Kommentar Proteste gegen Flüchtlinge: Die Sorgen der dumpfen Anwohner
Viel ist wieder die Rede von den "berechtigten Sorgen" der Anwohner, die derzeit in Hellersdorf gegen Flüchtlinge protestieren. Was ist hier eigentlich berechtigt?
S eit die Proteste gegen Flüchtlingsheime in Demonstrationen von NPD und „Pro Deutschland“ kulminiert sind, macht er wieder die Runde: Der Satz von den „berechtigten Sorgen der Menschen“, die man ernst nehmen müsse. Da kann einem angst und bange werden. Vor 20 Jahren, nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen, hat man das auch gesagt – am Ende bestand das „Ernstnehmen“ in der faktischen Abschaffung des Asylrechts.
Nun werden manche sagen, lass mal die Kirche im Dorf, darum geht es heute nicht. Tatsächlich fällt der Satz jetzt zumeist als Begründung dafür, dass man die BürgerInnen rechtzeitig informieren müsse, wenn in ihrer Nachbarschaft ein Flüchtlingsheim eröffnet. Aber ist das der Kern des Problems – etwa in Hellersdorf, wo es ja eine Infoveranstaltung gab? Liegt das Problem nicht genau bei den Menschen, die Flüchtlinge für ein Problem halten?
Wer im Zusammenhang mit Ausländern pauschal von Kriminalität, Vermüllung und dergleichen redet, der hat keine „berechtigte Sorge“ – der ist ganz einfach ein Rassist. Solchen Dumpfbacken kommt man nicht mit Information und Aufklärung bei – im Gegenteil. Veranstaltungen dieser Art sorgen vielmehr dafür, dass diese Menschen alarmiert und mobilisiert werden – siehe Hellersdorf. Und man gibt den Leuten indirekt auch noch recht in ihrer Wahrnehmung, dass es ein Problem gebe, über das man reden müsse.
Umgekehrt wird eher ein Schuh draus, wie Georg Classen vom Flüchtlingsrat dieser Tage richtig sagte: In Sachen Flüchtlingsheimen sollte man die Öffentlichkeit gar nicht informieren, sondern einfach machen. Irgendwann merken die Anwohner schon, wer ihre neuen Nachbarn sind – und dass Omas Goldschmuck noch immer unter der Matratze liegt.
Das Unbehagen an dem Satz von der „berechtigten Sorge“ geht aber noch weiter. Denn auch jetzt schreien, wie vor 20 Jahren, Politiker nach einem „Krisengipfel“ – wegen der Proteste gegen die angebliche Asylbewerberschwemme. Das Argument damals wie heute: Man dürfe das Thema nicht „den Rechten“ überlassen. Solche Sätze bereiten in der Tat berechtigte Sorgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen