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Kommentar Rechtsextreme AfD-MitgliederAlternative für Diabolisches

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Björn Höcke sollte unbedingt Mitglied der AfD bleiben. Er verhindert, dass sie sich als rechtskonservative, bürgerliche Partei positionieren kann.

Björn Höcke vor braunem Hintergrund Foto: dpa

B jörn Höckes Rede zur „dämlichen Bewältigungspolitik“ in Deutschland ist derart unterirdisch, dass man fast schon selbst zum Telefonhörer greifen und den Vorstand der AfD persönlich auffordern möchte, diesen unerträglichen Rechtsextremen endlich vor die Tür zu setzen. Doch das ist genau der falsche Reflex.

Björn Höcke sollte im Gegenteil unbedingt Mitglied der AfD bleiben. Der Thüringer AfD-Chef und ehemalige Gymnasiallehrer zeigt in verblüffender Offenheit, was viele andere in seiner Partei unter dem Deckel halten oder weichspülen wollen: rechtsradikales Gedankengut, wie es auch im Programm der NPD stehen könnte.

Die AfD versucht mit aller Macht, sich als rechtskonservative, bürgerliche Partei zu positionieren – wählbar für alle, denen die Merkel-CDU zu weit in die Mitte gerückt ist. Diesem Ziel stehen nur Parteimitglieder wie Höcke im Weg. Ihn auszuschließen würde bedeuten, die Partei mitsamt ihrem hetzerischen und anti­europäischen Programm noch salonfähiger zu machen, als sie es ohnehin schon ist.

Wie vielversprechend dieser Main­streamkurs für eine Rechtsaußenpartei ist, zeigt ein Blick nach Frankreich. Marine Le Pen hat nicht einmal davor zurückgeschreckt, ihren eigenen Vater, einen notorischen Holocaust-Verharmloser, aus der Partei zu werfen, um den Front National für das bürgerliche Spektrum attraktiv zu machen. „Entdiabolisierung“ hieß die Strategie. Man könnte auch sagen: Der Wolf hat Kreide gefressen. Im Ergebnis muss Frankreich nun fürchten, dass Marine Le Pen bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen über 30 Prozent holt und den politischen Diskurs bestimmt.

Die jetzige AfD ist einer weichgespülten Variante deutlich vorzuziehen

Zwar scheint folgende Aussicht verlockend: Die AfD leitet gegen Höcke ein Parteiausschlussverfahren ein und zerlegt sich in monatelangem Streit, statt Wahlkampf zu betreiben. Vielleicht würde das sogar bei den Bundestagswahlen im September das Schlimmste verhindern. Sicher ist es allerdings nicht. Der Streit über den AfD-Gründer Bernd Lucke 2015 war auch lähmend und führte sogar zur Spaltung. Dennoch schmälerte er langfristig keineswegs den Wahlerfolg der AfD.

Eine AfD ohne „Entdiabolisierung“ ist deshalb einer verschleiernden Variante deutlich vorzuziehen. Kein Höcke ist eine Alternative für die AfD, aber keine für Deutschland.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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13 Kommentare

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  • Verziehung Thüringen wollte ich natürlich schreiben statt Sachsen.

  • Außer Höcke gibt es noch zahlreiche andere Personen, die gar kein bürgerliches Fahrwasser der Partei überhaupt haben wollen:

     

    Einen ganzen Landesverband hat die AfD im Saarland schon geschlossen, weil eben dieser zu extrem rechts war.

     

    Frauke Petry traf sich mit den rechten Größen Europas.

     

    Beatrix von Storch ist gegen Abtreibung, damit die Deutschen nicht aussterben. Mensch wunder tsich, wei das ernsthaft vertreten werden kann.

     

    Und nicht zuletzt provoziert die AfD nach einem bekannt gewordenen Strategiepapier absichtlich und macht damit auf sich aufmerksam:

    http://www.tagesschau.de/inland/afd-strategiepapier-101.html

     

    Müssen usn Tränen kommen, weil die sich nicht als scheinbar bürgerliche Partei etablieren können? Ich meine nicht. Diese Partei wird so wahrgenommen, wie sie nach zahlreichen Äußerungen gerade ihrer gewählten Spitzenpolitiker ist. Der AfD-Fraktionführer in Sachsen ist doch da keine Ausnahme.

  • Ich befürchte, dass es inzwischen Egal ist, wie sich die AFD, mit oder ohne Höcke, in der BRD positioniert.

    Seit einiger Zeit schreiben Medien, dass sich die Rassistischen und die Antisemitischen Handlungen so wie das Gerede darüber immer mehr verstärkt.

    Auch wenn man sich in der Öffentlichkeit mit Menschen unterhält und dabei erfährt, das diese Leute bereitwillig die AFD wählen werden, kann man feststellen, das genau diese Leute ihre Sprache bereits den Gepflogenheiten der AFD angepasst haben.

    Man hört Sprüche wie Merkel muss weg, raus mit dem Ausländern, Deutschland für Deutsche usw.!

    Fragt man sie aber mit welchen Programmpunkten der AFD sie denn übereinstimmen, bekommt man als Antwort, „Die müssen kein Programm haben, die wollen gar nicht regieren, die AFD will nur Opposition machen, ich wähle sie aus Protest!“

    Auf die Frage was passieren wird wenn die AFD regieren würde, bekommt man betretenes Schweigen!

     

    So wie das alles klingt sind viele der AFD Anhänger wirklich nicht diejenigen, die sich in irgendeiner Weise für die zukünftigen Geschicke der Deutschen interessieren, Hauptsache Pöbeln und Stunk machen, weil man nicht in der Lager ist sich auf der politischen Bühne anders Gehör zu verschaffen.

     

    Leider haben das die etablierten Parteien nicht Begriffen, dass eine Menge Bürger nicht mehr mit dem Vorsetzen von „Alternativlosen Lösungen“, meist zu ihren Lasten, einverstanden sind.

     

    Viele dieser Menschen sind nun auf die einfachste Lösung eingeschwenkt, in dem sie sich für die Rechte und Nationalsozialistische Lösung entschieden haben.

    Auch habe ich das Gefühl, dass unsere Politiker genauso wie unsere Medien, nicht realisieren, wie viele sich tatsächlich der AFD zugewandt haben.

    Viele möchten zur Zeit nicht öffentlich als AFD Wähler identifiziert werden, da es eben einen negatives Bild von ihnen Zeichnen würde, sich soweit Rechts zu positionieren.

     

    Fazit: Viele haben keine Erwartung an die AFD, außer Fremdenfeindlichkeit und Aufruhr!!!

  • woran der Kommentar - und der Umgang mit Le Pen und co - leider krankt ist folgendes: man tut so, als wären die 30 % nur eine Zahl, erschreckend groß.

     

    Es sind aber Menschen, die irgendwelche Gründe haben, in Frau LePen die Hoffnung zu sehen, dass sich in Frankreich etwas verbessert. Frankreich wurde von Hitler überfallen und hat bestimmt nicht vor, ein nationalsozialistisches Land zu werden. Die richtige Frage wäre also nicht, was der Partei LePens (bzw. hier der Afd) am meisten schaden würde. Sondern wie man diese 30 % - in Deutschland vielleicht eher 15 % Potential für die Afd - zurückgewinnt.

  • Ist es doch wohl eher angesagt -

    Über Teufel&Beelzebub verschärft mal -

    Nachzudenken! - Statt was feixend kurz -

    Wunschzudenken - & zwar vom Billigen!

    Nicht nur Heinrich Hoffmann 2.0

    Lauert schon auf den Mann.

    kurz - Die Herrenreiterdamgeherrschaften -

    Putzen die Steigbügel vom Grünspan.

    Wer aber genau - Spannt an?!

    Ok - Is sich z.Zt. noch was offen.

    Nur Hoffen&Hoffen & Harren -

    Machen doch gern was zum Narren. &

     

    (Nein! - Nicht Friede&Liz seien mit euch!

    - Will ich mal schwer hoffen!;)

  • KEIN AUSSCHLUSSVERFAHREN

    GEGEN HÖCKE

     

    Fast hätt's mich um den Schlaf gebracht:

    Für 'nen Moment hab ich gedacht,

    die AfD ließe sich doch hinreißen,

    den Hassschleuderer rausschmeißen.

    Das Bauernopfer wär' ein kleines

    und Petrys Westchen fast ein reines.

    (Natürlich nur nach außen hin,

    wer möchte, weiß vom Schmutz darin.)

    In der Partei war jedoch klar,

    dass kaum wer für den Ausschluss war.

    So nimmt, wer sie wählt, wissend hin,

    dass braune Fäulnis steckt darin.

     

    © Werner Färber

     

    UNGEREIMTHEITEN VON FIES BIS BÖSE

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Björn Höcke sollte unbedingt Mitglied der AfD bleiben. Er verhindert, dass sie sich als rechtskonservative, bürgerliche Partei positionieren kann"

     

    -Die Frage ist halt ob es denn so schlimm wäre, wenn die AFD wirklich eine bürgerlich-rechtskonsevative Partei wäre, was sie auch ohne Höcke in meinen Augen nicht ist, da auch eine Beatrix von Storch kaum harmlosere Ansichten hat.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Die Frage ist eigentlich: Wieviele können danach sagen "das haben wir ja nicht wissen können". Denen klipp und klar sagen zu können "Doch. Wusstet ihr. Ihr wolltet es" ist das Dramatische, aber auch Zufriedenstellende daran.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Ist es nicht eher so: Höcke sammelt das Nazipack ein und Meuthen und Petry die Halbnazis. Dadurch decken Sie ja eine ganz ordentliche Bandbreite ab.

     

    Und der Antisemitismus des alten Le Pen war ja vielleicht ein so heißes Eisen, dass man es eben kalt stellen musste um mehrheitsfähig zu werden.

     

    Der "Schuldkult" wird ja vielleicht nicht ganz so heiß gegessen. Genauso wie der "große Austausch" oder "völkisch". Auch wenn das Nazisprech reinsten Wassers ist.

     

    Die Afd hat es ja ganz gut hinbekommen diese Begriffe zu enthistorisieren und neu zu besetzen ohne dass es allgemeine Übung wäre das ganze Gesindel als Nazis zu bezeichnen und als solche zu bekämpfen.

     

    Das macht die ganze Chose ja weitaus gefährlicher als die Stiernacken von der NPD.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Sie treffen den Nagel auf dem Kopf . Die AfD kann taktisch nichts Besseres tun als das , was CDU und CSU schon sehr lange erfolgreich tun : Getrennt marschieren und vereint schlagen .

      (siehe alten CSU-Slogan : Rechts neben uns darf es keine Partei geben ! )

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Naja die AfD kann sich natürlich um die 2-3% "Nazipack" der Bevölkerung kümmern und die von der NPD abwerben, oder sie umwirbt die bürgerliche Mitte, die mit Antisemitismus nichts zu tun haben will. Da ist definitv mehr zu holen.

      Insofern ist es also ganz gut das Höcke bleibt.

       

      Was die Begriffe angeht: Der Trick der AfD ist die bewusste Provokation. Das gibt Aufmerksamkeit bei den klickzahlengeilen Medien (=kostenlose Werbung) und verschiebt die Grenze des Sagbaren ein Stück weiter nach rechts, so dass das dann alles gar nicht schlimm wirkt wenn Horst Seehofer dann dasselbe mit anderen Wortschöpfungen sagt.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Tim Schweizer:

        Und dann noch ditte:

         

        "In der „Mitte“-Studie zur rechtsextremen Einstellung in Deutschland 2014 wurde in allen Bevölkerungsgruppen manifest rechtsextreme Einstellung nachgewiesen. Wie schon in den vorangegangenen Erhebungen ist die Ausländerfeindlichkeit die Dimension, die auf die größte Zustimmung trifft: jeder fünfte Deutsche ist noch immer ausländerfeindlich. Die zweithöchs-

        ten Zustimmungswerte erreichen mit 13,6 % chauvinistische Aussagen, und 5 % der Deutschen sind antisemitisch eingestellt. "

         

        Quelle: http://research.uni-leipzig.de/kredo/Mitte_Leipzig_Internet.pdf

         

        Also 2 - 3 % wäre nett, kommt aber nicht hin.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Tim Schweizer:

        Worauf ich hinaus wollte ist, dass die AfD ja vielleicht beides tut.

         

        Nazis einsammeln und Rechtskonservative bedienen.

         

        Und was die Provokationen angeht: Die sprechen eben vielen aus dem Herzen. Und das augenzwinkernde Relativieren nach dem Sagen versteht diese Zielgruppe sehr wohl.

         

        Schauen Sie sich den Dreck mal auf Facebook an und Sie werden verstehen was ich meine.