Kommentar Referendum in der Türkei: Ein Land sagt Nein
Die Wahlergebnisse waren wohl manipuliert. Die Mehrheit der Türken hat sich gegen Erdoğan entschieden, doch der will das nicht hören.
D as Ja hat in der Türkei längst keine Mehrheit. Und es ist falsch, diese Erzählung der regierenden AKP vom vermeintlichen Sieg zu übernehmen. Denn höchstwahrscheinlich stimmte mehr als die Hälfte der Bevölkerung gegen die neue Verfassung und damit gegen die Einführung des Präsidialsystems, das Staatspräsident Erdoğan mehr Macht einräumen und die Gewaltenteilung endgültig aufheben wird. Über 2 Millionen Stimmen, die ungültig sein müssten, weil nicht behördlich gestempelt, seien mitgezählt worden, erklären oppositionelle Wahlbeobachter*innen. Das sind drei bis vier Prozent.
Und in der Tat: Just, als gerade die letzten Wahllokale schlossen, erklärte das Hohe Wahlamt – zum ersten Mal in der Geschichte der Türkei! –, dass auch Stimmzettel ohne behördlichen Stempel gültig seien. Kurz gesagt: In Massen produzierte gefälschte Stimmzettel könnten berücksichtigt worden sein. Auch die Wahlbeobachter der OSZE bemängelten am Montag diese späte Änderung als „Beseitigung wichtiger Sicherheitsvorkehrungen“.
Dass die Volksabstimmung vonseiten der Regierung manipuliert werden wird, war abzusehen. Schon die Ja- und Nein-Kampagnen im Vorfeld waren unter ungleichen Bedingungen geführt worden. Menschen, die Nein-Broschüren verteilten, wurden auf der Straße zusammengeschlagen oder verhaftet. Die Opposition wurde aus der TV-Berichterstattung komplett gelöscht, als existiere sie nicht.
Doch dass trotz all dieser Beeinflussungen und den gemeldeten Unstimmigkeiten während der Wahl die Ja-Front auf nur 51 Prozent gekommen ist, kann man als deutliches Zeichen dafür lesen, dass die Mehrheit eigentlich für das Gegenteil ist. Dass die Türkei am Sonntag in Wahrheit Nein gesagt hat. Bloß hielt sich Erdoğan dabei die Ohren zu, um noch am Sonntagabend eine vorschnelle Siegesrede zu halten. Wie leicht ihm das Regieren ohne eindeutige Mehrheit fallen wird, bleibt abzuwarten.
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