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Kommentar Politischer Kurs in PolenDie PiS und der Blitzkrieg

Kommentar von Gabriele Lesser

Noch findet keine ernsthafte Diskussion über PiS statt. Die Gegner im Inland verlacht die Partei nur. Deshalb braucht es Intervention von außen.

PiS? Nein. Frieden? Ja. Dumm nur, dass die PiS sich von den Demos im Land nicht beeindrucken lässt. Foto: reuters

P olens neue Regierung sieht sich von Feinden umzingelt. Der Kampf verlangt von den Abgeordneten der rechtsnationalen „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) geradezu Übermenschliches. In langen Nachtsitzungen jagen sie neue Gesetze durchs Parlament, die wie Streubomben in die Stellungen der Feinde einschlagen. Gegner wie Anhänger der Regierung benutzen das gleiche deutsche Wort für diese Form der Parlamentsarbeit – „blitzkrieg“.

Und während Premier Beata Szydło gegen den „Terror der Interessengruppen“ im Inland kämpft, macht Jarosław Kaczyński, der PiS-Parteichef und zurzeit mächtigste Mann Polens, gegen das „russisch-deutsche Kondominium“ mobil, das angeblich seit Jahren schon Polen in seinen Krallen hält.

Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, ist einer der schärfsten Kritiker des PiS-Kurses. „Staatsstreichcharakter“ hat für ihn der Umbau der parlamentarischen Demokratie Polens in einen autoritären Obrigkeitsstaat ohne Gewaltenteilung und funktionierendes Verfassungsgericht. Nun, kurz nachdem die PiS den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Regierungskontrolle stellte, spricht er gar von einer „gelenkten Demokratie nach Putins Art“. Das ist vielleicht eine Spur zu scharf, aber nicht falsch.

Gegner des Demokratieabbaus in Polen werfen Kaczyński nichts anderes vor. Dass das Wort von der angeblichen „Putinisierung“ dabei nur die Oberfläche trifft, dürfte den meisten klar sein. Denn Kaczyński eifert natürlich nicht Putin nach, sondern General Jósef Piłsudski und seinem autoritär-faschistoiden Staat in der Zwischenkriegszeit.

Noch ist Polens Gesellschaft überrumpelt von diesem „blitzkrieg“ der PiS. Eine ernsthafte Diskussion findet nicht statt, da die PiS ihre Gegner im Inland nur verlacht und ihren Wahltriumph auskostet. Die einzigen Gesprächspartner, die eine Chance haben, von der Regierung in Warschau gehört zu werden, sind Ausländer. Deshalb ist die Intervention von Schulz trotz allem richtig.

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Auslandskorrespondentin Polen
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9 Kommentare

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  • [...] Die PiS muss man nicht mögen, aber man sollte fair vorgehen. Ich finde, die Hintergründe werden hier nicht deutlich, z.B.die Politisierung des Verfassungsgerichtes durch die PO sowie die Eingriffe in die Pressefreiheit durch die PO-PSL-Regierung ("Wrost", "Rzeczpospolita") ausgeblendet. Es ist mir klar, dass man bei der TAZ keine Sympathien für die Nationalkonservativen hegen darf. Dennoch wäre etwas weniger Identitätsjournalismus wünschenswert.







    Kommentar bearbeitet. Bitte kommentieren Sie respektvoll.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Zitat: 'Deshalb ist die Intervention von Schulz trotz allem richtig'.

    Das 'trotz allem' verstehe ich nicht. Es geht ja in Polen nicht mehr nur um die regierungsfreundliche Medienlandschaft, sondern z.B. um die Abschaffung einer unabhängigen obersten Justiz und um das Abhängen der Europaflagge. Polen wendet sich von Europa ab, schafft Recht und europäische Werte ab und will eigentlich nur noch europäische Gelder.

    Die Aussage von Schulz ist gewaltig zu milde und sollte schnellstens durch einen Ausschluß Polens aus Europa quittiert werden.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Die TAZ sollte bitte schön mindestes lernen, wie man den Namen von Kaczynski richtig schreibt, auf der rechten Menüleiste bei "Themen" steht "Kazcynski"...







      Danke für den Hinweis

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Polen aus Europa ausschließen? Was für ein Unfug! Und was für eine simplistische Wahrnehmung der Lage in Polen! Die Arroganz der Besserwisser gepaart mit Ignoranz. Lesen die Leute hier gelegentlich auch was Anderes als die TAZ und die SZ? Das war eine rhetorische Frage.

      • 1G
        19412 (Profil gelöscht)
        @John Vasquez:

        Die rhetorische Antwort:

        Manchmal erscheinen hier auch Besserwisser, die in Polen leben :-)

        ... und gegen einseitige Information und vorgefaßte Meinungen schreiben.

    • 1G
      19412 (Profil gelöscht)
      @4932 (Profil gelöscht):

      Es geht eben gerade nicht um Abschaffung der Unabhängigkeit der oberen Justiz, sondern um Änderungen, die zu vernünftigen Urteilen führen (siehe mein Link im Kommentar von 11:29)

       

      Die EU-Flagge hängt nach wie vor in Sejm... Sie wurde nur bei einer Pressekonferenz der B.Szydlo nicht gezeigt, als es um innerpolnische Angelegenheiten ging.

       

      Über die Medienlandschaft in Polen müssten Sie sich mal informieren. PO hat in den letzten 8 Jahren alle "Feinde" entsorgt und TV/Radio zur Propapandamaschine umgebaut. Das soll jetzt geändert werden. Es sind ja auch bisher gar nicht alle Änderungen veröffentlicht - also bitte keine Vorurteile. So ist z.B. TVP (ÖR TV) jetzt landesweit frei über DVBT verfügbar und die Abzocke mit der Verschlüsselung wurde beendet.

       

      Und versuchen Sie bitte mal, in ARD und ZDF neutrale Berichte mit Hintergrundinformationen zu finden ... viel Erfolg dabei...

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @19412 (Profil gelöscht):

        Bei Ihren Antworten weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.

        Es ginge jetzt nur um 'vernünftige Urteile'?

        Die EU-Flagge wurde nur 'nicht gezeigt'?

        Die 'Abzocke mit der Verschlüsselung von ÖR TV' wurde beendet. Grandios.

        Ich habe viele polnische Kontakte und sage Ihnen, daß die Pis in Polen mit Europa nichts mehr am Hut hat, außer die EU ordentlich abzuzocken. Beata sagte heute schon, daß das Thema 'Kritik an Polen aus Deutschland' damit beendet sein solle.

        Dies ist 'Recht und Gerechtigkeit' nach polnischer Art.

        • @4932 (Profil gelöscht):

          Sie meinen also, Sie wiederholen einfach gern die Meinungen Ihrer polnischen Freunde. Und die Meinungen sind jetzt repräsentativ? Oder Sie vertrauen dem Urteil Ihrer Freunde, weil es nun Freunde sind und demzufolge per definitionem nicht ignorant sein können? Das ist oft das Problem, dass man halt "mit den polnischen Freunden spricht", ohne sich unabhängig zu informieren. Das tun auch gern die deutschen Journalisten in Polen, statt vertieft und mit weitem Blick an die Analyse heranzugehen. "Die PiS hat mit Europa nichts mehr am Hut, ausser die EU ordentlich abzuzocken". Anders als das alte gute Deutschland: selbstlos, humanitär und pazifistisch.

  • 1G
    19412 (Profil gelöscht)

    Fragen über Fragen:

    "Noch ist Polens Gesellschaft überrumpelt..." ?

    "Eine ernsthafte Diskussion findet nicht statt..." ?

    "Die einzigen Gesprächspartner, die eine Chance haben, von der Regierung in Warschau gehört zu werden, sind Ausländer."?

     

    Seltsam. Wer Kaczyński kennt, ist nicht überrascht...

    In Polen wird ersthaft und intensiv diskutiert...

    In D wird polarisiert (gegen PiS)...

    Es gibt in der EU bisher auf politischer Ebene keine Gesprächspartner, nur "Staubaufwirbler" ... und die haben bisher keine offiziellen Dokumente vorliegen ...

     

    Zu den Tatsachen der Änderungen zum Verfassungsgericht ist diese Ausführung lesenswert: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/zweierlei-ellen-1.18675664