Kommentar Reform der Erbschaftsteuer: Mittelstand schützt Milliardäre
Von der neuen Erbschaftsteuer sind nur superreiche Dynastien betroffen. Doch die Verbände lenken ab und tun so, als sei der Mittelstand betroffen.
G laubt man mächtigen Wirtschaftsverbänden wie dem DIHK, dann ist die deutsche Unternehmerschaft vom Aussterben bedroht. Der von Wolfgang Schäuble vorgelegte Vorschlag für eine neue Erbschaftsteuer ziele „ins Herz des Mittelstandes“, wettert DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Schäuble mache einen „großen volkswirtschaftlichen Fehler“, assistiert der Verband der Familienunternehmer.
Vernichtet Schäubles Plan, Firmenerben zu besteuern, den Wirtschaftsstandort Deutschland? I wo! Die Verbände greifen nur auf einen oft erprobten Trick zurück. Sie tun so, als seien Hunderttausende Jobs und ganz normale Mittelständler gefährdet – wider besseres Wissen. Denn sie haben begriffen: Arbeitsplätze und gesunder Mittelstand, das zieht immer. Sind diese Begriffe erst mal gesetzt, dann lässt sich wunderbar verschleiern, worum es eigentlich geht.
Wolfgang Schäuble ist Finanzminister, CDU-Mitglied und bisher nicht als Unternehmerschreck bekannt. Entsprechend moderat ist seine Reform. Er will das Betriebsvermögen verschonen, plant eine großzügige Freigrenze: 98 Prozent der Erbfälle lägen darunter. Selbst millionenschwere Unternehmen müssten keinen Cent Erbschaftsteuer zahlen. Betroffen wären nur superreiche Dynastien, die seit Jahrzehnten über Großkonzerne bestimmen.
Wirtschaftsverbände wie der DIHK schieben den armen Mittelständler vor, um die Milliardenvermögen der Clans zu schützen. Sie müssen sich fragen lassen, wessen Interessen sie eigentlich vertreten.
Der Mechanismus, Normalverdiener für die Interessen der Vermögenseliten zu instrumentalisieren, funktioniert erstaunlich zuverlässig. Vor allem dann, wenn es darum geht, vernünftige Finanzpolitik zu diffamieren. Das Beispiel liefert der letzte Bundestagswahlkampf. SPD und Grüne planten moderate Steuererhöhungen für Reiche, um mehr Staatsinvestitionen zu ermöglichen, etwa in bessere Schulen. Die Union tat so, als seien die Aufschläge für wenige eine Attacke auf die Mittelschicht – und gewann damit fast die absolute Mehrheit.
Es ist traurig, dass die Wirtschaftsverbände irreführende Kampagnen fahren. Noch trauriger aber ist, dass die Parteien links der Mitte sich davon beeindrucken lassen. SPD wie Grüne verabschieden sich gerade von Steuergerechtigkeit, weil sie Angst vor Diffamierung und angeblicher Bürgerwut haben. Dabei gäbe es gerade bei diesem harten Kampf ums Geld viel zu gewinnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu