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Kommentar Preis für Dieter HanitzschAntisemitische Bildsprache

Frederik Schindler
Kommentar von Frederik Schindler

Dem kritikresistenten Dieter Hanitzsch wird ein Preis verliehen, obwohl er eine antisemitische Karikatur veröffentlichte. Das ist skandalös.

Dieter Hanitzsch und sein Laudator Christian Ude (Archivbild von 2014)

D ass dem Karikaturisten Dieter Hanitzsch am Donnerstag in München der Ernst-Hoferichter-Preis verliehen wird, ist ein Skandal. Denn: Hanitzsch hatte im Mai 2018 in der Süddeutschen Zeitung eine Karikatur veröffentlicht, die sich verschiedenen Aspekten der antisemitischen Ikonografie bedient. Darin wird die israelische Gewinnerin des Eurovision Song Contests (ESC), Netta Barzilai, mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu in eins gesetzt.

Die Darstellung physiogomischer Merkmale wie wulstige Lippen, riesige Ohren und eine große Nase könnten dabei gutwillig noch als karikaturistisches Stilmittel der Überzeichnung gewertet werden. Problematischer ist vielmehr, dass der ESC in der Zeichnung zum Propagandaevent Israels umgedeutet und die im antisemitischen Weltbild verankerte Vorstellung von kriegslüsternen und mächtigen Juden bedient wird. Dass die Sängerin Netta in Wahrheit von der israelischen Regierung gesteuert würde, ist zudem eine klassische antisemitische Verschwörungsfantasie, nach der Juden weltweit für israelische Politik in Kollektivhaftung genommen werden.

Nachdem Hanitzsch bei der SZ gekündigt wurde, zeichnet seit Juli für die Abendzeitung. Dort gilt Hanitzsch offenbar – beschämenderweise – als Verkaufsargument: Wöchentlich wird er dort großformatig auf den in der ganzen Stadt verteilten Zeitungskästen angekündigt.

Die Veröffentlichung einer Karikatur, die zentrale antisemitische Motive verbreitet, hat ihm also wenig geschadet. Die Frage, ob Hanitzsch selbst ein antisemitisches Weltbild vertritt, ob er als Antisemit bezeichnet werden kann und ob er die Stereotype absichtlich verbreitet hat, spielen in der Bewertung der Zeichnung selbst dabei keine Rolle. Die Wurzeln antisemitischer Affekt- und Denkstrukturen liegen schließlich oft im Unbewussten.

Wenn sein Laudator, der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, von einem „einem sehr kleinen Kreis“ spricht, der versuche, „Druck auf die Stadtpolitik auszuüben“, spielt er damit die Sorgen der Münchner Juden herunter. Auch Hanitzsch hat die Kritik aus der jüdischen Gemeinde, von Antisemitismusforschern und Journalisten nicht ernstgenommen und zeigt sich bis heute uneinsichtig. Die Karikatur bereue er nicht. Ihn trotz dieser Kritikresistenz mit einem Preis zu ehren, führt zu einer Verharmlosung antisemitischer Bildsprache.

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Frederik Schindler
Freier Mitarbeiter
Bis Juni 2019 freier Mitarbeiter in den Ressorts Gesellschaft/Medien und taz.de. Themenschwerpunkte: Antisemitismus, Islamismus, LGBT-Politik und Fankultur. Jahrgang 1993.
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5 Kommentare

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  • Jetzt sehe ich die Ferengi aus Star Trek-DS9 in einem ganz anderen Licht: die geldgierigen, frauenfeindlichen Rübennasen mit den Riesenohren sind natürlich...

    Leute, es gibt auch ein Aufklärungs-ADS!

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Vidocq:

      Glasklar, weiß doch jeder dass es nach 1945 keinen Antisemitismus mehr in Deutschland gibt.

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    "Die Veröffentlichung einer Karikatur, die zentrale antisemitische Motive verbreitet, hat ihm also wenig geschadet. Die Frage, ob Hanitzsch selbst ein antisemitisches Weltbild vertritt, ob er als Antisemit bezeichnet werden kann und ob er die Stereotype absichtlich verbreitet hat, spielen in der Bewertung der Zeichnung selbst dabei keine Rolle."

    Moment mal... ist er als Urheber dann evtl. kein Antisemit, seine Zeichnung aber antisemitisch? Ich glaube, so stark kann man Werk und Autor dann auch wieder nicht trennen - es sei denn, er hätte als Kritiker des Antisemitismus eine bewusst antisemitische Karikatur gezeichnet, um den Antisemitismus aufzuzeigen. So viel Metaebene traue ich ihm aber nicht zu...

    • @970 (Profil gelöscht):

      " Ich glaube, so stark kann man Werk und Autor dann auch wieder nicht trennen ... ."

      Das ist aber eine steile These. Ich stelle mir gerade vor, wie würden in jedem Buch, jeder Fotografie, jedem Gemälde, rundum in jedem Kunstwerk auch gleichzeitig die Denke der Autoren/Künstler ableiten. Kunst als Gesinnungsprädikat. Furchtbar.

      • @Rolf B.:

        „rundum in jedem Kunstwerk auch gleichzeitig die Denke der Autoren/Künstler ableiten“

        Selbstverständlich kann man das; zwar nicht aus jedem Kunstwerk, aber aus vielen. Wer das Gegentum behauptet, hat von Kunst und Literatur keine Ahnung.

        Bei einer Karikatur, die ja üblicherweise den Zweck hat, politische oder gesellschaftliche Verhältnisse zu kommentieren oder zu glossieren, kann man das fast immer.

        Bei einem Lied wie Zappas „Bobby Brown“ darf man aber z.B. davon ausgehen, dass Frank sich nicht mit der Figur identifiziert, auch wenn er singt: „Hey there people, I'm Bobby Brown …“, sondern uns wie in vielen seiner Stücke einen lächerlichen Popanz vorhält (man nennt das „Rollenprosa“). Das lässt auch Rückschlüsse auf die „Denke“ des Künstlers zu.

        Sogar aus auf den ersten Blick scheinbar völlig unpolitischen Kunstwerken wie Gemälden kann man eine Haltung des Künstlers ablesen. Die Nazis wussten schon, weshalb sie den größten Teil der modernen Malerei als „entartet“ verfemten und dabei nicht nur einen explizit politischen Maler wie Dix, sondern auch die „harmlosen“ Bilder von Marc verboten (um nur eines von vielen Beispielen zu nennen).