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Kommentar Plädoyer im NSU-ProzessDer Preis des Schweigens

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Zschäpe hat erfolgreich die Unterstützerszene gedeckt. Die Bundesanwaltschaft hakte kaum nach. Das ist der bittere Beigeschmack ihrer Strafforderung.

Ihren Promi-Status wird sie wohl in ein paar Jahren eingebüßt haben: Beate Zschäpe Foto: reuters

M it dem Ende ihres Plädoyers fordert die Bundesanwaltschaft die volle Packung für Beate Zschäpe: lebenslängliche Haft mit besonderer Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung. Mehr geht nicht. Es ist ein Signal: So wie es dem Staat über Jahre nicht gelang, die rechtsextreme Terrorserie des NSU aufzuklären, so will er wenigstens jetzt seine ganze Härte zeigen.

Die Strafe wäre gewiss gerechtfertigt, nicht nur als Symbol. Zehn Menschen wurden durch die Rechtsterroristen kaltblütig erschossen. Mehr als 30 weitere wurden bei den Anschlägen teils schwer verletzt, mit zertrümmerten Knochen und in die Körper gebohrten Nägeln. Bis heute leiden die Opfer an den Taten. Vom NSU wurden sie im Bekennervideo noch verhöhnt. Verschickt hatte es: Beate Zschä­pe. Wenn nicht für solch eine Verbrechensserie die Höchststrafe verhängt wird, wofür dann?

Zschäpe hatte versucht, genau das zu verhindern. Nun ist klar: Ihre Kapriolen, ihr inszenierter Streit mit ihren Anwälten, ihre halbgare Einlassung – es hat ihr nichts gebracht. Nur das: Bis heute hat sie keinen Namen von Helfern genannt, der den Ermittlern nicht schon bekannt war. Die Mauer des Schweigens über die Unterstützer bleibt intakt. Und das ist der bittere Beigeschmack.

Auch die Bundesanwaltschaft leuchtete das bisher kaum aus. Woher kamen all die Waffen? Wer half bei der Tatortauswahl mit? Das ist weiter ungeklärt. Und droht es zu bleiben.

Erfolgreich hat Zschäpe den Schutzmantel über die Szene gehalten. Sie wird einen hohen Preis dafür zahlen. Folgen die Richter der Bundesanwaltschaft, wird Zschäpe für viele Jahre hinter Gittern verschwinden. Ihren Promi-Status wird sie dort in ein paar Jahren einbüßen. Vielleicht wird sie dann ihr Schweigen noch einmal überdenken, um nicht bis zum letzten Tag einsitzen zu müssen. Bis dahin aber kann und muss die Aufklärung nun an anderer Stelle weitergehen.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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9 Kommentare

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  • Ok ok. Denn mal anders - zum Schweigen -

     

    Das A-B-C des Angeklagten

     

    "…Ja, also hier ist ein neues Delikt, von dem man uns seinerzeit auf der Universität nichts gesagt hat. Es gibt noch eines, das wir nicht gelernt haben. Wenn nämlich der Angeklagte leugnet und man ihm die Unwahrheit seiner Behauptungen nachweisen kann ...

    »In solchem Fall wird man dich als hartnäckig Leugnenden brandmarken und schwer bestrafen.«

    Und hier müssen denn doch einmal der Deutsche Richterverein, der sich vor Standesbewußtsein nicht zu lassen weiß, sowie der Justizminister gefragt werden, ob diese Schande dauern soll. Seit wann ist Leugnen ein Delikt –?

    Ich besinne mich noch auf den Tadel, den ich einmal im Seminar von Franz von Liszt bekommen habe, als ich in einer strafrechtlichen Arbeit eine Analogie konstruieren wollte. Die langen Federstriche am Rande riefen mich laut zur Ordnung: im Strafrecht gäbe es keine Analogien, sondern nur ausdrücklich angeordnete und vom Gesetzgeber bestimmte Strafen, und wenn der Tatbestand nicht unter einen solchen Paragraphen zu subsummieren sei, so sei eben freizusprechen. Mangelhaft.

    Mit Recht: mangelhaft.

    Und die Richter –?…"

     

    & Ein Journalist - ?

    Für Schweigen - gilt nichts anderes.

    Daher - ergänzt/beendet der Autor seine Buchbesprechung -

     

    "dann wollen wir von dem verpesteten Gebiet der Unabsetzbaren scheiden, indem wir jenen schönen Satz auf Seite 105 immerdar beherzigen:

     

    »Bedenke, wir leben in einem Rechtsstaat.«

     

    Ignaz Wrobel

    Die Weltbühne, 08.01.1929, Nr. 2, S. 45.

    http://www.textlog.de/tucholsky-abc-angeklagten.html#

    Das A-B-C des Angeklagten - &

    Danke Herr Dr. Kurt Tucholsky für

    Ihre klaren Worte.

    • @Lowandorder:

      Ich lese aus dem Artikel eigentlich nur die Ansicht heraus, dass Frau Zschäpe das Strafmaß offensichtlich nicht so wichtig war, wie der Schutz ihres Netzwerkes. Daher ist auch überhaupt keine Milde angebracht, denn nichts an dieser Haltung deutet auf Reue oder Bedauern. Im Gegenteil, man muß befürchten, dass sie genau dort weitermachen wird, wo sie durch die U-Haft zur Unterbrechung ihres mörderischen Lebenswandels genötigt wurde, sollte sie noch einmal in Freiheit gelangen.

       

      Desweiteren lese ich aus dem Artikel ein gewisses Bedauen darüber heraus, dass der Bundesstaatsanwaltschaft ihre Container voller belastender Indizien offenbar genügten. An einer vollständigen Aufklärung, soweit sie nicht durch die Angeklagte selbst geleistet worden wäre, war man dort wohl nicht interessiert. Für die Beantragung der maximal möglichen Strafe in unserem Rechtsstaat hat es ja schon ausgereicht, das gesammelte Material einfach nur vorzutragen.

      • @cursed with a brain:

        Auch zum ersten -

        Ist der Dr.jur. Kurt Tucholsky ein kluger Schüler seines Lehrers Franz von Liszt - einem der führenden Vertreter der Interessentjurisprudenz -

        "Hört auf - Rumzuspychologisieren!"

        Um all dieses Gequacksalber - Reue etc geht es nicht! Das hat - bis hin zum Strafmaß im Strafprozess nichts zu suchen! Allein Schutz der Gesellschaft vor erneuter strafrechtlich relevanter Bedrohung ist Ziel der Strafe!

        Deswegen auch meine harsche Kritik - an den Ausführungen von Konrad Litschko - & deren überschießende "Gefühligkeit" - durchweg! & dazu -

        Das - Ihr zweites - passend -

        "… An einer vollständigen Aufklärung, soweit sie nicht durch die Angeklagte selbst geleistet worden wäre, war man dort wohl nicht interessiert.…"

        Das ist schlicht nicht die Aufgabe eines Strafprozesses!

        & Genau deswegen -

        Nochmals -

        "Strafe für nachgewiesene Taten & Tatbeteiligungen - but -

        Sanktionscharakter etc -

        Für Schweigen - No way."

        &

        Tucholskys boshafte - aber ohne wenn&aber zutreffende Ausführungen

        Zum Leugnen - die schlicht um schlicht fürs Schweigen zutreffen &

        Die - wenn ich boshaft wäre -

        Noch ganz anders Herrn Konrad Litschko zu seinem geradezu reaktionären Verständnis als Journalist

        Entgegengehalten werden könnten!

        So geht das.

        &

        Wir schreiben schließlich nicht

        1929 - sondern 2017!

        Unter einer der modernsten Verfassungen - ever -

        Dem Grundgesetz!

        &

        Damit kein Mißverständnis aufkommt.

        Das mindert die hier in Rede stehenden entsetztlichen Taten & die offensichtlichen Verstrickungen staatlicher Stellen & Akteure & deren Versagen & Vertuschungsversuche in keiner Weise.

        Sine ira et studio. Ohne Eifer&Zorn.

        Alles andere führt rechtsstaatswidrig

        In die Irre. Punkt.

  • @ CURSED WITH A BRAIN

     

    1. Im Jargon ala © LÜGT sind wir uns ja scheint's einig.

    &

    2. Seh ich anders.

    Dann nehmen Sie den zweiten

    Zitat-Satz - als ersten. &

    Dann den Überschrift-Satz darunter!

    kurz - Lebenslängliche Strafe - als

    Quittung für's Schweigen.

    Rechtsstaat in dieser Republik nach dem Grundgesetz geht anders -

    Wäre sonst - Rechtsbeugung.

     

    Strafe für nachgewiesene Taten & Tatbeteiligungen - but -

    Sanktionscharakter etc -

    Für Schweigen - No way.

    • @Lowandorder:

      Der Strafantrag (und eine mögliche Verurteilung) folgt immer noch der "Indizienkette". In diesem Fall einer fast 400 Verhandlungstage lang dauernden Kette. Sonst hätte man auch nach drei Tagen schon den Aktendeckel schliessen können. Daher geht der Vorwurf, "Verurteilung wegen Klappe gehalten" komplett ins Leere.

       

      "Auch notorisches Klappe halten sorgt nicht automatisch für Freispruch ungeachtet mehrer Container voll belastender Anhaltspunkte" ist hier eher das Motto.

      • @cursed with a brain:

        ok - denn nochens -

         

        Ihrs -

        "Daher geht der Vorwurf, "Verurteilung wegen Klappe gehalten" komplett ins Leere.…"

         

        Erklärt halt nicht / unfaßt halt nicht

        "Der Preis des Schweigens" -

        kurz - entweder können Sie nicht aus Ihrer Denkschleife raus - wie sie ja auch Herr Konrad Litschko bedient -

        Oder Sie wollens nicht!

        Zu helfen ist scheint's in beiden

        Fällen ihnen beiden nicht!

        Fin.

  • "Der Preis des Schweigens"

     

    Das & der Jargon des Rests.

    ("…Mit dem Ende ihres Plädoyers fordert die

    Bundesanwaltschaft die -

    volle Packung…").

    Si tacuisses. Hätten Sie - mal besser -

    Geschwiegen!

    Journaille ala © LÜGT - &

    Rechtstaatliche Wirrnis de taz!

    Wie entlarvend.

    Mit Verlaub.

    Na Mahlzeit.

     

    "…Die politischen Richtungen haben traditionelle Positionen zum Aussageverweigerungsrecht: Der Konservativismus sieht es eher kritisch, stuft es als Gefahr für Gerechtigkeit, Recht und Ordnung ein, durch das sich Straftäter der Verantwortung für ihre Taten entziehen könnten, und tritt daher für eine Abschwächung ein. Der Progressivismus hingegen sieht es als Wesensmerkmal des Rechtsstaates und Voraussetzung für ein faires Verfahren, lehnt Ausnahmen, als möglichen Dammbruch, ab und befürwortet die Stärkung.…" https://de.m.wikipedia.org/wiki/Aussageverweigerungsrecht

     

    So geht das.

    Noch Fragen?

    • @Lowandorder:

      Dass der Artikel das Recht eines Angeklagten, die Aussage zu verweigern, in Zweifel zieht, kann ich nicht erkennen.

       

      Dass die fundamentale Weigerung mit Staatsanwalt und Gericht zusammenzuarbeiten, nicht zum Vorteil der Angeklagten ausgelegt werden kann oder gar muss, liegt doch wohl auf der Hand.

       

      Wenn also ein Bechuldigter im Rahmen eines Gerichtsverfahrens nichts zu seiner Entlastung beitragen will, so darf die Vermutung, dass er es schlicht und ergreifend nicht kann, nicht ausgeschlossen werden.

       

      Dass Frau Zschäpe im vorliegenden Fall so verfährt um ein "Netzwerk" vor seiner Enttarnung zu schützen, ist sicherlich ebenfalls nur eine Vermutung. Allerdings eine, die nicht so ganz abwegig zu sein scheint. Die zahlreichen Indizien sprechen eine deutliche Sprache. "Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden" war hier also gar nicht zwingend nötig, um die weitreichende Verstrickung der Beklagten inklusive einer "besonderen Schwere der Schuld" herauszuarbeiten.

  • 4G
    40522 (Profil gelöscht)

    Es wird Zeit, dass die richtigen Signale in Richtung Rechtsterror gesetzt werden! Endlich! Man kann nur erahnen, dass hinter Zschäpes Schweigen ein tiefer brauner Sumpf befindet. Es wird sicherlich noch Jahre dauern bis dieser braune Sumpf trocken gelegt werden kann....

    Diese ganzen Ungereimtheiten und offenen Fragen (v.a. bzgl. der V-Leute) hinterlassen irgendwie einen faden und bitteren Beigeschmack.

    Unerträglich finde ich die Strafforderung des Bundesanwaltes gegenüber Carsten S.(zweiter Beschaffer der Ceska-Waffe)- lediglich drei 3 Jahre!

     

    Nach dem G-20 Gipfel (HH) gab für einen Flaschenwurf gleich 2 Jahre.

    Irgendwie unverhältnismäßig....