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Kommentar Razzia bei OSSViele Fragen

Andreas Speit
Kommentar von Andreas Speit

Was steckt hinter der Aktion gegen die „Oldschool Society“? Inkompetenz? Taktik? Im März wusste die Bundesanwaltschaft angeblich von nichts.

Heckklappe eines Autos. Darauf die Initialien A und H. Das Auto stand im Hinterhof eines Hauses, in dem ein Verdächtiger lebte. Bild: dpa

S ehr lang dürften die Ermittlungen gegen die Oldschool Society (OSS) nicht gelaufen sein. Am Mittwoch fanden auf Anweisung der Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung Hausdurchsuchungen und Festnahmen statt.

Im März dieses Jahres hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken noch geantwortet, dass die Bundesanwaltschaft zwar mehrere Ermittlungen aufgrund des Verdachts der Bildung einer rechten Terrorgruppe eingeleitet hätte, sich jedoch kein Verdacht verdichtet hätte. Und nun? Wussten die Ermittler vorher nichts von der Gruppe, oder wollten sie nichts bekannt geben? Inkompetenz oder Taktik?

Nicht die einzigen Fragen, die sich stellen. Mit dem Schlag gegen die OSS ist nach Ansicht von Innenminister de Maizière (CDU) möglicherweise die Bildung einer rechtsradikalen Organisation nach dem Vorbild des NSU verhindert worden. Dieser Annahme könnte widersprechen, dass die „Verbindung gleichgesinnter Menschen, die die deutsche Kultur und ihre Werte leben“, nicht bloß ihr Selbstverständnis online darlegte, sondern auch Drohungen und Bilder von Waffen und Schießübungen veröffentlichte: nicht gerade die ideale Vorbereitung für den Untergrundkampf.

In ihrer Erklärung weist die Bundesanwaltschaft explizit darauf hin, dass „nachrichtendienstliche Maßnahmen“ der Geheimdienste die Ermittlungen ermöglichten. Seit dem zufälligen Auffliegen des NSU-Kerntrios ist aber doch gerade das Agieren der Geheimdienste in der rechtsextremen Szene in massive Kritik geraten.

Soll also jetzt ein Erfolg präsentiert werden, um die Kritik zu delegitimieren? Am Mittwochnachmittag konnten die Ermittler außer „pyrotechnischen Gegenständen mit großer Sprengkraft“ bisher wenig vorweisen. Vielleicht erhärten sich die Erkenntnisse ja aber noch.

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Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
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8 Kommentare

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  • Da haben die in der Scene involvierten VS Bediensteten ihrer eigenen Behörde, Facebook sei dank, einen schönen Köder gebastelt. Und der deutsche Michel fällt darauf herein und fühlt sich auf einem Schlag wieder viel viel sicherer in seinem Vorgarten. BND sei dank! ROFLMAO

    • @Laughin Man:

      Der BND steht durch den Untersuchungsausschuss gerade heftig unter Druck, da muss einfach mal schnell ein "Erfolg" aus dem Hut gezaubert werden.

      Und siehe da: prompt hat man eine Neonazi-Keimzelle parat, die man hopsnehmen kann.

       

      Dass solche "Zellen", wie auch gerne der NSU, durch V-Männer und Verfassungsschutzgelder aufgebaut werden, interessiert dabei niemanden.

  • So viel merwürdiger als bei dem Religionsfschisten von Oberursel ist dieser Fall doch bisher garnicht präsentiert worden....

     

    In beiden Fällen kann man tatsächlich nicht von professionel klandestinen Strukturen sprechen. Beides macht eher den Eindruck von für die jeweilie Zielgruppe ausgelegten Ködern.

     

    Immerhin es sei erwähnt das die sichergestellte illegale Pyrotechnik tatsächlich reiner Sprengstoff ist, Quasi sofort einsetztbar, wenn ein Mutiger der zweifelhaften Qualität der dabei verbauten Anzündschnüre traut. Deren Qualität ist oft so mangelhaft das sich der Anzündende mindestens die Hand mit absprengt, weil diese "durchschlagen". Dafür ist die Wirkladung allemal ausreichend, auch für tödliches Wirkungspotenzial von Splitetrn und Wurfstücken. Wirkung entspricht etwa:

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Stielhandgranate_24

     

    Allerdings mit kriegsmäßigem Ersatzsprengstoff geladen.

     

    Reicht für Verstöße gegen § 24 und den üblicher § 40 SprengG

  • Wir können uns einfach nicht darauf verlassen, dass braune Dumpfbacken nicht doch über genug IQ verfügen, um Pläne zum Bombenbau - z.B. aus dem Netz - für ihre mörderischen Pläne umzusetzen.

    Es ist einfach zu riskant, diese feigen barbarischen Totschläger frei herum laufen zu lassen!

    • @amigo:

      Das ist hier auch garnicht nötig. Diese Gruppe hatte ja bereits einsatzfähigen Sprengstoff.Für Tote recht es eine solche Ladung am Kirchen/Moschee/Synagogen-Fenster anzukleben.

      • @KarlM:

        wenn das die Übungshandgranaten der BW waren, dann kann ich Sie beruhigen. Beim Ankleben an ein Fenster einer Kirche / Moschee / Synagoge wird danicht viel passieren (1,5 g Sprengstoff wenn ich mich nicht irre). Machen Sie sich doch bitet sachkundig bevor Sie schreiben..

        • @Gerald Müller:

          Sorry,

           

          diese Darstellungsmuntion ist NICHT gemeint. Es handelt sich um illegale Pyrotechnik die eine Sprengkraft von ca. 60-80 g TNT Äquvalent darstellt. Dessen Gurney-Konstante liegt so um 1700-1800 m/s, TNT mit d= 1,6 g/cm³ ligt bei 2300-24450 m/s.

           

          Also schon ganz ordentlich, zumal die einzelnen Satzgewichte dieser Pyrotechnik deutlich über 100 g erreichen.

           

          Jetzt können Sie ja für ein Normfenster mal ausrechnen was da passiert.

  • "Vielleicht erhärten sich die Erkenntnisse ja aber noch."

     

    Oder auch nicht. An der Medienwirkung scheint das ja nichts zu ändern.