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Kommentar Protest-Rücktritt in der DitibNotruf eines Insiders

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Nun wird Ditib sogar aus den eigenen Reihen kritisiert. Spätestens jetzt sollte für alle klar sein, welche Interessen die Organisation wirklich vertritt.

Schwer integrierbar: Die Ditib-Moschee in Köln ist der verlängerte Arm der türkischen Regierung Foto: dpa

D ie Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib, sorgt mal wieder für Negativschlagzeilen. Doch diesmal dürfte sich der größte islamische Dachverband in der Bundesrepublik schwerer damit tun, Kritik an seinem problematischen Gebaren in gewohnt schnoddriger Manier abprallen zu lassen. Bislang hat die Ditib-Zentrale in Köln stets empört sämtliche „Unterstellungen der Fremdsteuerung“ zurückgewiesen. Aber nun kommt genau dieser Vorwurf von einem „Insider“, dem langjährigen Landesvorsitzenden in Niedersachsen.

Mit seinem Rücktritt zieht Yılmaz Kılıçdie Konsequenzen aus der immer übermächtigeren und unseligeren Einflussnahme Ankaras. Alle Versuche, einen eigenständigen Weg zu gehen und mehr Offenheit zu schaffen, seien gescheitert, begründet er seinen Abschied. Es ist ein Notruf, der ernst genommen werden sollte.

Wer bis dato immer noch der aberwitzigen Ansicht war, Ditib könnte ein ernsthafter Gesprächspartner in Sachen Integration sein, sollte spätestens jetzt seinen Irrtum einsehen. Nicht erst seit der Regierungsübernahme Erdoğans ist die Ditib ein schwieriger Kooperationspartner.

Anders als von ihr behauptet, war sie nämlich noch nie nur eine Religionsgemeinschaft, die sich um die religiösen Belange der in Deutschland lebenden Muslime kümmert. Von jeher bestimmt das dem türkischen Ministerpräsidenten direkt unterstellte Diyanet, das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten, die Geschicke des Verbands. Und genauso lange ist der Ditib-Vorsitzende in Personalunion türkischer Botschaftsrat.

Die lang gehegten Hoffnungen auf eine Transformation hinein in die bundesdeutsche Gesellschaft haben sich nicht erfüllt, im Gegenteil. Ditib wirkt zunehmend desintegrierend. Es ist erfreulich, dass die Bundesregierung aktuell keine Projekte mehr fördert, die in der Trägerschaft der Ditib liegen. Doch das reicht nicht. Auf allen Ebenen sollte klargestellt werden: An einer fünften Kolonne des autokratischen Erdoğan-Regimes besteht kein Bedarf.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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13 Kommentare

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  • ...sondern aus der Ditib-Merkez Moschee in Duisburg.

    • Max Mustermann , Autor*in Moderator*in ,
      @rolldeo:

      Vielen Dank für den Hinweis. Wir kümmern uns darum.

  • Religiosität wurde immer schon von den herrschenden missbraucht. Unabhängig von der Religion.



    Eine direkt einer staatlichen Autorität unterstellte "gemeinschaft" kann nichts anders, als dem Herrscher zu folgenden.



    Aber dies ist ja schon lange bekannt. Mscvhiavelli hat dies schon ausführlich von 500 Jahren beschrieben.



    Erdogan hat den wohl besser gelesen als andere.



    Frei nach kant: Religion ist das Christl mett des Volkes.

  • Das Bild stammt nicht aus der Kölner Ditib-Moschee.

    • @rolldeo:

      “aus“ - nicht. Schonn.

      Aber - vulgo - DITIB-Glashaus.



      Newahr. Normal. Schonn.

  • "An einer fünften Kolonne des autokratischen Erdoğan-Regimes besteht kein Bedarf."

    Deshalb sollte die Ditib als ausländisch gelenkt Organisation auch überwacht werden. Die Ditib schüchtert die türkische Community massiv ein.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Das war und ist doch schon längst bekannt.



    Nur durfte niemand diese Tatsachen benennen ohne in den Ruf eines Rassisten zu kommen.



    Deshalb hielt die Politik sich wohl bedeckt wohl auch um ihre Geschäfte mit dem Diktator nicht zu gefährden.

    Ob jetzt gehandelt wird? Ich bezweifle es.

  • Dann muss man aber auch andere Verbände bauen um das Thema Islam erdoganfrei und liberal zu spielen. Es ist ja nicht so, dass es keine liberalen Türken islamischen Glaubens gibt.

    Am besten wäre es die überholten Verträge Deutschlands aus den 60er Jahren zu kündigen, die Erdogans Autokratie quasi zum staatlichen Protektor der "Türken" in Deutschland machen.

  • "Nicht erst seit der Regierungsübernahme Erdoğans ist die Ditib ein schwieriger Kooperationspartner."

    Man sollte ihn zitieren:

    "Die Moscheen sind unsere Kasernen



    ihre Minarette unsere Bajonette



    ihre Kuppeln unsere Helme und



    ihre Gläubigen unsere Soldaten."

    Unsere Regierung(en) sollten Erdogan endlich ernst nehmen!

    • @Jens Frisch:

      "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind."

      "Gott sei Dank sind wir Anhänger der Scharia."

      de.wikiquote.org/w...ayyip_Erdo%C4%9Fan

      • @Adele Walter:

        Leute, die in der Demokratie eine Art Zug sehen, auf den sie nach Belieben auf- und von dem sie genau so rasch auch wieder abspringen können, wenn er sie doch nicht ans ersehnte Ziel bringt, gibt es ne ganze Menge, fürchte ich. Nicht nur unter Muslimen übrigens, sondern auch unter denen, die die Ditib-Muslime kontrollieren müssten. Vielleicht kommt ja das Zögern da her...?

        • @mowgli:

          Ich weiss. Die Geschichte ist voll davon. Man darf nie vergessen, dass die NSDAP demokratisch gewählt wurde und ihre grossen Sauereien alle per Gesetz und Abstimmung legalisiert hat.

          • @Adele Walter:

            & - btw - Walter & Conny -

            “Es muß demokratisch aussehen.



            Aber wir müssen alles in der Hand haben.“ -

            Waren sich - wenigstens darin - einig!;)(



            No! Noch nich sooo lang her. Newahr.



            Normal.