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Kommentar ProzessberichterstattungÜberflüssig und hinterhältig

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

CDU-Rechtspolitiker Kauder will angeblich die Intimsphäre von mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern besser schützen. Das Problem, das er lösen will, existiert gar nicht.

W as für ein überflüssiger und hinterhältiger Vorschlag! Der Rechtspolitiker Siegfried Kauder (CDU) will Medien verbieten, über Aussagen zu berichten, die vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht wurden. Kauder will damit angeblich die Intimsphäre von Prozessbeteiligten schützen - vermutlich will er aber den Kachelmann-Prozess nur nutzen, um Staatsgeheimnisse besser vor der Presse abzuschirmen.

Schon der Anlass ist schlecht gewählt. Im Strafprozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann war zwar über weite Strecken die Öffentlichkeit - und damit auch die Presse - ausgeschlossen. Doch aus diesen Vernehmungen drang auch kaum etwas nach außen. Das Problem, das Kauder lösen will, existiert gar nicht.

Ganz anders war die Situation im Ermittlungsverfahren. Damals berichteten zahlreiche Medien über den Inhalt von Polizeiakten und Gutachten, als lägen sie ihnen vor. Wörtliche Zitate aus solchen Akten sind zwar heute schon verboten, aber wer die Vorschrift kennt, zitiert eben in indirekter Rede. Wer hier eine Strafbarkeitslücke sieht, könnte immerhin fordern, auch sinngemäße Zitate aus Ermittlungsakten zu verbieten. Besser wäre es jedoch, die ohnehin leerlaufende Strafvorschrift ganz abzuschaffen. Sie schränkt nur künstlich die freie Berichterstattung ein. Ihren angeblichen Zweck, die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten zu schützen, kann sie ohnehin nicht erfüllen. Sonst müsste man jede Berichterstattung vor der Urteilsverkündung verbieten.

Bloßer Voyeurismus kann bereits sanktioniert werden

Solche Strafvorschriften sind auch zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von mutmaßlichem Opfer und mutmaßlichem Täter nicht erforderlich. Wer Persönlichkeitsrechte verletzt, muss Schadensersatz zahlen. Bloßer Voyeurismus ohne Prozessbezug kann so bereits wirkungsvoll sanktioniert werden.

Bild: privat

CHRISTIAN RATH ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg.

Dabei ist aber immer im Blick zu behalten, dass der Strafprozess im Rechtsstaat grundsätzlich öffentlich ist. Wenn es um Sexualdelikte geht, kann die Öffentlichkeit zwar teilweise ausgeschlossen werden, bestimmte Grundinformationen werden aber notwendigerweise bekannt. So ist in einem Vergewaltigungsprozess die Frage, ob die Beteiligten eine sado-masochistische Beziehung hatten, durchaus von zentraler Bedeutung. So etwas mag den Beteiligten peinlich sein, wie viele andere Tatsachen auch, die bei Strafprozessen zur Sprache kommen. Wer aber jede persönlichkeitsrelevante Information vor der Öffentlichkeit abschirmen will, der müsste öffentliche Strafverfahren generell verbieten. Und das will bisher jedenfalls niemand.

Eher wird regelmäßig über eine Zulassung von Fernsehkameras diskutiert, damit die Bürger unser Rechtssystem besser verstehen und nicht nur die verzerrte Darstellung aus Gerichts-Shows und US-Serien sehen. Doch auch ohne Fernsehbilder ist die Berichterstattung über prominente Strafverfahren von öffentlichem Interesse.

Schließlich werden hier auch Fragen von großer gesellschaftlicher und durchaus politischer Bedeutung verhandelt: Muss einer Frau, die eine Vergewaltigung anzeigt, unbedingt geglaubt werden oder ist auch hier eine strenge rechtsstaatliche Kontrolle erforderlich ? Hat ein prominenter Beschuldigter vor Gericht bessere oder schlechtere Chancen als Otto Normalangeklagter?

Naseweise und vorlaute Presse

Und nicht zuletzt geht es auch um öffentliche Kontrolle der Justiz, die jedenfalls in Mannheim nicht über jeden Zweifel erhaben war. Vermutlich geht es Siegfried Kauder aber auch weniger um die Persnönlichkeitsrechte mutmaßlicher Verbrechensopfer und Täter. Eher nutzt er die Diskussion, um ein altes Anliegen zu akzentuieren: den Schutz staatlicher Geheimnissen vor einer naseweisen und vorlauten Presse.

So beantragte Kauder als Vorsitzender des BND-Untersuchungsausschusses die Strafverfolgung von Abgeordneten und Journalisten, weil immer wieder geheime Unterlagen an die Presse gelangten. Und vor einem halben Jahr schlug Kauder vor, angesichts der terroristischen Bedrohung die Pressefreiheit einzuschränken und zum Beispiel Berichte über mögliche Anschlagsziele zu verbieten. Stets erntete er wütende Proteste. Wohl deshalb argumentiert er jetzt einmal mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte.

Das allgemeine gesellschaftliche Klima ist jedoch zum Glück eher günstig für die Pressefreiheit. So hat das Bundesverfassungsgericht Anfang 2007 in seiner Cicero-Entscheidung die Durchsuchung von Redaktionsräumen zur Feststellung von Lecks in der staatlichen Administration erschwert. Und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Strafverfolgung von Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat einschränken will. Bilder von Polizisten, die Unterlagen aus Redaktionsräumen tragen, sollen nach möglichkeit vermieden werden. Solche Rücksichtnahmen auf die Presse hält Kauder jedoch für bedenklich und will sie aufhalten. Die CDU/CSU-Fraktion muss schnell deutlich machen, auf welcher Seite sie steht.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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5 Kommentare

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  • MO
    Martin Overath

    Gäbe es in Deutschland - wie in der Schweiz - ein Schuldinterlokut, wären die "persönlichen Verhältnisse (im wahrsten Sinne des Wortes)" in der Hauptverhandlung überhaupt nicht zur Sprache gekommen.

  • N
    nachdenken

    Das Problem ist nicht, dass es berichtet wurde, sondern wie es berichtet wurde.

     

    Es war kein Journalismus mehr, sondern PR-Aktionen von Beteiligten und Sympathisanten.

     

    Verwirrend wird es, wenn z.B. Frau Schwarzer nicht wie Journalistin berichtet, sondern wie eine parteiliche PR-Managerin oder Pressesprecherin agiert, aber dann vorm Gericht bei ihrer Verweigerung der Zeugenaussage auf Berufsgeheimnis für Journalisten beruft.

     

    Oder wenn eine Zeit-Journalistin mit dem Verteidiger schon zusammen gearbeitet hat.

     

    Dieser Trend, dass Zeitungen nicht mehr aus journalistischen Artikeln bestehen, sondern dass viele Artikeln bloß eine Zusammenstellung oder Übernahme von Pressemittelungen sind (Ausflugsorte für das Wochenende, Versicherungstipps, Tag der offenen Tür), das hat nicht gerade erst jetzt angefangen.

     

    Wenn diese "Journalisten" als freie Autorin eigene Bücher geschrieben hätten, wäre es nicht so schlimm gewesen, weil jeder sehen kann, dass es nur parteiliche und persönliche Meinungsäußerungen sind. Problematisch wird es, wenn die Beiträge als Redaktions-Beiträge einer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlicht werden.

  • S
    susanna

    Das Opfer musste sich mehrmals Fragen stellen und Körperliche Untersuchungen. Tests von Gutachtern usw. über sich ergehen lassen. Kein Opfer sucht diesen Weg, um sich zu rächen. Schon gar nicht,wenn dies öffentlich wird.

     

    Herr KACHELMANN lächelte elegant gekleidet monatelang und hat nie den MUND geöffnet noch wurde er persönlich von einem Psychiater oder sonstigen Gutachtern untersucht.

    NIE musste er persönlich kniffligen Fragen REDE UND ANTWORT stehen. weder Gutachtern noch dem Gericht gegenüber.DIES wird stets übergangen, auch von den Medien.

    Diese Strafprozessordnung mit solch einem Vorteil des Angeschuldigten ist eine Farce von ANFANG an.

  • H
    Hasso

    Bei der Justiz hat man oft den Eindruck, dass nicht die Tat entscheidend ist, sondern der Einfluss, und wer den längsten Atem hat, das heißt: das meiste Geld-,der fährt bei der Justiz am besten. Das Vermögen und der Einfluss dürfte in keiner Weise bei der Urteilsfindung eine Rolle spielen. Tut es aber!

  • M
    MK1964

    Dass jeder Journalist die Pressefreiheit verteidigt ist logisch und richtig.

     

    Nur hat auch der Prozess gegen Herrn Kachelmann gezeigt, dass manche Journalisten keinerlei Berufsethos haben sondern alles (!) berichten, was ihnen (!) wirtschaftlich (!) hilft. Egal welche Konsequenzen das dann für den Prozessverlauf oder die Zukunft der Prozessbeteiligten hat.

     

    Ist ein fairer Prozess und die Gewährleistung der Unschuldsvermutung überhaupt noch zu gewährleisten, wenn eine permanente Berichterstattung in der Bild-Zeitung und anderen Medien stattfindet?

     

    Die Rechtfertigung, dass Andere falsch gehandelt haben (Veröffentlichung aus Ermittlungsergebnissen) zeigt das falsche Berufsethos nur noch klarer. Und dass man sich gegen Voyeurismus wehren kann stimmt, hilft aber keinem, der mitten in einem Strafprozess steckt.

     

    Es wird Zeit, dass Journalisten über das eigene Berufsethos diskutieren und dann selber Regeln festlegen, die natürlich die eigenen wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen, die aber auch die Unschuldsvermutung und das berechtigte Interesse von Opfern, Angeklagten und Zeugen berücksichtigen und achten.

     

    Vorschläge eines Herrn Kauder zu kommentieren, erübrigen sich dann.