht mehr der Gleichheitsgrundsatz sondern der Grundsatz "Das haben wir schon immer so gemacht".

  • durch Einwanderung und Beschäftigungsquote kann man die Zahl der Beitragszahler in der Zukunft nicht wissen, aber sofern die Rentenformel so bleibt bekommt ein Durchschnittsverdiener (heute 1700€) 2030 nur noch eine Rente auf Hartz4 niveau....... dann kann man sich entscheiden, ein Tag essen oder heizen..... schöne neue Welt

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Es wird keinen Abschied vom Generationenvertrag an sich geben können. Egal wie man das System organisiert, die Jungen werden das produzieren müssen was die Alten konsumieren wollen.

     

    Man wird die Jungen nicht über die Maßen belasten können, sie haben nebst den Alten auch noch die Kinder, die Kranken und die Arbeitslosen zu versorgen. Dann kommen noch ein paar solche Kleinigkeiten wie die Energiewende und der horizontale Ausgleich innert der EU hinzu.

     

    Es wird einen zusätzlichen Ausgleich unter den Alten geben müssen. Die Jungen werden nicht dazu in der Lage sein den armen Alten die Rente aufzustocken während die reichen Alten übermäßig konsumieren.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Endlich mal eine ehrliche Analyse der ganzen Lage!

     

    Wichtig ist das man sich die Systeme anderer Länder nicht außerhalb des lokalen Kontextes betrachtet. Schon oft habe ich mir hier die vermeindlich genialen Modelle anderer Länder um die Ohren hauen lassen müssen. Auf den ersten Blick war das oft auch nicht ungerechtfertigt, bis man etwas genauer hinschaut und merkt: Das geht so bei uns überhaupt nicht.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @33523 (Profil gelöscht):

      Kann es sein, dass Sie da (absichtlich) etwas nicht verstanden haben? "In der oft zitierten Schweiz zahlen Gutbetuchte prozentual in eine Rentenkasse ein, bekommen aber nur ein gedeckeltes Ruhegeld wieder heraus." Das wäre auch bei uns machbar und durchaus sinnvoll. Ich weiß, Sie sind da anderer Meinung.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @2097 (Profil gelöscht):

        Das wäre unter bestimmten Umständen akzeptabel aber eben nicht wenn man nur das Rentensystem der Schweiz kopieren will. Dieses System funktioniert dort ja nicht in einem Vakuum, sondern im Gesamtkontext der Schweizer Politik. Die Unterscheidet sich an einigen Stellen deutlich von der Deutschen.

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @2097 (Profil gelöscht):

        Die Flüchtlingskrise? = Die reichen sollen zahlen. Die Energiewende? = Die reichen sollen zahlen. Rentenproblem? = Die reichen sollen zahlen, etc. etc.

        Wenn ich 1000€ habe, kann ich mir einen Fernseher ODER ein Handy ODER ein Laptop ODER eine Waschmaschiene, etc. kaufen - aber sicher nicht alles zusammen ... .

        Folgender Vorschlag: Wer keine Kinder in die Welt setzt, bekommt nur 50% seiner Rentenansprüche. 1 Kind = 60%, 2 Kinder = 70% ... . Unser Rentensystem basiert nun mal auf Kindern. Wenn sich zu viele Individuen asozial verhalten, indem sie keine Kinder mehr zeugen (Deutschland ist nach Japan die am schnellsten alternde Gesellschaft), dann wird eben auf private Vorsorge umgestellt.

        • 2G
          2097 (Profil gelöscht)
          @73176 (Profil gelöscht):

          Einfach mal ausprobieren, dass die Reichen mehr zahlen. Seit den letzten 30 Jahren zahlen die Reichen immer weniger und gleichzeitig schuftet jeder 4. Beschäftige im Niedriglohnsektor. Eine ganz ungesunde Entwicklung... Und zu Ihrem Vorschlag mit den Kindern verweise ich auf den Kommenatr von KAMI weiter oben, dort wird Ihnen ja aufgezeigt, wie suboptimal Ihr Vorschlag gerade für die Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist.

        • @73176 (Profil gelöscht):

          Noch mehr Bevölkerungswachstum braucht dieser Planet nun wirklich nicht.

          • 7G
            73176 (Profil gelöscht)
            @JoWall:

            Bevölkerungswachstum ??? Dem Rentensystem wäre ja schon geholfen, wenn die Bevölkerung nicht weiter schrumpfen würde ... .

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Der Druck, neue Verteilungsstrategien zu entwickeln, wird steigen – aber langsam, in den nächsten Jahrzehnten."

     

    Er steigt spätestens dann, wenn das deutsche, auf Export (ca. 50% BIP) und ergo Globalisierung, ausgelegtes Wirtschaftsmodell empfindliche Dellen (Trumpismus, chinesischer Protektionismus) bekommt, die dann bei der Beschäftingung voll durchschlagen.

    Es wird keine paar Jahrzehnte dauern.

    • 3G
      32795 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      Was genau verliert unsere Gesellschaft dann? Die für das Inland produzierten Waren würden ja nicht weniger. Was Sie da rezitieren ist die neoliberale Theorie at its best.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @32795 (Profil gelöscht):

        Neoliberal? Nicht bei mir! ;)

         

        Ich gehe davon aus, und da hat ausnahmsweise Demografie wohl Recht, dass die Finanzierung der Altersversorgung aus dem Einkommen der abhängig Beschäftigten irgendwann mal a) schwer finanzierbar b) ungerecht wird.

         

        Es ging halt um "neue Verteilungsstrategien". Davon gibt's jede Menge jenseits von Beiträgen auf Einkommen aus abhängiger Beschäftigung, noch dazu mit Beitragsbemessungsgrenzen.

        • 3G
          32795 (Profil gelöscht)
          @10236 (Profil gelöscht):

          Wir müssen die produzierten Waren und Dienstleistungen anders verteilen.

           

          Aufs Geld zu sehen macht hier ein Stück weit blind. Egal wie viel Vermögen die Reichen oder die Alten haben, das bringt da alles nichts. Mit dem Geld wird man nur kaufen können was die Jungen produzieren und was sie abgeben können.

           

          Sicher, die Finanzierung wird sich ändern müssen. Am kleiner werdenden Kuchen ändert das aber nichts.

           

          In den Denkmodellen tut man immer so als seien die Jungen "unbegrenzt" belastbar und lässt andere wichtige Faktoren wie zB die Energiewende, die EU, etc. weg.

          • 1G
            10236 (Profil gelöscht)
            @32795 (Profil gelöscht):

            Nun, da bin ich ganz bei Ihnen. Allerdings wird man noch lange als Kommunist beschimpft, wenn man behauptet, dass der Markt nicht (immer) für eine optimale/gerechte Allokation sorgt. Gefährliches Thema.